Siegfried und
die Nibelungen

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in der Denkmalplastik
der Weimarer Republik und des ‚Dritten Reiches‘


von Dr. Busso Diekamp

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Hubert Netzer (1865-1939), Siegfried (1919) .
Kriegerdenkmal in Duisburg-Kaiserberg, Foto: Piedone
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Der Erste Weltkrieg mit seinen Hekatomben von Gefallenen hatte unzählige Kriegerdenkmäler zur Folge: Bei den Denkmälern der in fataler Nibelungentreue verbundenen, nun untergegangenen beiden Kaiserreiche personalisierte sich das Gedenken an die Gefallenen u.a. im mythischen Helden Siegfried.
Während in den lokalen Kriegerdenkmälern nach dem Deutsch-Dänischen, Deutsch- Österreichischen und Deutsch-Französischen Krieg 1864, 1866 bzw.1870/71 noch alle Gefallenen namentlich auf dem Denkmalsockel verzeichnet werden konnten, war das nun in größeren Städten in der Regel nicht mehr möglich; ein einzelner Denkmalsockel reichte für die Namen aller Gefallenen aus dem Ort nicht mehr aus, häufig wurde auf ihre individuelle Nennung verzichtet. Der in Stein gemeißelte überlebensgroße ‚unbekannte Soldat‘, der - wie in Worms - die Gefallenen der örtlichen Militäreinheit (wie die Infanteristen des Wormser 118er-Denkmal von 1932) repräsentieren konnte, oder eben der ins Überindividuelle erhöhte mythische Held ersetzte das individuelle Gefallenengedenken.

Der Siegfried auf dem Kaiserberg in Duisburg
"Die Fragwürdigkeit dieses Heldengedenkens wird am Kriegerdenkmal auf dem Ehrenfriedhof in Duisburg-Kaiserberg deutlich," (GUNTER E. GRIMM, Politische Nibelungenrezeption in der deutschen Literatur und Kunst , S.14) der Ende 1914 angelegt worden war, als nach den ersten Kriegswochen zahlreiche Gefallene zu beklagen waren. Duisburgs nationalliberaler Oberbürgermeister Karl Jarres, am Ende der Weimarer Republik ein dezidierter Gegner der Nazis, sprach vom „Ehrenfriedhof für Kriegshelden“. Auf dem Duisburger Kaiserberg stand bereits ein Denkmal Kaiser Wilhelms I., das im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurde. Der Friedhof war zunächst auf 100 Grabstätten für Söhne der Stadt angelegt, die im Krieg fielen bzw. in Duisburger Kriegslazaretten starben. Doch die Zahl der Gefallenen wuchs ständig; der Friedhof musste mehrmals erweitert werden, bis schließlich jene 801 Gräber angelegt wurden, die heute noch dort zu finden sind. Die Kosten für das Standbild hat ein Hermann Ingenhamm aus Meiderich übernommen, dessen Sohn Johannes im Krieg gefallen war. Im Oktober 1921 wurde das 1919 von Hubert Netzer geschaffene „Standbild des jungen Kriegers“ aufgestellt. Wie und warum es dann allerdings zu der Bezeichnung „Siegfried“ kam, konnte ich nicht ermitteln. Der Aktfigur ist kein spezifisches, individuelles Attribut beigegeben, das auf den mythischen Helden verweist. Allerdings wurden bereits vor dem Weltkrieg monumentale oder kleinplastische Jünglinge mit Schwert zu „Siegfried“, wie ich es ja im ersten Teil meines Vortrages im vergangenen Jahr demonstriert habe.
Netzer war an der Münchner Kunstakademie ein Schüler von Adolf von Hildebrand gewesen, Schöpfer des Wormser Siegfriedbrunnens; seit 1911 lehrte Netzer an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule, die 1919 in der Düsseldorfer Kunstakademie aufging.
"An Netzers Siegfried entzündet sich seit jeher die Diskussion, wie dieser Jüngling zu verstehen sei: Steckt er sein Schwert in die Scheide zurück, wie Netzer behauptete, oder zieht er es kriegerisch heraus. Eindeutig ist: Das Schwert ist nicht sieghaft aufgerichtet wie etwa bei Ernst von Bandels Hermann im Teutoburger Wald oder den vielen kleinen und großen Siegfriedstatuen der Kaiserzeit. Die Haltung der Hand ist keine ziehende, sondern eine schiebende." (GUNTER E. GRIMM, Politische Nibelungenrezeption in der deutschen Literatur und Kunst , S.14) Die Skulptur ist kulturhistorisch interessant, weil sie einen Umbruch im Denken symbolisieren kann: Nicht die Kriegsverherrlichung der wilhelminischen Zeit, sondern der Schrecken des Krieges wird hier mitgesehen. Allerdings ist der "junge Krieger" durch Art der Gestaltung nicht vor Missdeutungen gefeit. "Resignation oder Aufschub der Rache – die Darstellung des Heldischen angesichts der Sinnlosigkeit des massenhaften Sterbens junger Menschen zeugt von nationaler Trotzhaltung und ideologischer Unbelehrbarkeit." (GUNTER E. GRIMM, Politische Nibelungenrezeption in der deutschen Literatur und Kunst , S.14)
Hitlers „Hofbildhauer“ Arno Breker orientierte sich an seinem Düsseldorfer Akademielehrer Netzer, als er die bekannte Großplastik Bereitschaft schuf, die 1939 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München zu sehen war, wobei sich die NS-Kunstkritik zu einem Vergleich mit Michelangelos David verstieg. Bezeichnend für männliche allegorische Aktfiguren Brekers ist übrigens, dass sie als Werktitel häufig einen Gattungsnamen tragen - so heißt z.B. Brekers Schwertträger im Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei Die Wehrmacht (1939), nicht etwa Siegfried; bei Eigennamen für seine Muskelprotze bediente sich Breker dagegen ausschließlich des Personals der antiken Mythologie, z.B. Prometheus oder Dionysos.
Im Zusammenhang mit dem Wettbewerb für das Duisburger Kriegerdenkmal entstand 1915/16 auch Wilhelm Lehmbrucks Gestürzter. Diese berühmte Skulptur transformiert das Pathos des Helden zum Pathos des Leidens im Typus des Sterbenden Kriegers. Die blockhaft kantige, gliederpuppenartige, auf allen Vieren kriechende Figur zeichnet der Verzicht auf traditionelle heroisierende Attribute eines Kriegers wie Helm, Uniform und Waffe aus. Das gebrochene Schwert in der Rechten des Gestürzten verstärkt die Symbolik des gebrochenen Helden.

