Die Nibelungen-Festspiele ab 1937


Doch auf dem ersten Backfischfest liegt auch ein Wehrmutstropfen, denn es war eine Zeit des politischen Umbruchs, 1933 kam es in Worms zu den ersten (neuzeitlichen) Judenverfolgungen.

Der Wahnsinn wirft seine Schatten voraus.

Und hier greift wieder die Nibelungen-Thematik, nun ideologisch durch die national-sozialistische Politik instrumentalisiert.


Dr. Friedrich Maria Illert, seit 1934 Leiter der Kulturinstitute, sah darin die Gelegenheit dem geschichtsträchtigen Worms zu nationaler Größe zu verhelfen. Er plante eine "Reichsfeier der Deutschen" bzw. eine "Weltfeier der Völker germanischen Blutes" um den Dombezirk herum, der hierzu großzügige architektonische Veränderungen erfahren sollte.

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Nachdem die Resonanz hierfür ausblieb, schlug er für 1936 ein Nibelungenjahr vor; doch auch davon sahen die Nazis ab

, ... die sich auch nicht zu sehr mit einem Epos identifizieren wollten, an dessen Ende alle Helden sterben.


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Dennoch zeigt Illerts Initiative seine Wirkung, wenn auch in weitaus kleinerem Maßstab:

Zum einen wird der Domvorplatz zum Exerzierplatz umgestaltet und nennt sich von nun an "Platz der Nation", erst 1977 wird er zum "Platz der Partnerschaft".



Zum anderen werden ab 1937, jährlich, bis zum Ausbruch des 2ten Weltkriegs, Hebbel-Festspiele im Spiel- und Festhaus aufgeführt, die vom Schirmherr der Festspiele, Joseph Goebbels, im Rahmen der "Reichstheater-Festwochen" persönlich eröffnet wurden.

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Auf dem ersten Bild sehen Sie die seinerzeit sehr bekannten Filmschauspielerinnen Agnes Straub, und Maria Koppenhöfer als Kriemhild und Brunhild.

Das mittlere Bild zeigt den umjubelten Goebbels auf dem Weg zum Schweißwerk, wo er eine seiner volksverhetzenden Reden halten wird. Rechts, die Festbeilage der Wormser Tageszeitung

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Die mit durchweg guten Schauspielern besetzten Aufführungen degradieren zu einer Propagandaveranstaltung der Nationalsozialisten.

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1938 zerstören Wormser Bürger die jüdische Synagoge, sie misshandeln, enteignen und deportieren die hier lebenden Juden. Mit der Reichspogromnacht endet die tausendjährige und einzigartige Geschichte der jüdischen Gemeinde in Worms.


Mit dem Beginn des 2.ten Weltkriegs versiegen 1939 die Zuschüsse aus Berlin und die Festspiele werden wieder eingestellt. Illerts Konzept war trotz geschickter Einfädelung in die NS-Ideologie ebenfalls gescheitert.

Im Bild sehen Sie das letzte Festspielplakat von 1939.


Auch das Backfischfest wird wegen Kriegsgefahr abgebrochen. Das Bild (unten links) zeigt einen der letzten Umzüge.

1945 wird Worms schließlich Opfer englischer und amerikanischer Bomben (Bild unten rechts).

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Nachkriegszeit -
Nibelungen-Festspiele 1956

Schon 1947 wird das erste Liebfrauenmilch-Fest eröffnet. Doch bereits im darauf folgenden Jahr nennt man es wieder Backfischfest. ... Dabei wäre Liebfrauenmilch-Fest auch ein schöner Name gewesen, aber er konnte sich nicht durchsetzen.

Die Nibelungen erholen sich nicht ganz so schnell.
Der Missbrauch dieses Stoffs durch die Nazis schafft eine große Distanz zu dem Thema, abgesehen von vier, eher lokal geprägten - Hebbelaufführungen vor dem Westchor des Wormser Doms im Jahre 1956, versinken die Nibelungen wieder in der Vergessenheit.


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insbesondere auf Luther, ihre romanischen Kirchen und ... nun leider etwas zu spät, die Juden. Die Stadt konzentriert sich kulturtouristisch nun auf ihre anderen Schwerpunkte.
Ganz und gar vergessen wurden bis heute übrigens Karl der Große, er residierte lange Zeit von Worms aus, bis im Jahre 790 seine Pfalz abbrannte und er nach Aachen wechselte. Oder Friedrich Barbarossa, der sich in keiner anderen deutschen Stadt so häufig aufhielt, wie in Worms. Völlig unbekannt: Richard Löwenherz einer der prominentesten Gefangenen der Stadt oder die Kelten, ... immerhin, am nahe gelegenen Donnersberg verbrachten sie etwa zwei Jahrhunderte ... und der gesamte Tourismus der Region baut darauf auf. Hier verbrachten sie nahezu ein Jahrtausend und es gibt auch bedeutende Funde, aber niemand nimmt es zur Kenntnis. Die Kelten wurden dann von den Germanen und den Römern verdrängt, das Museum ist voll von römischen Artefakten, ... die wie z.B. die Gesichtskrüge relativ einzigartig sind, doch auch das interessiert nur am Rande ...
Ganz zu schweigen von den ersten Menschen die sich hier (nördlich der Alpen) niederließen, um sesshaft zu werden ... usw. usw. usw.
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.. die Wormser Geschichte ist wirklich sehr reichhaltig an bedeutenden und auch einzigartigen Ereignissen und Persönlichkeiten ... und doch kommt man hier immer wieder auf die sagenhaften Nibelungen zurück.




Bildquellen: Stadtarchiv Worms
Farbfotos von Dom/Andreasstift und Judenfriedhof: Heinz Angermüller