Friedrich II.
und die Sarazenen


von Hans Müller



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Friedrich II. in Palermo, Gemälde von Arthur von Ramberg ..

1.
Einleitung
1.1
Die Rolle der Sarazenen auf Sizilien und in Süditalien bis zum Tod Heinrichs VI. (1197)
1.2
Leben Friedrichs II., seine politischen Aktivitäten und Zielvorstellungen im Überblick
2. Hauptteil
2.1 Friedrich II. und die Sarazenen aus der Sicht von Zeitzeugen
2.2

Kindheit und Jugend Friedrichs II.
wohl prägend für seine besondere Beziehung zu den Sarazenen
2.3 Friedrich II. und die aufständischen Sarazenen, ihre Umsiedlung nach Lucera
2.4 Der Kreuzzug des Kaisers – sein direkter Kontakt mit der Welt der Sarazenen im Orient
2.5 Sarazenische Einflüsse in der Hofhaltung des Kaisers
2.6

Sarazenische Einflüsse auf das wissenschaftliche Interesse des Kaisers und auf seine Aktivitäten auf diesem Gebiet
2.7 Die letzten Staufer und die letzten Sarazenen im Königreich Sizilien
3.

Schluss
Friedrich II.: stupor mundi


Zeittafel

(kursiv = familiäre Beziehungen des Kaisers, fett = Kaiser und Sarazenen)


1186 Heinrich VI., ältester Sohn Kaiser Barbarossas, seit 1163 deutscher König, heiratet Konstanze, die Tante des letzten Normannenkönigs von Sizilien.

1189 Tod des letzten Normannenkönigs von Sizilien, Tod Friedrich Barbarossas
Heinrich VI. muss sich gegen Heinrich den Löwen durchsetzen.
Blutige Auseinandersetzungen in Sizilien zwischen christlicher und muslimischer Bevölkerung

1194 Geburt Friedrichs, des Sohnes von Konstanze und Heinrich VI.,  in Oberitalien bei Ancona, wo er die ersten 3 Jahre verbringt

1196 Sein Vater erreicht, dass sein Sohn als Friedrich II. zum römisch-deutschen König gewählt wird.

1197 Tod Heinrichs VI., der mit 32 Jahren an Sumpffieber stirbt, bevor er zu einem gut vorbereiteten Kreuzzug aufbrechen kann

1197-1212 Friedrich II. in Sizilien

1197 Von seiner Mutter, der Kaiserin und Königin von Sizilien, an den siz. Hof in Palermo gebracht

1198 Krönung zum König von Sizilien – Tod seiner Mutter.
J
ahrelange Thronwirren in Deutschland, chaotische Herrschaftsverhältnisse in Sizilien – Friedrich II. vom Sarazenentum in Sizilien mitgeprägt

1208 Friedrich II. wird mit 14 Jahren mündig.

1209 Vermählung mit Konstanze von Aragonien

1211 Geburt ihres Sohnes Heinrich – Friedrich II. wird in Deutschland zum Kaiser gewählt. Er lässt seinen einjährigen Sohn zum König von Sizilien krönen.

1212-1220 Friedrich II. in Deutschland

1215 Königskrönung in Aachen – Er gelobt einen Kreuzzug.

1220 Sein Sohn wird als Heinrich VII. deutscher König.
Kaiserkrönung Friedrich II. und seiner Frau in Rom.
Erneuerung des Kreuzzugsgelübdes

1220-1227 Friedrich II. im Königreich Sizilien.
Unterwerfung Siziliens, insbesondere der rebellierenden Sarazenen – Umsiedlung vieler unterworfener Sarazenen nach Lucera in Apulien in die Nähre seiner neu errichteten Residenz Foggia

1222 Tod der Kaiserin und Königin Konstanze

1224 Gründung der Universität Neapel

1225 Vermählung mit Isabella II.  von Brienne, der Königin von Jerusalem

1227 Abbruch der Kreuzzugsvorbereitungen wegen des Ausbruchs einer Seuche -> Kaiser vom Papst gebannt

1228 Geburt seines Sohnes Konrad. – Tod seiner Frau im Wochenbett – Dadurch wird sein Sohn König von Jerusalem und der Kaiser sein Regent.

1228-1229 Kreuzzug des gebannten Kaisers: Behinderung durch den Patriarchen von Jerusalem und die Templer – Interesse des Kaisers an sarazenischer Kultur und Wissenschaft – Freundschaft mit dem Unterhändler des Sultans – Abkommen: u.a. Verzicht des Sultans auf Jerusalem außer dem Tempelbezirk, 10-jähriger Waffenstillstand - Krönung zum König von Jerusalem

1229-1235 Friedrich II. im Königreich Sizilien

1229/30 Rückeroberung der von päpstl. Truppen besetzten Teile seines Königreiches – Friedensschluss mit dem Papst, der den Bann aufhebt

1231 „Konstitution von Melfi“: Aufbau der sizilianischen Monarchie.

1235-1237 Friedrich II. zum 2. und letzten Mal in Deutschland

1235 Der Kaiser hält in Worms Gericht über seinen rebellierenden Sohn Heinrich VII., den er absetzt und der 7 Jahre später in einem Gefängnis in Apulien stirbt (wahrscheinlich durch Selbstmord).
Er heiratet in Worms Isabella von England, die Schwester des englischen Königs.

1236 Beisetzung der hl. Elisabeth von Thüringen in Anwesenheit des Kaisers - Wahl seines Sohnes zum deutschen König Konrad IV.
Geburt Margarethes, der Tochter von Isabella und dem Kaiser

1237-1250 Friedrich II. in Italien, meistens im Königreich Sizilien

1237 Glänzender Sieg des Kaisers bei Cortenueva in Oberitalien
über oberitalienische Städte

1238 Geburt Heinrichs,  des Sohnes von Isabella und dem Kaiser

1239 Von Papst Gregor IX. zum 2. Mal gebannt -> heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Papst mit seinen Anhängern und der kaiserlichen Partei bis zum Tod des Kaisers

1241 Tod von Isabella von England

1244 Musl. Nomadenstamm erobert Jerusalem.
-> Endgültiges Ende der Herrschaft über Jerusalem

1245 Absetzung des Kaisers durch Papst Innozenz IV.

1246 Verschwörung gegen Friedrich II.

1250 Tod des Kaisers – Sein Sohn Konrad IV. wird auch König von Sizilien.

1250-1300 Tod Konrads IV. nach Machtkämpfen in Apulien – Kämpfe gegen Karl von Anjou durch Manfred, den Sohn des Kaisers mit Bianca Lancia, mit Hilfe der Sarazenen von Lucera – sein Tod in der Schlacht (1266) – Ende der Stauferherrschaft mit der Enthauptung Conradinos, des Sohnes von Konrad IV. nach vergeblicher Unterstützung durch die Sarazenen von Lucera (1268)

Endgültige Vernichtung der letzten Sarazenen des Königreichs Siziliens in Lucera


1. Einleitung

„Wie es der kaiserlichen Erhabenheit ansteht, so zog er daher in großer Glorie und es folgten ihm die vielen Quadrigen mit Gold und mit Silber beladen, mit Byssus und Purpur, mit Gemmen und köstlichem Gerät. Er führte mit sich Kamele, Maultiere und Dromedare, Affen und Leoparden, auch viele Sarazenen und dunkle Äthiopier, die sich auf mancherlei Künste verstanden und als Wache dienten für Gelder und Schätze.“ (1)
Es handelt sich – wie viele von Ihnen ahnen – um eine Beschreibung des Zuges Friedrichs II. durch Deutschland von 1235, der aus Anlass seiner Hochzeit mit Isabella von England in Worms Station machte. Dieses Ereignisses wurde bekanntlich am 10.05.09 mit Festzug und Historienspiel in Worms gedacht.
Dass der Kaiser „in Glorie“ erschien, bedarf keines Kommentars. Aber wie soll man die Tatsache deuten, dass er neben exotischen Tieren in seinem Zug „Sarazenen [...] mit sich führte, die sich auf mancherlei Künste verstanden und als Wache dienten für Gelder und Schätze“? Unter Sarazenen verstand man in der damaligen Zeit, der Zeit der Kreuzzüge, maurische und arabische Armeen, islamische Völkerschaften schlechthin. In diesem Sinne benutze ich in meinem Vortrag den Begriff „Sarazenen“. – Mein Vortrag behandelt die auch in diesem Festzug zutage tretende ungewöhnliche Beziehung des Kaisers zur Welt der Sarazenen.

1.1.