Gleichwohl wurde wiederholt spekuliert, der Gestürzte stehe für Siegfried: Demnach soll der Augenblick dargestellt sein, in dem der Held hinterrücks ermordet wurde, nachdem er sein Schwert abgelegt hatte. - In der Zeit an der Düsseldorfer Akademie hatte sich Lehmbruck mit Siegfried bildnerisch und zeichnerisch auseinandergesetzt - und ihn als einen Germanenhäuptling in Lendenschurz und Flügelhaube in Gips modelliert, der an den penetranten Realismus des Siegfrieds erinnert, den der Münchner Bildhauer Rudolf Maison 1897 für ein nicht ausgeführtes Denkmal für Kaiser Wilhelm I. in Aachen entworfen hatte; als Kleinbronze für das bürgerliche Wohnzimmer - wahlweise als Siegfried oder Arminius bezeichnet - hatte diese Statue weite Verbreitung gefunden..
Wenn es sich nun bei dem Gestürzten tatsächlich um einen hinterrücks ermordeten Siegfried handeln sollte, wäre Lehmbruck mit seiner berühmten, als Kriegerdenkmal gedachten Statue ein Verkünder der Dolchstoßlegende avant la lettre. 1915/16, als Lehmbruck die Plastik schuf, war der Zusammenbruch der Westfront, die deutsche Niederlage, überhaupt noch nicht absehbar. Formal und inhaltlich passt der Gestürzte nicht zur Heroisierung des Todes in der Gestalt des meuchlings gemordeten Siegfried. Von einer Wunde an der Schulter ist ebenfalls nichts zu erkennen. Auch steht dieser Interpretation die Handlung des Nibelungenliedes entgegen: Hagen hat vor Siegfrieds Ermordung dessen abgelegtes Schwert an sich genommen (B 977). In Strophe B 1741 provoziert Hagen Kriemhild, indem er als neuer Besitzer Balmungs die Waffe demonstrativ über seine Knie legt. Lehmbrucks Gestürzter hält aber ein zerbrochenes Schwert in der Hand, hat das Schwert nicht bei Seite gelegt, um an der Quelle zu trinken, wie es im Nibelungenlied beschrieben wird.
1924 wurde Wilhelm Lehmbrucks Sitzender Jüngling als Gegenpol zum heroisierenden Siegfried von Hubert Netzer auf dem Kaiserberg-Soldatenfriedhof aufgestellt. Lehmbrucks Arbeit sollte dann unter den Nazis als ‚entartet‘ vom Kaiserberg verschwinden und in das Ausland verkauft werden. Der Handel kam aus unbekannten Gründen nicht zustande; die Plastik wurde 1944 durch eine Fliegerbombe zerstört. Das Duisburger Lehmbruck-Museum besitzt einen zweiten Abguss des Kunstwerks. Trotzdem wurde niemals eine Bronze-Replik angefertigt, um sie wieder am ursprünglichen Ort aufzustellen. Der Siegfried von Netzer wurde dagegen schon mehrfach nach Beschädigungen aufwändig wiederhergestellt und diente wiederholt nationalistischen und rechtsradikalen Gruppierungen als ‚Gedenkstätte‘ mit Kranzniederlegungen.
http://societaet-du.de/der-ehrenfriedhof-am-kaiserberg/
http://www.rp-online.de/nrw/top10-rheinland/siegfriedsfigur-duisburg-aid-1.6518370
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/den-kaiserberg-umweht-der-zeitgeist-aid-1.6802408