Die Rolle der Sarazenen auf Sizilien und in Süditalien
bis zum Tod Heinrichs VI. (1197)

Die besondere Beziehung Friedrich II. zu den Sarazenen kann man nur verstehen, wenn man über die wechselvolle Geschichte der Insel Sizilien und Unteritaliens in den letzten Jahrhunderten vor Friedrich II. Bescheid weiß.
Daher möchte ich einen kurzen Überblick darüber dem eigentlichen Vortrag vorausschicken. – Die Sarazenen begannen 837 die erfolgreiche Eroberung der Insel, in der vorwiegend Griechen siedelten. Ihre Hauptstadt wurde Palermo, das sich zu einer blühenden Handelsmetropole entwickelte. Sie machten die Insel zu einem blühenden Land, indem sie die Bewässerung verbesserten und u. a. die Dattelpalme, die Zitrusfrüchte und das Zuckerrohr einheimisch machten. Ihre Baumeister errichteten orientalische Paläste und Moscheen. In Palermo soll es um das Jahr 1000 über 300 Moscheen gegeben haben. (2) Die Christen wurden von den Arabern toleriert, wohl auch, weil die von ihnen erhobene Ungläubigensteuer eine wichtige Einnahmequelle war. (3)

1061 folgten den Arabern die Normannen in Sizilien. Roger I. stützte sich zwar auf die einheimische griechische Bevölkerung, aber er begegnete den Arabern in Sizilien mit Toleranz – offenbar aus Einsicht in ihre Stärke. Und er übernahm nicht nur Einrichtungen ihrer Verwaltung, sondern stellte sie sogar als Soldaten in seinem Heer ein. (I S. 18) (4) Während seiner Regierungszeit wurden eine Reihe medizinischer Handbücher aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. (I S. 28) – Sein Sohn wurde als Roger II. König von Sizilien. Er machte das noch weitgehend islamische Palermo zu seiner Hauptstadt. (I S.18) Seine Herrschaft konnte er u.a. dank seiner Sarazenenscharen auf Teile Unteritaliens ausdehnen. (I S. 21) An seinem Hof schrieb der arabische Geograph Al Idrisi das wohl bedeutendste geographische Werk des Mittelalters. (I S. 28/29)  - Ein gutes Beispiel für die Haltung Roger II. gegenüber den Sarazenen ist der berühmte Prunkumhang, den er in einer sarazenischen Werkstatt– wie die Inschrift auf dem Saum angibt – 528 nach der Hidschra, d. h. 1133/34 anfertigen ließ. Auf beiden Seiten des Umhangs schlägt ein Löwe ein Kamel – dargestellt ganz im Stil der sarazenischen Kunst seiner Zeit. Die Botschaft der Darstellung ist ambivalent. Nach moslemischer Tradition steht der Löwe für den siegreichen Islam, das Kamel für die besiegten Feinde. Für die Normannenherrscher war der Löwe dagegen das Wappentier ihrer Dynastie. Demnach hätte der Umhang den Sieg der Normannen über die Sarazenen dargestellt. In den Saum sind Wünsche für den Herrscher in ornamentaler arabischer Schrift hineingestickt. (5) Der Umhang kam mit dem Normannenschatz durch Heinrich VI. auf die Festung Trifels. Vielleicht hat sich der Nibelungenlieddichter für seine Kleiderstrophen davon inspirieren lassen. Friedrich II. trug den Umhang möglicherweise bei der Kaiserkrönung in Rom 1220. Das hätte dann zumindest seine Wertschätzung der islamischen Kultur ausgedrückt. Im 13. Jahrhundert wurde er als Krönungsmantel fester Bestandteil der Kaiserkrönungen. Als eines der Reichskleinodien wird er jetzt in der Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt. (6)

Unter den Nachfolgern Rogers II. kam es jedoch immer wieder zu starken Spannungen zwischen Christen und Moslems, zu Ausschreitungen gegen die Sarazenen auf der Insel. (7) Dessen ungeachtet führten die nachfolgenden normannischen Könige ein orientalisch-luxuriöses Leben (I S. 33) und beschäftigten wie ihre Vorgänger offensichtlich sarazenische Baumeister. Das bezeugen viele Bauwerke, die auf die Normannenzeit zurückgehen. - So findet man viele arabische Stilelemente im Klosterkomplex San Giovanni degli Eremiti in Palermo mit seinem stimmungsvollen Kreuzgang und seinen 5 roten Kuppeln, die an die der Pauluskirche in Worms erinnern. (8) Ein anderes Beispiel großartigen arabischen Könnens ist die Ausstattung des Domes und des Kreuzgangs von Monreale in der Nähe von Palermo, der an die Alahambra in Granada denken lässt. (9) Hinweisen möchte ich zuletzt auf die Überreste des Lustschlosses La Zisa, ebenfalls in der Nähe von Palermo, die den arabischen Einfluss in der Architektur der Normannen bis heute kraftvoll bezeugen. (10)

Als Zeugnis für das Zusammenleben von Christen und Moslems in Palermo zitiere ich einen spanischen Araber, der diese Stadt 1189, im Todesjahr des letzten normannischen Königs, als „bewunderungswürdig im Stil von Cordoba“ rühmt und das Leben der Moslems in ihr mit folgenden Worten beschreibt:„Die Mohammedaner von Palermo [...] unterhalten zum größten Teil ihre Moscheen in gutem Stand; sie verrichten das Gebet, sobald der Muezzin dazu auffordert. Sie besitzen Vorstädte, wo sie mit ihren Familien gänzlich abgesondert von den Christen wohnen. [...] Die Mohammedaner haben in Palermo einen Kadhi, der ihre Prozesse entscheidet, und eine Hauptmoschee, in der sie sich zum Gebet versammeln. Sie kommen bei beleuchteter Moschee im heiligen Monat zusammen. Die anderen muselmännischen Moscheen sind so zahlreich, dass man sie nicht anführen kann, und die meisten dienen den Lehrern des Koran als Schulen.“ (11) Palermo war also damals eine multikulturelle Stadt, allerdings nicht im Sinne eines gedeihlichen Miteinanders, sondern eines meist friedvollen Nebeneinanders – und das zur Zeit blutiger Kreuzzüge.

1189 starb der letzte Normannenkönig, und zwar kinderlos. 1186 hatte der älteste Sohn Friedrich Barbarossas, bereits 1169 zum deutschen König gewählt, Konstanze, die Tante dieses Normannenkönigs, geheiratet.

Die Königswürde fiel nach Erbrecht und nach Vorstellung des Verstorbenen an seine Tante Konstanze und ihren Mann, Heinrich VI. Er war zu dieser Zeit in Deutschland, erfuhr dort vom Tod seines Vaters Friedrich Barbarossa und musste sich gegen Heinrich den Löwen und seine Anhänger durchsetzen. Das nutzten seine Widersacher, um ihm den Thron in Sizilien streitig zu machen. Außerdem kam es zu blutigen Auseinandersetzungen der christlichen mit der muslimischen Bevölkerung. (I S. 35) Erst 1191 krönte der Papst ihn und Konstanze zum Kaiser und zur Kaiserin und erst nach vielen kriegerischen Auseinandersetzungen auf Sizilien, die er grausam niederschlug, wurde er Weihnachten 1194 zum König Siziliens gekrönt. Einen Tag später wurde sein Sohn Friedrich in Norditalien in der Region Marken in Jesi bei Ancona geboren, wo er seine ersten 3 Lebensjahre im Schutz kaisertreuer Adliger verbrachte. 1195 wurde die Kaiserin zur Königin Siziliens gekrönt. Im gleichen Jahr begann ihr Mann einen Kreuzzug vorzubereiten. Im folgenden Jahr gelang es ihm, dass sein Sohn Friedrich zum römisch-deutschen König gewählt wurde. In Sizilien kam es im April 1197 erneut zu einer Verschwörung gegen Heinrich VI., die er ebenso grausam niederschlug. Am 28. September des gleichen Jahres starb Heinrich VI. im Alter von 32 Jahren am Sumpffieber, bevor er zum gut vorbereiteten Kreuzzug aufbrechen konnte.

1.2.

Leben Friedrichs II.,
seine politischen Aktivitäten und Zielvorstellungen im Überblick


Nach dem Tod ihres Mannes ließ Konstanze ihrer beider Sohn Friedrich nach Sizilien bringen, wo er vorwiegend in Palermo aufwuchs. Pfingsten 1198 wurde er zum König von Sizilien gekrönt. Noch im gleichen Jahr starb seine Mutter unerwartet. Unmittelbar vor ihrem Tod hatte sie den Papst Innozenz III. zum Vormund ihres Kindes bestimmt. Während der nun folgenden Thronwirren in Deutschland zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto IV. waren auch die Herrschaftsverhältnisse in Sizilien nicht weniger chaotisch. Unterschiedliche Gruppen und Persönlichkeiten versuchten die Herrschaft über das Königreich Sizilien an sich zu reißen und bemächtigten sich zu diesem Zweck des unmündigen Königs – meist gegen seinen Willen.

Mit 14 Jahren wurde er mündig und regierungsfähig. Der Papst arrangierte die Ehe Friedrichs mit Konstanze von Aragon, der 25-jährigen Witwe des ungarischen Königs, Mutter eines Sohnes. 1211 gebar sie den Sohn Heinrich. Als Friedrich 16 Jahre alt war, wurde er in Nürnberg zum Kaiser gewählt. (IS.130) Daraufhin zog er mit 17 Jahren von Sizilien nach Deutschland, nachdem er seinen einjährigen Sohn Heinrich zum König von Sizilien hatte krönen lassen. Seine Frau bestimmte er zu seinem Vormund.
Hier der Übersicht halber ein Überblick über die ehelichen Beziehungen des Kaisers. Seine Frau Konstanze, die ihm nur ein Kind geschenkt hatte, starb 1222. 3 Jahre später heiratete er die gerade 14 Jahre alte Isabella von Brienne, die Königin von Jerusalem, deren Titel und Herrschaftsrechte er nach der Heirat für sich beanspruchte. 1228 starb sie nach der Geburt ihres ersten Kindes Konrad. 1234/35 heiratete er kurz vor ihrem Tod wahrscheinlich die sizilianische Adlige Bianca Lancia, um ihre 2 oder 3 Kinder, darunter seinen Lieblingssohn Manfred, geboren 1232, zu legitimieren.
1235 ging der Kaiser - bekanntlich in Worms  - mit Isabella von England, der Schwester des englischen Königs, die Ehe ein. Sie schenkte ihm 2 Kinder, ein Mädchen und einen Jungen, die aber für das Fortbestehen des Staufergeschlechts keine Rolle mehr spielten. Der Junge war beim Tod des Kaisers erst 14 Jahre alt und starb 4 Jahre später. Isabella von England starb 1241 – wahrscheinlich bei der Geburt ihres 3. Kindes.

Nun aber zurück zu den wichtigsten Stationen im Leben Friedrichs II. 1212 zog er über Rom nach Deutschland, ließ sich als König bestätigen und in Aachen 1215 krönen. Durch seine Nachgiebigkeit den Fürsten gegenüber konnte er seine Macht in Deutschland konsolidieren und erreichen, dass sein Sohn als Heinrich VII. 1220 deutscher König wurde. Im gleichen Jahr wurde Friedrich II. in Rom zum Kaiser gekrönt, seine Frau zur Kaiserin.

Der sizilianische Adel und die Sarazenen hatten in der Abwesenheit des Königs die Staatsordnung zerrüttet. Mit eiserner Hand unterwarf er die Rebellen nach seiner Rückkehr und sicherte seine Macht durch den Bau von Kastellen. Er übertrug die Gerichtsbarkeit königlichen Richtern und Justitiaren. Zu Ungunsten der Insel favorisierte er immer mehr Apulien in Süditalien. Ab 1223/24 ließ er Foggia zur Residenz ausbauen, weitere Festungen errichten und in der Nähe von Foggia Jagdschlösser anlegen. 1224 gründete er die Universität in Neapel, in der seine Staatsbeamten ausgebildet werden sollten. Sein Versuch, feindselige oberitalienische Stadtrepubliken für sich zu gewinnen, misslang 1226. Er konnte sich immer weniger dem Drängen des Papstes widersetzen, den bereits in Deutschland versprochenen Kreuzzug anzutreten. Im Sommer 1227 während der Vorbereitungen des Kreuzzuges in Brindisi brach eine Seuche aus, auch der Kaiser erkrankte. Daher verschob er den Kreuzzugsbeginn. Daraufhin wurde er vom gerade gewählten neuen Papst Gregor IX. gebannt. Den Kreuzzug, auf den ich noch ausführlich eingehen werde, unternahm er als Gebannter. Bei seiner Rückkehr in Sizilien fand er Teile seines Königreiches in der Gewalt päpstlicher Truppen. Er besiegte sie und erreichte vom Papst die Rücknahme des Bannes. In den folgenden Jahren baute er mit Hilfe seiner Beamten eine straffe Zentralisierung in seinem Königreich Sizilien aus: auf den Gebieten der Gerichtsbarkeit, des Steuerwesens, der Wirtschaft und des Münzwesens, während er den Fürsten in Deutschland erhebliche Zugeständnisse machte.

Die Beziehungen zwischen dem Kaiser und seinem Sohn Heinrich, dem deutschen König, wurden im Laufe der Zeit immer schlechter. In diesem Zusammenhang erwähne ich, dass der Versuch Heinrichs VII., von der kaisertreuen Stadt Worms ein Treuegelöbnis zu erzwingen, zu einer allerdings letztlich erfolglosen militärischen Aktion gegen die Stadt Worms führte. (12) 1235 kam der Kaiser zum 2. und letzten Mal nach Deutschland. Sein Aufenthalt wurde allerdings durch einen Kriegszug nach Oberitalien unterbrochen. Bevor der Kaiser 1235 in Worms Isabella von England heiratete, zog er dort seinen Sohn zur Rechenschaft. Dieser konnte nur durch eine bedingungslose Unterwerfung die Begnadigung des Vaters erlangen. Er schien aber nicht auf die Königswürde verzichten zu wollen. So wurde er vom Kaiser in Apulien gefangen gehalten und setzte wohl selbst 1242 seinem Leben ein Ende. (II S. 305/06) 1237 wurde der Kaisersohn aus der 2. Ehe als Konrad IV. deutscher König. Im gleichen Jahr siegte der Kaiser in der Schlacht von Cortenuova über die rebellischen oberitalienischen Städte, in denen er eine straffe Verwaltung nach sizilischem Muster einführte. Der Kaiser war auf der Höhe seiner Macht.

Aber 1239 bannte ihn Papst Gregor IX. ein 2. Mal, und der nachfolgende Papst Innozenz IV. setzte ihn sogar 1245 ab. Die letzten 10 Jahre des Kaisers bis zu seinem Tod 1250 waren überschattet von den bis ins Maßlose gesteigerten propagandistischen Auseinandersetzungen der beiden Parteien. Unter Rückgriff auf apokalyptische Vorstellungen der hebräischen Bibel und der Geheimen Offenbarung des Johannes bezichtigten sie sich gegenseitig als Ausbund der Hölle und als Antichrist. Es fehlte auch nicht an gegenseitigen Gewalttaten, kriegerischen Auseinandersetzungen vor allem in Oberitalien.  Da der Papst nach der Absetzung des Kaisers in Deutschland die Wahl eines Gegenkönigs veranlasste, kam es dort zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Das hatte für unsere Region verheerende Folgen. Worms blieb in diesen auch militärischen Auseinandersetzungen kaisertreu, während der Erzbischof von Mainz auf der antistaufischen Seite stand. (13) - Der Kaiser entging mehrmals nur knapp Attentaten. Mitten in dieser Auseinandersetzung starb er 1250 an einer schweren Krankheit, möglicherweise an Typhus. Kurz vor seinem Tod empfing der exkommunizierte und abgesetzte Kaiser nach seinem Sündenbekenntnis von dem uralten Erzbischof von Palermo, einem Vertrauten des Kaisers von Jugend an, die Absolution. Er soll in einem einfachen Zisterziensergewand gestorben sein. Wunschgemäß wurde er im Dom von Palermo neben seinen Eltern und seiner ersten Frau in einem Porphyrsarg bestattet, der ursprünglich für Roger II. bestimmt war. Er soll in wertvolle arabische Gewänder gehüllt worden sein. (14)


2. Hauptteil

2.1.