Der Siegfriedskopf in der Universität Wien
Das Siegfriedskopf Denkmal ist ein Werk des Wiener Bildhauers und Medailleurs Josef Müllner (1879-1968), der später u.a. ein Reiterstandbild für die Olympischen Spiele in Berlin (1935) sowie die Adolf Hitler-Büste für die Aula der Akademie für bildende Künste (1940) gestaltete. Das Denkmal war zunächst als übergroße liegende Ganzkörperplastik entworfen. Aus Kostengründen konnte aber nur der Siegfriedskopf realisiert werden. Das von Beginn an Siegfriedskopf genannte Denkmal spielt auf den heimtückischen Mord im Nibelungenlied und die "Dolchstoßlegende" an und lässt sich in die Tradition so genannter Langemarck-Denkmäler stellen, die den Heldentod der deutschen Jugend glorifizieren. Das Denkmal wurde unter Rektor Carl Diener, Professor für Geologie und Paläontologie, errichtet, der den "Abbau der Ostjuden" forderte und überzeugt war, dass die Deutsche Studentenschaft (DSt) Österreichs die "fortschreitende Levantisierung Wiens" aufhalten könne.

Das markante Gesicht ist aus einem grob bearbeiteten Steinblock herausmodelliert, dessen Sockel folgende Inschriften trägt:"Ehre, Freiheit, Vaterland" / "1914-1918" / "Den in Ehren gefallenen Helden unserer Universität" / "Errichtet von der Deutschen Studentenschaft und ihren Lehrern". Der muskulöse Hals geht in ein markantes Kinn über; im Profil fügen sich die ausgeprägte Form des Kehlkopfes mit dem maskulinen Kieferabschluss und dem geraden, schmalen Nasenrücken zu einem asketischen Bild zusammen. Das leicht wallende, zurückgekämmte Haar betont seine imposante abgerundete Stirn. Müllner greift damit auf einen Typus zurück, der sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt Auf diese spezifische Idealisierung des Männerbildes bezogen sich etwas später u.a. Arno Breker und Josef Thorak.
Im Sommer 1990 führte der Beschluss des Senats der Universität Wien, den Siegfriedskopf aus der Aula zu entfernen, zu einer kontroversen öffentlichen Debatte. Damit wurde ein schwelender Konflikt öffentlich wahrnehmbar, der seit Jahrzehnten zwischen einem Großteil der politisch aktiven, vor allem linken Studierenden und schlagenden Burschenschaftern bestanden hatte. Der wöchentliche Bummel der Burschenschafter rund um den Siegfriedskopf wurde von linken Studierenden, die dieser Form von Traditionspflege sowie den damit verbundenen Weltanschauungen und politischen Ansichten kritisch gegenüberstanden, angefeindet. Wiederholt war es zu mitunter gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Politisch engagierte Geschichtsstudenten gestalteten die Ausstellung Ehre, Freiheit, Vaterland, die im rechten Seitenflügel der Aula den Siegfriedskopf und seine Geschichte kommentierte.
Die Universität Wien gab eine offizielle Broschüre in Auftrag, in der sie auf diese Debatten mit einer Darstellung der Geschichte des Siegfriedskopfes reagierte und die Kontroverse mit einer Auswahl von Texten dokumentierte. Schließlich entschloss sich das Rektorat, die Versetzung des Denkmals zu veranlassen; 2006 erfolgte die Umgestaltung des Denkmals durch das österreichisch-französische Künstlerehepaar Bele Marx und Gilles Mussard.
https://monuments.univie.ac.at/index.php?title=Siegfriedskopf

Der Drachentöter von Obermylau im Vogtland
In der Dorfmitte von Obermylau im Vogtland wurde 1931 auf einem hohen Granitsockel eine Bronzestatue des Drachentöters als Kriegerdenkmal errichtet. Schwungvoll, dynamisch setzt hier Jung-Siegfried mit erhobenem Schwert zum entscheidenden Hieb gegen den Drachen an, der sich unter seinen Füßen windet. In diesem Denkmal aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise, kurz vor Ende der Weimarer Republik, wird der Revanchismus bereits offen zelebriert.
https://www.vogtland.de/ort/mylau/2386.html