Friedrich II.,
und die Sarazenen aus der Sicht von Zeitzeugen


„Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild.“ Dieses Schillerzitat, das sich auf Wallenstein bezieht, gilt in gleichem oder sogar noch höherem Maß für Friedrich II. So bescheinigte dem Kaiser ein Sarazene neugierige Offenheit und pragmatische Unvoreingenommenheit dem Islam gegenüber. Er kam zu dem Urteil, der Kaiser dürfe fast als echter Moslem gelten. Er komme aus einem großenteils islamischen Land, lebe mit dem Kalifen des Christentums in tiefer Feindschaft und selbst als ein verständiger aufgeschlossener Freund des Islam. (II S. 164 Ibn Wasil) Dieser arabische Zeitzeuge schrieb mit dem Ziel, die Aufgabe Jerusalems durch den Sultan, die der Kaiser bei seinem Kreuzzug erreicht hatte, herunterzuspielen. Sein Urteil war also interessegeleitet. Ein anderer Zeitzeuge beurteilt das Verhältnis des Kaisers zum Islam ganz anders. Es heißt wörtlich:
„Er war [...] in verabscheuungswürdiger Freundschaft mit den Sarazenen verbunden, sandte ihnen mehrfach Boten und Geschenke und empfing von ihnen wiederum solche in aller Ehrerbietung und Freundlichkeit, nahm ihre Sitten an und hält sie in seinen täglichen Diensten bei sich; nach ihren Bräuchen schämte er sich nicht, seine Gemahlinnen von königlichem Geblüt Eunuchen, die er, wie man sagt, dazu besonders kastrieren ließ, als Wächter zuzuweisen. [...] Kürzlich erst ließ er die Boten des Sultans von Babylon, nachdem derselbe Sultan dem Heiligen Land und seinen christlichen Bewohnern selbst und durch seine Leute schwerste und unabschätzbare Schäden zugefügt hatte, im Königreich Sizilien mit Lobsprüchen auf eben dieses Sultans Hoheit, wie man berichtet, ehrenvoll empfangen und großartig versorgen.“(15) Dieses Zitat stammt aus der Anklageschrift des Papstes im Zusammenhang mit der Absetzung des Kaisers 1245. Es versteht sich von selbst, dass diese Anschuldigungen als sehr subjektiv beurteilt werden müssen. Nicht weniger subjektiv erscheint die Selbstdarstellung des Kaisers in einem Brief an seine Geburtsstadt Jesi vom August 1239. Kurz vorher war Friedrich II. vom Papst exkommuniziert worden. In dem Brief bezeichnet er Jesi „der Marken edle Stadt, Unseres Ursprungs erlauchter Anbeginn, wo Unsere göttliche Mutter Uns zum Lichte brachte [...] Unser Bethlehem.“ Und es heißt weiter:„Und so bist Du, Bethlehem, Stadt der Marken, nicht die geringste unter den Fürsten Unseres Geschlechts. Denn aus Dir ist der Herzog hervorgegangen, der Fürst des Römischen Reiches.“ (16) In diesem Brief mit unverkennbaren Anspielungen auf die Geburt Christi drückt er in überspitzter Form seine Vorstellung von der Gottesunmittelbarkeit seiner Herrschaft als Stellvertreter Gottes auf Erden aus. Statt auf Zeugnisse dieser Art weiter einzugehen, möchte ich versuchen, in einem abwägenden Urteil der Wahrheit über das Verhältnis des Kaisers zu den Sarazenen möglichst nahe zu kommen. Dabei beziehe ich mich vorrangig auf das sehr umfangreiche Standardwerk von Stürner über Friedrich II. in seiner 3. Auflage von 2009. Das Verdienst Stürners besteht darin, dass er die Zeugnisse über den Kaiser einer kritischen Prüfung unterzieht, um so zu einem Urteil zu gelangen, das dem zugegebenermaßen in vielem widersprüchlichen Verhalten des Kaisers gerecht zu werden versucht.

2.2.

Kindheit und Jugend Friedrichs II. in Sizilien:
wohl prägend für seine besondere Beziehung zu den Sarazenen


Über die Erziehung Friedrichs II. gibt es kaum zuverlässige Quellen. Seine Kindheit war geprägt vom frühen Tod seiner Eltern, dem häufigen Wechsel der Bezugspersonen und vor allem dem Gefühl, rivalisierenden Usurpatoren als Spielball ausgeliefert zu sein. Sein außerordentlich großes Selbstbewusstsein, sein kritisches eigenständiges Urteil und ein schnell erwachendes Misstrauen anderen Menschen gegenüber hatten hier ohne Zweifel ihren Ursprung. Wir wissen nur wenig Zuverlässiges über seine Erzieher und deren Erziehungsziele. Er erlernte mit großem Erfolg die für einen Ritter üblichen Fertigkeiten. Es gab auch offensichtlich immer wieder Menschen an seinem Hof, die ihn auf sein Herrscheramt vorbereiteten. Man darf davon ausgehen, dass in dieser Zeit seine ungewöhnliche Beziehung zum Sarazenentum geprägt wurde. Zwar hatte die Präsenz der Sarazenen in Palermo nach den kurz erwähnten heftigen Auseinandersetzungen mit den Christen seit 1189 stark abgenommen, aber es gab noch viele steinerne Zeugnisse z. B. aus der Zeit Rogers II. und wohl auch arabische Gelehrte und Hofbeamte in Friedrichs Umgebung. Unbestritten sind Friedrichs II. Grundkenntnisse des Arabischen – wohl vorwiegend der Umgangssprache – und der arabischen Kultur. Als einer seiner Erzieher wird in einer Quelle ein „Kadi der Muselmanen“ genannt. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass ein arabischer Gelehrter in der Erziehung Friederichs II. eine wichtige Rolle spielte. (I S. 112)

Man darf wohl davon ausgehen, dass er von seinen normannischen Vorfahren die geistige und gefühlsmäßige Sympathie für das Sarazenentum übernahm, aber wie sie dieser Sympathie gegebenenfalls entgegenstehenden politischen Notwendigkeiten den Vorrang einräumte.

2.3.

Friedrich II. und die aufständischen Sarazenen auf Sizilien,
ihre Umsiedlung nach Lucera (II S. 66 - 74)


Wegen der bereits erwähnten Feindseligkeiten der Christen auf Sizilien gegen die Sarazenen seit etwa 1190 waren viele nach Nordafrika und Spanien ausgewandert, andere hatten sich in Bergtäler zurückgezogen und auf deren Höhen in Befestigungen verschanzt. Von dort kam es zu Überfällen in den benachbarten Dörfern und sogar Städten. Friedrich II. sah sich 1222 nach seiner Rückkehr aus Deutschland gezwungen, ihre wichtigste Bergfestung Jato bei Palermo einzunehmen und den Anführer mit seinen Söhnen hinrichten zu lassen. Im nächsten Jahr musste der Kaiser erneut die Festung einnehmen und bis 1225 immer wieder gegen die Sarazenen vorgehen. Seit 1223 siedelte er einzelne Gruppen unterworfener Sarazenen in und um Lucera an, in der Nähe seiner Residenz Foggia und damit auch nicht allzu weit entfernt von der Grenze des Kirchenstaates. Ein Teil der Sarazenen blieb auf der Insel, musste sich aber in den tiefer gelegenen Orten als Hörige verdingen. 1245 wurde die Festung Jato erneut ein Zentrum des Widerstands. Ein Jahr später unterwarfen kaiserliche Truppen die letzten Sarazenen der Insel und deportierten sie nach Lucera.
Der Kaiser ließ eine verfallene von den Normannen errichtete Burg unweit von Lucera ab 1233 zu einer Zwingburg ausbauen als fast unüberwindliches Hindernis z. B. für päpstliche Truppen auf dem Weg zur Residenz Foggia und weiter ins südliche Apulien.

In den Ländereien um Lucera gingen die Sarazenen bäuerlichen Tätigkeiten nach, in Lucera selbst gab es viele Handwerker, die – nicht zuletzt im Auftrag des Hofes - Keramik-, Holz- und Metallwaren, Stoffe und Waffen, Sättel und Pferdegeschirr, Teppiche und Zelte in der ihnen vertrauten, typisch arabischen Technik herstellten. Nach einem zeitgenössischen Bericht soll der Kaiser 15.000 Männer mit ihren Frauen und Kindern in Lucera angesiedelt haben. Der Stadt gestand er Selbstverwaltung und eigene Rechtsprechung zu. Zu den Autonomierechten gehörte auch die ungehinderte Ausübung ihrer Religion. Sie mussten lediglich hohe Abgaben bezahlen und wurden zum Heeresdienst herangezogen. Die Sarazenen in Lucera fühlten sich deshalb dem Kaiser zu großem Dank verpflichtet. Es entstanden Verbände sarazenischer Fußsoldaten und Bogenschützen, die ihrem Kaiser in unwandelbarer Treue ergeben waren, unempfindlich gegen päpstliche Drohungen und Bannsentenzen. Erstmals traten sie bei der Erstürmung einer Burg im Verlauf des Einfalls päpstlicher Truppen 1228 ins Königreich Sizilien in Erscheinung. (II 170/71) Die auf dem Zug durch Deutschland in Zusammenhang mit seiner Heirat erwähnten Sarazenen – ich zitierte eingangs die Schilderung des Zuges durch einen Zeitgenossen – waren möglicherweise Sarazenen aus Lucera. Entscheidenden Anteil am Sieg des Kaisers über die rebellierenden Städte in Oberitalien 1237 hatten die sarazenischen Bogenschützen, sicher viele davon aus Lucera; es sollen 7.000 gewesen sein. (II S. 334/35)

In Lucera residierte ein Bischof, und es gab dort eine wenn auch nicht allzu große Zahl von Christen. Dass die massive Ansiedlung der Moslems zu erheblichen Unstimmigkeiten führte, liegt auf der Hand. Nach dem Einsturz der ohnehin baufälligen Kathedrale sah sich der Bischof genötigt, außerhalb der Stadt eine neue Wirkungsstädte aufzubauen. Natürlich rief das ungewöhnlich sarazenenfreundliche Verhalten des Kaisers beim Papst Entrüstung hervor. In einem Brief von Gregor IX. an den Kaiser von 1232 nennt er die Sarazenen „Söhne des Verderbens“ und fordert den Kaiser auf, „ihre Anmaßung [...]zu ersticken, [...], zumal es Unserem Erlöser Unrecht scheinen muss, wenn die Söhne Belials [im Mittelalter eine Bezeichnung des Teufels], die durch die Fessel der Knechtschaft gebunden sein sollten, die Söhne des Lichts in Unserem Land bedrängen oder sich sündhafterweise ihnen an Freiheit gleichachten.“ (17)

Nach dem konsequenten Vorgehen des Kaisers gegen die sarazenischen Rebellen aus politischen Gründen schenkte er ihnen also seine Sympathie, sicher auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse, wobei er die Provokation der päpstlichen Partei in Kauf nahm. Nach den Konstitutionen von Melfi, seinem Gesetzbuch für das Königreich Sizilien von 1231, genossen Christen, Juden und Moslems den gleichen herrschaftlichen Schutz vor Unrecht. (II S. 198)

2.4.

Der Kreuzzug des Kaisers
- sein direkter Kontakt mit der Welt der Sarazenen im Orient


Vorgeschichte und Verlauf dieses Kreuzzuges sind in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Schon 1215 nach seiner Krönung zum König in Aachen gelobte er die Teilnahme an einem Kreuzzug. Dieses Gelübde erwies sich im weiteren Verlauf seines Lebens gleichsam als Mühlstein an seinem Hals. Nach seiner Kaiserkrönung in Rom 1220 erneuerte er dieses Kreuzzugsgelübde und versprach für den kommenden August seine Teilnahme am 4. Kreuzzug, der 1218 begonnen hatte. Da er mit der Festigung seiner Herrschaft im Königreich Sizilien beschäftigt war, konnte er selbst nicht am Kreuzzug teilnehmen, schickte aber ein größeres Flottenkontingent zur Verstärkung. Als der Kreuzzug 1221 mit der Niederlage des Kreuzzugsheeres endete, erinnerte der Papst den Kaiser daran, selbst in einem Kreuzzug die 1187 von den Sarazenen eroberten Gebiete Palästinas für die Christenheit zurückzugewinnen. 1223 verpflichtete sich Friedrich unter Eid, im Juni 1125 den Kreuzzug anzutreten. Außerdem schwor er, Isabella II. von Brienne, die unmündige Königin des Königreiches Jerusalem, zu heiraten, für die ihr Vater die Regentschaft ausübte. Das Königtum Jerusalem bestand damals allerdings nur aus einem langen Küstenstreifen, Jerusalem war seit 1187 in der Hand der Sarazenen. Der Kaiser fand kaum Unterstützung für seinen Kreuzzug und erreichte beim Papst einen Aufschub bis August 1227. Er heiratete 1225 die 14-jährige Isabella II. von Brienne. Sogleich nach der Heirat beanspruchte er von ihr den Titel und die vollen Herrschaftsrechte des Königs von Jerusalem, für den Kaiser ein Grund mehr, den Kreuzzug energisch vorzubereiten. Er schwor, den Kreuzzug 1227 zu beginnen. Der Papst drohte ihm die Exkommunikation an, wenn er ihn dann nicht antrete. (II 95) Der Kaiser fand in Deutschland große Unterstützung. So sollen sich allein aus Worms 400 Bürger auf den Weg gemacht haben. (II 131) Der Sultan Al-Kamil, der Herr über Ägypten, hatte von den Kreuzzugsvorbereitungen erfahren und schickte Anfang 1227 einen hochrangigen Vertreter an Friedrichs Hof mit dem Ziel, einen drohenden Kreuzzug zu verhindern, denn er befürchtete einen Angriff durch seine Brüder, die ihn zu entmachten drohten. Der Sultan war unter diesen Umständen offenbar bereit, große Teile des Königreiches Jerusalem einschließlich der Hauptstadt zurückzugeben. Die Verhandlungen wurden auf höchster Ebene geführt, und der Kaiser und der Sultan signalisierten gegenseitiges Wohlwollen durch den Austausch ungewöhnlich kostbarer Geschenke. Dennoch wollte der Kaiser im Sommer 1227 mit dem Kreuzfahrerheer von Brindisi aus aufbrechen. Da brach eine Seuche aus. Auch der Kaiser erkrankte schwer und sah sich gezwungen, zur Genesung vorerst im Königreich Sizilien zu bleiben. Der neu gewählte Papst Gregor IX. hielt das Verhalten Friedrichs für Weigerung und machte seine Drohung wahr: er exkommunizierte den Kaiser und war auch nicht bereit, auf dessen Einwände einzugehen und die Exkommunikation rückgängig zu machen. Friedrich II. setzte die Verhandlungen mit dem ägyptischen Sultan fort, der ihm Anfang des Jahres 1228 wichtige Geschenke übersandte, u. a. einen Elefanten.
Im April dieses Jahres gebar seine Frau einen Sohn, den Friedrich Konrad nannte. Als sie 10 Tage später starb, wurde sein Sohn König von Jerusalem, der Kaiser Regent für ihn.

Als Exkommunizierter trat der Kaiser im Sommer 1228 mit einem großen militärischen Aufgebot von Brindisi aus den Kreuzzug an. Friedrich war sich sicher seines Wagnisses bewusst. Er handelte ohne, ja gegen die päpstliche Autorisierung und musste mit Befehlsverweigerungen im Kreuzzugsheer rechnen und mit der Möglichkeit, dass zwischenzeitlich päpstliche Truppen in sein ungeschütztes Königreich Sizilien einfielen. Als der Kaiser in Akkon an Land ging, setzte der dort residierende Patriarch von Jerusalem, der über die Exkommunikation des Kaisers informiert war, als sein unerbittlicher Gegner alles daran, seinen Kreuzzug massiv zu behindern, was ihm allerdings nur in geringem Umfang gelang. Der Kaiser nahm von Akkon und dann von Jaffa aus, wohin er mit seinem Heer weiterzog, um Jerusalem näher zu sein, die diplomatischen Kontakte mit dem Sultan Al-Kamil wieder auf. Die Verhandlungen zogen sich lange hin, verliefen aber in einem Klima des Wohlwollens und Vertrauens. Der Sultan und der Kaiser tauschten weiter Geschenke aus und kamen sich menschlich näher. So erhielt Friedrich II. wertvolle Reitkamele. Der Kaiser entwickelte ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Emir Fahraddin, der als engster Berater des Sultans schon in Sizilien Verhandlungen geleitet hatte und jetzt meist dessen Abgesandte anführte. Während der Verhandlungen führte der Kaiser mit dem Emir Gespräche über Eigenheiten der islamischen Welt und wissenschaftliche Kenntnisse, über die die arabischen Wissenschaftler verfügten. Anerkennend beschließt der arabische Chronist Makrizi seinen Bericht über den Aufenthalt Friedrichs II. in Jerusalem:„Dieser König war ein sehr gelehrter Mann; er war ein gründlicher Kenner der Geometrie, der Arithmetik und der anderen spekulativen Wissenschaften.“ (18) Überforderten die Fragen den Emir, beschaffte er dem Kaiser die Antworten seiner Gelehrten. In einem Gespräch über die Machtvollkommenheit der Sultane, die von den „Päpsten des Ostens“, den Kalifen nicht in ihrer Macht eingeschränkt wurden, soll der Kaiser geantwortet haben, es sei besser, wenn ein Nachkomme des Propheten die geistliche Macht besitze als ein Gewählter wie der Papst, der von niederer Abstammung sein könne.“ (19)- Umfangreiche Briefe, die der Kaiser dem Emir nach der Rückkehr von Sizilien aus schickte, bezeugen seine große Verbundenheit mit ihm bis zu dessen Tod 1237 und danach mit dessen Sohn. (20 + II S. 151)

Im folgenden Jahr im Februar kam es zu einem Abkommen. Darin verzichtete der Sultan auf die gesamte Stadt Jerusalem mit Ausnahme des Felsendoms und der Al-Aqsa-Moschee, also des Tempelbezirks, der allen Moslems zum Gebet zugänglich bleiben sollte und die dort ihre eigene Verwaltung unter einem Kadi behalten durften.(21) Allerdings wurde den Christen erlaubt, dort an dem Ort der Darbringung Jesu im Tempel ihre Gebete zu verrichten. Außerdem erhielten die Christen u. a. Bethlehem und alle Dörfer auf dem Weg von Jerusalem dorthin und nach Jaffa, vielleicht – aber nur nach christlichen Quellen – Nazareth und von dort den Weg nach Akkon. (22) Ebenso vereinbarte man den Gefangenenaustausch und einen 10-jährigen Waffenstillstand. Der Kaiser und der Sultan bekräftigten das Abkommen durch Eide.– Für den Abschluss dieses für die Christen außerordentlich günstigen Abkommens gab es mehrere Gründe. Der Kaiser brauchte einen schnellen Erfolg in Palästina unter Schonung seines Heeres, da er möglichst bald ins Königreich Sizilien zurückkehren musste, um dort seine Herrschaft zu verteidigen. Der Sultan seinerseits war durch eine Belagerung von Damaskus gebunden. Ein wichtiger Grund für diesen Vertragsabschluss lag sicher auch im hohen Maß an Sympathie, das zwischen den Vertragspartnern herrschte.

Der in Jaffa residierende Patriarch unterrichtete den Papst über das Abkommen und tadelte in seinem Bericht die angebliche Unterwürfigkeit des Kaisers unter die Sarazenen und die Übernahme moslemischer Lebensformen.

Trotz des Verbots des Patriarchen folgten die Kreuzfahrer dem Kaiser in das inzwischen von Moslems geräumte Jerusalem. Noch am gleichen Abend betete der Kaiser in der Grabeskirche und führte damit seine Stellung als rechtgläubiger christlicher Kaiser den Kreuzfahrern nachdrücklich vor Augen. Am nächsten Tag setzte er sich in der Grabeskirche – als Exkommunizierter außerhalb des Gottesdienstes – die Königskrone auf und nahm auf dem Thronsessel Platz. Damit zeigte er seinen Herrschaftsanspruch an Stelle seines Sohnes, der juristisch König von Jerusalem war, und bekundete öffentlich seine Dankbarkeit Gott gegenüber. Er ließ eine Erklärung in Jerusalem verkünden und ein Rundschreiben an den Papst, seinen Sohn Heinrich und die Großen im Imperium schicken. In der Erklärung und im Rundschreiben betonte er die Erfolge seines Kreuzzuges nach den anfänglichen Schwierigkeiten, rühmte den mächtigen Beistand Gottes und versuchte den Papst versöhnlich zu stimmen. Zwei Ereignisse müssen noch erwähnt werden. Der Patriarch ließ durch einen Gesandten die Grabeskirche und alle anderen Gotteshäuser in Jerusalem mit dem Interdikt belegen, was natürlich die Kreuzfahrer und den Kaiser empörte. Friedrich II. besuchte den Tempelbezirk mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee. Er soll für die Schönheit der Bauwerke Bewunderung bekundet haben und einen Priester zurückgewiesen haben, der die Al-Aqsa-Moschee betreten wollte.

Eine arabische Quelle schildert eine Begebenheit, die in einer Sammlung zeitgenössischer Berichte vom Herausgeber zwar als Anekdote bezeichnet wird, die aber - wie ich meine - recht gut die Toleranz des Kaisers in Glaubensdingen veranschaulicht. Ein Muezzin hatte während des Aufenthaltes des Kaisers in Jerusalem in der Nacht den Koranvers vom Minarett herabgerufen, dass Gott keine Söhne hervorgebracht habe, also ein Vers, der die Göttlichkeit von Jesus leugnet. Der Sultan hatte aus Rücksicht auf den Kaiser den Muezzinruf verboten, so unterließ ihn der Muezzin in der folgenden Nacht. Friedrich II. erfuhr am nächsten Morgen den Grund für den unterlassenen Muezzinruf vom Kadi, bei dem er wohnte. Daraufhin soll er ihm gesagt haben:„O Kadi, wisse, dass ihr Unrecht habt, wenn ihr meinetwegen die Gebräuche ändert und die Beobachtung eurer Gesetze und eurer Religion vernachlässigt! Wenn ihr bei mir, in meinen Landen wäret, würdet ihr sehen, dass die Muslime sie beobachten.“ (23) Er hätte auf die Sarazenen in Lucera verweisen können.

Der Engländer Roger von Wendover aus St. Albans, der in seiner Chronik ausführlich von der Hochzeit Friedrichs mit Isabella in Worms berichtet, schildert eine Begebenheit, die ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis zwischen den Templern, dem Kaiser und dem Sultan wirft. Die Templer verrieten nach Roger von Wendover dem Sultan nach dem Friedensschluss, der Kaiser komme mit geringer Begleitung als Pilger zum Jordan, wo der Überlieferung nach Johannes Jesus getauft hatte. Dort könne der Sultan den Kaiser leicht gefangen nehmen oder töten. Der moslemische Herrscher war über den Verrat der Templer empört und schickte den Brief, der die Denunziation enthielt, an den Kaiser. Der Chronist kommentiert:„Das war der Ursprung des Hasses zwischen dem Kaiser und den Templern. [...] Von dieser Zeit an also verband sich die Seele des Kaisers mit der Seele des Sultans durch den unaufhörlichen Kitt der Liebe und der Freundschaft.“ (24)

Nach einer Woche war der Kaiser wieder in Akkon und lieferte sich einen Kleinkrieg mit dem Patriarchen und seinen Anhängern. Schlechte Nachrichten erzwangen seine sofortige Rückkehr nach Sizilien. Vorher setzte er noch bewährte Männer als seine Stellvertreter im Königreich Jerusalem ein.
In den kommenden Jahren versuchte der Kaiser vergeblich den stauferfeindlichen Kräften im Königtum Jerusalem entgegenzuwirken. 1239 lief der ausgehandelte Waffenstillstand aus. Ein muslimischer Nomadenstamm überfiel 1244 Jerusalem, zerstörte die Kirchen und tötete die christlichen Bewohner. Damit war die christliche Herrschaft über Jerusalem endgültig vorbei. Auf die Nachricht vom Fall Jerusalems bot der Kaiser dem Papst an, zu einem Kreuzzug aufzubrechen. Ob das Angebot ernst gemeint war, ist umstritten. Jedenfalls scheiterten die Verhandlungen zwischen Kaiser und Papst.(II S. 548) Friedrich II. hatte keinen Anteil an dem Kreuzzug des französischen Königs Ludwig IX., der 1248 begann und bald scheiterte. Vermutlich plante der Kaiser ab Mitte 1250 ernsthaft in seinem sizilischen Reich, Hilfe für Ludwig IX. zu organisieren und so seine Einsatzbereitschaft für die Sache des Heiligen Landes unter Beweis zu stellen. (II S. 585) Allerdings starb der Kaiser am Ende des Jahres. Er verzichtete bis zu seinem Tod nicht auf den Titel eines Königs von Jerusalem und verfügte in seinem Testament, der Sache des Heiligen Landes sollten 100.000 Goldunzen zufließen.
Friedrich II., das kann man nicht genug betonen, war der einzige Kreuzfahrer, der Jerusalem für 15 Jahre für die Christen bloß durch Verhandlungen, ohne Blutvergießen zurückgewann - und das trotz massiver Behinderung durch den Papst und dessen Getreue. Nur er als Kreuzfahrer erreichte dies. Dabei spielte sicherlich seine besondere Beziehung zum Islam und zu wichtigen Vertretern dieser Religionsgemeinschaft eine wichtige Rolle.

2.5.
Sarazenische Einflüsse in der Hofhaltung des Kaisers


Alle Berichterstatter über die aufwändige, prächtige Hofhaltung im Königreich Sizilien, insbesondere in der Residenz von Palermo und später in der von Foggia in Apulien, stimmten darin überein, dass sie sich an orientalische Höfe erinnert fühlten oder an das, was sie dafür hielten.
Es gibt nur spärliche Zeugnisse über das Verhältnis Friedrichs zu seinen 3 Ehefrauen, die alle früh starben. Seine Gemahlinnen lebten nach sarazenischer Sitte meist mit eigenem Hofstaat außerhalb des Hofes in einer Art Harem. (25)

Offensichtlich bestand eine enge Bindung zu Konstanze, seiner ersten Frau. Worte großer Anhänglichkeit ließ er auf den Sarkophag meißeln, in der die Verstorbene ruhte. Er ließ sich neben ihr beisetzen. (26) - Zweifel an einem innigen Liebesverhältnis zwischen Friedrich und seiner 2. und 3. Frau sind angebracht. Sie traten nie an der Seite Friedrichs offiziell in Erscheinung. (27) In der Zeit von 1210/15 bis 1235 hatte Friedrich wenigstens 7 außereheliche Nachkommen mit 5 verschiedenen Frauen, (Anhang S. 72/73) darunter die Adlige Bianca Lancia aus Sizilien, die er - wie schon erwähnt - wahrscheinlich 1234/35 kurz vor ihrem Tod heiratete, um ihre Kinder zu legitimieren.

In den kaiserlichen Kastellen und an seinem Hof beschäftigte der Kaiser neben schwarzen Sklaven viele unfreie Sarazenen: Männer und Frauen, Knaben und Mädchen. Sie arbeiteten unter Aufsicht christlicher Vorgesetzter und sarazenischer Fachkräfte in den Werkstätten und Magazinen, wo sie u. a. Waffen, Pferdeausrüstungen, Teppiche und kostbare Stoffe anfertigten, alles nach Art und Qualität der Sarazenen. Am Hof verrichteten sie die verschiedensten Dienstleistungen: als Betreuer der vielen exotischen Tiere, als Gaukler, Musikanten, Tänzer und Tänzerinnen. Auch wenn von Eunuchen als Aufsichtspersonen gelegentlich die Rede ist, konnte wohl nicht von einem Harem für den Kaiser die Rede sein. (II S. 349/50)
Häufig hielten sich Gesandte sarazenischer Machthaber an seinem Hof auf. (II 347)

Auch auf seinem Zug durch Deutschland 1235/37 verzichtete er nicht auf die für ihn typische Hofhaltung und stellte den staunenden Untertanen unübersehbar seinen orientalischen Hofstaat zur Schau. Ich zitierte ja am Anfang meines Vortrags einen Bericht über seinen Zug durch Deutschland, der bekanntlich aus Anlass seiner Hochzeit mit Isabella II. in Worms Station machte. – Ähnlich verhielt sich der Kaiser auch in oberitalienischen Städten. So zog er nach seinem Sieg bei Cortenuova siegreich durch Cremona, wobei er einen Elefanten mit sich führte. Auf dem Elefantenrücken konnte man ein mit kaiserlichen Fahnen geschmücktes Kastell aus Holz bestaunen, in dem Trompeter und Bewaffnete saßen, Christen und Sarazenen. (II S. 337) – Auch bei seinem Aufenthalt beispielsweise in Padua 1239, wo er von seiner erneuten Exkommunikation erfuhr, hielt er mit großem Gefolge Hof. Der Chronist verzeichnet die Anwesenheit vieler schöner, kostbar gekleideter Damen und den Tierpark mit einem Elefanten, fünf Leoparden und zwanzig Kamelen. (28)

Es steht außer Zweifel, dass der Kaiser – das kann man zusammenfassend sagen – insbesondere nach seinem Kontakt mit den Sarazenen während des Kreuzzuges die materielle Kultur des Orients, die viel reicher und raffinierter war als die des Westens zu dieser Zeit, schätzte und nachzuahmen versuchte.

2.6.

Sarazenische Einflüsse auf das wissenschaftliche Interesse des Kaisers und auf seine Aktivitäten auf diesem Gebiet


Der Kaiser nahm persönlich Einfluss auf die Errichtung seiner Kastelle und Paläste, so auch auf den Bau von Castel del Monte, der 1240 begonnen wurde. Eine große Bedeutung für Konzeption und Ausführung der Bauten hatten Fachleute aus dem Zisterzienserorden. (II S. 354) Inwieweit sarazenische Einflüsse eine Rolle spielten, lässt sich nicht sicher nachweisen, nur mehr oder weniger begründet darüber spekulieren. So schaute der sogenannte Thronsaal in Castel del Monte mit seinen Fenstern nach Jerusalem. Der achteckige Grundriss des Palastes könnte u. a. an den Felsendom und die Grabeskirche in Jerusalem und an die Geburtskirche in Bethlehem erinnern. (29)
Der sarazenische Einfluss auf das philosophische bzw. wissenschaftliche Interesse des Kaisers lässt sich dagegen gut belegen und muss als sehr hoch eingeschätzt werden.
Führend war die arabische Welt damals auf dem Gebiet der Medizin. Schon in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts wurden arabische Handbücher zur Medizin ins Lateinische übersetzt und so das Wissen der arabischen und indirekt der griechischen Medizin bekannt gemacht. (I S. 28) Berühmt wurde die Medizinschule von Salerno. Friedrich II. kümmerte sich persönlich um diese Medizinschule und verlangte von den praktizierenden Ärzten ein erfolgreich absolviertes Studium nach kaiserlichem Lehrplan an dieser Hochschule und anschließend praktische Erfahrungen unter Aufsicht eines erfahrenen Arztes. Er regelte auch die Zulassung zur Ausübung des Apothekerberufs und verbot den Ärzten, gleichzeitig Arzneimittel zu verkaufen, um Betrügereien zu verhindern. (II S. 378/79)

Die arabische Welt war auch auf den Gebieten der Mathematik und Astronomie/Astrologie, die nicht in zwei Disziplinen getrennt waren, sehr fortschrittlich. Ebenso wurde die Beschäftigung mit der griechischen Philosophie, insbesondere mit der des Aristoteles, auf hohem Niveau betrieben. Hervorzuheben sind die Werke des Arabers Averroes (1126 – 1198), der viele Schriften von Aristoteles ins Arabische übersetzte und mit Kommentaren versah.
Friedrich II. stellte an seiner neu gegründeten Universität in Neapel neben jüdischen  und christlichen auch arabische Gelehrte an: für die philosophischen, mathematischen, medizinischen, naturwissenschaftlichen und astronomisch-astrologischen Studien. Der Kaiser pflegte einen freimütigen Gedankenaustausch mit den Gelehrten an seinem Hof. Greifbar wird sein philosophisch-naturwissenschaftliches Interesse an Fragen, die er Gelehrten in der Welt der Sarazenen stellte, zu denen er über deren Herren seit dem Kreuzzug Kontakte pflegte. So bat er beispielsweise um eine Erklärung, warum Gegenstände, die ins Wasser getaucht sind, geknickt aussehen. (II S. 389/90) Bekannt wurden seine „Sizilianischen Fragen“, die er arabischen Gelehrten stellte und auf die er auch eine Antwort erhielt. Friedrich II. wollte u. a. wissen, wie Aristoteles seine Auffassung von der Ewigkeit der Welt begründet habe, und er erbat Beweise für die Unsterblichkeit der Seele und der Darlegung der gegensätzlichen Meinungen dazu, die Aristoteles und Alexander Aphrodisias vertraten. (II S. 391/92) Beide Vorstellungen, Ewigkeit der Welt und Unsterblichkeit der Seele, wurden im 13. Jahrhundert aus philosophischer und theologischer Sicht heiß diskutiert. Der Kaiser nahm also an Auseinandersetzungen teil, die die Philosophen und Theologen seiner Zeit bewegten.
Er wurde auch auf das Werk Leonardo Fibonaccis aufmerksam, des ersten großen abendländischen Mathematikers, der bei seinen ausgedehnten Reisen nach Nordafrika und Syrien die indisch-arabischen Ziffern 1 bis 9 und die Null und die damit möglichen Vereinfachungen von Rechenoperationen kennen gelernt hatte. Er verhalf ihnen im Abendland zum Durchbruch. (II S. 385/86)

Zwei Wissenschaftler, die zum engsten Kreis um den Kaiser gehörten, verdienen, ausführlicher behandelt zu werden: Michael Scotus und Theodor von Antiochien. Michael Scotus, ein gebürtiger Schotte, wurde Mitglied er Übersetzungsschule im damals arabischen Toledo. Später kam er an den kaiserlichen Hof. Dort spielte er eine maßgebliche Rolle in einem Übersetzerkreis, der insbesondere arabische Werke ins Lateinische übersetzte. Sein Verdienst sind die Übersetzung der Tierkunde des Aristoteles auf der Basis einer arabischen Version ins Lateinische, die der Kaiser für sein Falkenbuch heranzog, ferner die Übersetzung von Schriften des Averroes ebenfalls ins Lateinische und ein Werk über Astrologie, das als erstes auf einschlägige arabische Schriften zum Thema zurückgriff.
Nach dem Tod von Michael Scotus kam um 1238 Theodor von Antiochien an den Hof Friedrichs II. Als Christ in Antiochien geboren, hatte er seine Studien in Mossul und Bagdad vertieft. Seine Übersetzung eines arabischen Werkes über Beizvögel und Hunde wurde vom Kaiser persönlich inhaltlich korrigiert.

Das wissenschaftliche und naturkundliche Interesse des Kaisers zeigte sich besonders in seinem Falkenbuch, an dem er 30 Jahre bis zu seinem Tod arbeitete. Für dieses anspruchsvolle Werk zog er Abhandlungen zum Thema insbesondere aus der Welt der Sarazenen heran. Seinen Aufenthalt in Palästina während seines Kreuzzuges nutzte er dazu, dort mit bekannten Falknern Verbindung aufzunehmen. Später schickten ihm sarazenische Herrscher kundige Falkner, deren Methoden er studierte und für sein Werk nutzte. Er rühmte sich, die kleine Lederhaube, die die Araber den Falken über den Kopf stülpten, damit sie nicht unnötig beunruhigt wurden, im Abendland eingeführt zu haben. – Der Kaiser übernahm keineswegs unkritisch die vorgefundenen Meinungen über die Tierwelt, z. B. die von Aristoteles. Wenn ihm diese Meinungen merkwürdig vorkamen, stellte er sie in Frage und versuchte sich durch Naturbeobachtungen und Experimente – nicht nur bei Vögeln – Klarheit zu verschaffen, ein Vorgehen, das im Abendland damals keineswegs allgemein üblich war. Zu Recht wird in vielen Biographien über den Kaiser aus der Einleitung zum Falkenbuch der Satz zitiert:„Unsere wahre Absicht ist, sichtbar zu machen die Dinge, die sind, wie sie sind.)“ (30)

Man darf vermuten, dass Friedrich II. sogar indirekt zur Entfaltung der Scholastik beigetragen hat. Denn ein weitläufiger Verwandter des Kaisers, nämlich Thomas von Aquin, einer der bedeutendsten Theologen seiner Zeit, erhielt als Student an der Universität von Neapel erste Anstöße für sein Aristoteles–Verständnis. Er studierte dort zwischen 1239 und 1243 im Alter von 15 bis 20 Jahren, wo er Vorlesungen zur Naturphilosophie von Petrus von Hibernia, einem guten Kenner der Aristoteles-Kommentare des Averroes, hörte. (II S. 56) 1245 setzte er sein Studium in Paris fort ((31), wo die Beschäftigung mit Aristoteles starken Restriktionen unterworfen war. (32) Das Werk von Thomas von Aquin zeugt jedoch von einer fruchtbaren Aneignung der aristotelischen Philosophie. So versucht er nach den Gedankengängen des Aristoteles gegen dessen Meinung die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen. (33) Vom Standpunkt des christlichen Glaubens ist für Thomas von Aquin die Weltschöpfung nicht ewig, vom Standpunkt der Philosophie sind nach ihm die Gründe des Aristoteles für die Ewigkeit der Weltschöpfung weder zu beweisen noch zu widerlegen. (34) Somit ist klar, dass Friedrich II. philosophische Fragen beschäftigten, die auch später für den berühmten Theologen Thomas von Aquin wichtig waren, der seine ersten Impulse an der kaiserlichen Universität in Neapel erhalten hatte.

Wenn man bedenkt, wieviel Zeit und Kraft Friedrich II. die Erkämpfung und die Festigung seiner Macht als König und Kaiser zeitlebens kostete, nötigt es einem großen Respekt ab, in welchem Maße er sich selbst in Krisenzeiten für philosophische und wissenschaftliche Fragen interessierte und an den geistigen Strömungen seiner Zeit aktiv teilnahm. Er war ein unermüdlicher Förderer des Kultur- und Wissenschaftstransfers vom Orient zum Okzident, der mit der Berührung des Abendlandes mit dem Morgenland durch die Kreuzzüge einsetzte.

2.7.

Die letzten Staufer und die letzten Sarazenen
im Königreich Jerusalem


Nach dem Tod des Kaisers brach die staufische Herrschaft bald zusammen. Sein Sohn Konrad, bereits deutscher König und König von Jerusalem, wurde 1250 auch König von Sizilien. Nach einem Machtkampf mit Aufständen und einem Mordanschlag starb er 1254 in Apulien – möglicherweise vergiftet. Sein Halbbruder Manfred, der Sohn der Verbindung des Kaisers mit Bianca Lancia, der Konrad IV. unterstützt hatte, konnte sich in den folgenden Machtkämpfen insbesondere mit Hilfe der Sarazenen von Lucera behaupten, wurde sogar 1258 König von Sizilien. Aber der Papst belehnte Karl von Anjou mit Sizilien, und dieser besiegte mit einem Heer 1266 Manfred, der in der Schlacht fiel. Daraufhin zog der 15-jährige Sohn Konrads IV., von den Italienern Conradino genannt, aus Deutschland nach Süditalien, kämpfte ebenfalls mit Unterstützung der Sarazenen gegen Karl von Anjou und wurde nach seiner Niederlage in Neapel 1268 enthauptet. Damit endete die Stauferherrschaft. Lucera musste sich ergeben, und die Bewohner wurden durch eine unerträgliche Steuerlast unter Druck gesetzt. Der Sohn von Karl von Anjou vernichtete schließlich 1300 die Stadt, konfiszierte Hab und Gut der Sarazenen und verkaufte sie als Sklaven. Damit endete eine fast 500-jährige Anwesenheit von Sarazenen in Sizilien und Unteritalien. (II S. 574)


3. Schluss

Friedrich II.: stupor mundi

Friedrich II. ist in vieler Hinsicht eine ungewöhnliche Herrschergestalt des Mittelalters. Es grenzt schon an ein Wunder, dass er als Vollwaise in der chaotischen Situation als Spielball rivalisierender Gruppen in Sizilien, der er als Kind ausgesetzt war, nicht nur überlebte, sondern die für einen Ritter üblichen Fertigkeiten erlernte und mit 17 Jahren auch geistig in der Lage war, seine Herrschaftsansprüche in Deutschland durchzusetzen. Schon ein flüchtiger Blick in seine weitere Lebensgeschichte mit den erbittert geführten Machtkämpfen, mit seinen Höhe- und Tiefpunkten bestätigt seine Zielstrebigkeit, aber auch seine außerordentliche Vielseitigkeit. Als Herrscher förderte er aktiv die Naturwissenschaften, die Philosophie und Medizin, aber auch die Dichtung. Er schrieb das viel beachtete Falkenbuch.

In den Augen vieler seiner Zeit war seine Beziehung zum Sarazenentum, zum Islam ketzerisch. Er bewunderte die islamische Kultur, ihre Wissenschaften und ihre Philosophie und wurde zum Förderer eines Wissenschaftstransfers vom Orient zum Okzident. Undogmatische Unvoreingenommenheit, Respekt gegenüber dem Islam, Toleranz gegenüber Moslems in seinem Herrschaftsgebiet zeichneten ihn aus. Aus erbitterten sarazenischen Feinden machte er durch kluges Entgegenkommen eine Schutztruppe, die unverbrüchlich ihm und seinen Nachfolgern die Treue hielt. Er setzte bei seinem Kreuzzug erfolgreich auf Verhandlungen statt auf kriegerische Auseinandersetzungen. Dabei kamen ihm seine freundschaftlichen Beziehungen zum Sultan und zu dem die Verhandlungen führenden Emir zugute. Damit wird seine Einstellung gegenüber der islamischen Welt für die heutigen Beziehungen der westlichen Welt zu islamischen Ländern wenn nicht vorbildlich, so zumindest bedenkenswert.

Matthäus von Paris nennt am Ende seiner Chronik den Kaiser „stupor mundi“, eine mehrdeutige Formulierung. Es kann die Betroffenheit, das Erschrecken über den ausdrücken, der das Bestehende zu verändern versucht hatte. Es kann aber auch das Staunen der Welt über eine so ungewöhnliche Herrscherpersönlichkeit zum Ausdruck bringen, wie sie Friedrich II. unzweifelhaft war. (35)


Anhang



1. Literaturangaben

Bönnen, Gerold (Hrsg.): Geschichte der Stadt Worms, Theis Stuttgart 2005

Carnabuci, Brigit: Sizilien - Insel zwischen Orient und Okzident, DuMont Köln 1992

Gabrieli, Francesco: Friedrich II. und die Kultur des Islam, in: Wolf,

Gunther (Hrsg.): Stupor Mundi, Darmstadt Wiss. Buchges. 1966

Heinisch, Klaus J. (Herausgeber und Übersetzer): Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, Darmstadt Wiss. Buchges. 1968

Hirschberger, Johannes: Geschichte der Philosophie – Altertum und Mittel--alter, Herder Basel, Freiburg, Wien, 8. verbesserte Auflage 1965

Horst, Eberhard: Friedrich der Staufer, Claassen 1975

Mayer, Hans Eberhard: Geschichte der Kreuzzüge, Kohlhammer Stuttgart 1965

Nette, Herbert: Friedrich II. von Hohenstaufen, Reinbek bei Hamburg, 14. Aufl. 2008

Pfister, Kurt: Kaiser Friedrich II., Hugendubel München 1942

Rill, Bernd: Sizilien im Mittelalter, Belser Stuttgart Zürich, 2. Aufl. 2000

Rotter, Ekkehart: Apulien – Dumont Kunst-Reiseführer, DuMont Köln 2000

Stürner, Wolfgang: Friedrich II., 3. bibliographisch und um ein Vorwort und eine Dokumentation mit ergänzenden Hinweisen, erweiterte Auflage, Teil I, II und Anhang, Primusverlag 2009

http://wapedia.mobi/de/Friedrich II. (HRR)



2. Fußnoten
(alle Zitate der ab 2006 gültigen amtlichen Regelung der Rechtschreibung und Zeichensetzung angeglichen)

Der Vortrag bezieht sich an vielen Stellen auf das Standardwerk von Wolfgang Stürner über Friedrich II., in der Literaturangabe fett hervorgerufen. Zur Vereinfachung der Quellenverweise habe ich alle Belege aus diesem Standardwerk ohne Angabe des Autors mit Band- und Seitenangabe in Klammern in den Vortrag eingefügt.

 1) Nette S. 87

 2) Rill S. 79 – 85

 3) Rill S. 88 ff.

 4) Siehe Hinweis auf Quellenangaben zu Stürners Standardwerk

 5) Rill S. 213

 6) wapedia

 7) Rill S. 199 – 201

 8) Rill S. 211

 9) Carnabuci S. 384 -393

10) Carnabuci S. 370 -372

11) Pfister S. 60/61

12) Bönnen S. 172

13) Bönnen S. 172/73

14) Gabrieli S. 288

15) Heinisch S. 599

16) Heinisch S. 452/53

17) Heinisch S. 66/67

18) Heinisch S. 193

19) Gabrieli S. 279

20) Gabrieli S. 278

21) Mayer S. 212

22) Mayer S. 212

23) Heinisch S.192

24) Heinisch S. 188/89

25) Nette S. 73

26) Horst S. 8

27) Horst S. 141

28) Nette S. 103

29) Rotter S. 180 -181

30) Horst S. 11

31) Hirschberger S. 464

32) Hirschberger S. 436

33) Hirschberger S. 508

34) Hirschberger S. 506

35) Horst S. 9