Jung-Siegfried
im Braunschweiger Siegfriedviertel

Aber nicht nur in Kriegerdenkmälern fand Siegfried in der Weimarer Republik Verwendung: Im Norden von Braunschweig entstand Anfang der 20er Jahre in Anlehnung an die englische Gartenstadtbewegung eine neue Siedlung im Grünen, zunächst mit Eigenheimen und seit Mitte er 20er Jahre mit Mehrfamilienhäusern. Der Name des Quartiers, Siegfriedviertel, und die Straßennamen orientieren sich nicht nur an den Nibelungen. Auf den Germanenhelden Hermann verweisen die Cherusker- und die Arminiusstraße. Auf dem zentralen Burgundenplatz, um den sich im Halbkreis der Walkürenring legt, steht ein kerniger, nackter Jung-Siegfried, der seine männliche Blöße gleich doppelt mit dem aufgerichteten Schwert und einem Schild sichert. Der Drache ist - gegen die ikonographische Tradition des Drachentöters - zum Wappentier verkümmert. Dies könnte darauf verweisen, dass Siegfried hier als Pendant zu Heinrich dem Löwen fungiert. Der Drachen auf dem Wappenschild würde dann dem Löwen auf dem Welfenwappen entsprechen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Siegfriedviertel

Der Weinbrunnen
Traubenträgerbrunnen in Koblenz
Am Rhein liegt die Verbindung der Nibelungen zum Wein nahe: In den Koblenzer Rheinanlagen steht der Weinbrunnen, auch Traubenträgerbrunnen genannt. Dieses sog. Ehrenmal des Deutschen Weins, ein expressionistisches Frühwerk des Münchner Bildhauers Josef Henselmann (1898-1987) wurde ursprünglich vor der Rheinhalle auf dem ehemaligen Veranstaltungsgelände der Reichsausstellung Deutscher Wein von 1925 aufgestellt. Die Brunnenreliefs mit den nackten Figuren erweckten Anstoß bei der Bevölkerung; sie wurden verhüllt und bereits 1928 entfernt. Auf Initiative des Fördervereins Rheinanlagen e.V. konnte der vollständige Weinbrunnen 2013 auf einer Wiese vor dem Weindorf wiedererrichtet werden.
Die Traubenträger finden sich in einer Erzählung im 4. Buch Mose, Kapitel 13 und 14: Nach dem Auszug aus Ägypten durch die Wüste schickte Moses zwölf Kundschafter aus, je einen aus jedem Stamm, die das von Gott verheißene Land erkunden sollten. Nach 40 Tagen brachten Josua und Kaleb eine Weintraube zurück, die sie zu zweit an einer Stange trugen. Sie berichteten vom Land Kanaan, in dem Milch und Honig flössen. Die anderen zehn Kundschafter jedoch verunsicherten die Israeliten, die sich gegen Moses, Josua, Kaleb und auch gegen Gott Jahwe erhoben, da sie erfahren hätten, das Land Kanaan sei uneinnehmbar. Insbesondere Kaleb und Moses ermahnten das Volk, auf Gott weiter zu vertrauen. Zur Strafe mussten die Israeliten 40 Jahre in der Wüste umherziehen, bis alle Aufständischen umgekommen waren. Kaleb und Josua aber gelangten ans Ziel. - Da in dieser Geschichte neben Moses nur Kaleb eine besondere Rolle spielt, heißt das Symbol auch oft Kalebstraube. Josua, der spätere Anführer des Volkes Israel, wird eher mit der Eroberung der Stadt Jericho in Verbindung gebracht. Die alttestamentliche Geschichte der beiden Kundschafter steht für die unerschütterliche Treue zu Gott. Die Traube ist so Sinnbild für den Reichtum, die Fülle und das Leben, die diejenigen erwarten, die dem Willen Gottes folgen.
Der Brunnentrog ist von vier m.E. qualitätsvollen Reliefs in einem ‚Zackenstil‘ zwischen Expressionismus und Art déco eingefasst, die Motive aus dem Nibelungenlied zeigen: der Kampf des berittenen Siegfried mit dem Drachen, die Überfahrt nach Isenstein, der Leichenzug mit dem aufgebahrten Siegfried und der Kampf an Etzels Hof. Zusätzlich ist ein Trinkspruch angebracht, die letzte Strophe aus dem Gedicht Rheinsage von Emanuel Geibel, einem der populärsten Verseschmieder im Wilhelminischen Kaiserreich: „Wir aber füllen die Römer und trinken im goldenen Saft uns deutsches Heldenfeuer und deutsche Heldenkraft.“ Das Gedicht und der Trinkspruch beziehen sich auf Karl den Großen; hier wird der Trinkspruch auf die Helden des Nibelungenliedes umgemünzt.
Der Trog steht in einem sternförmigen Wasserbecken, das die Inschrift trägt: „Gestiftet v.d. Industrie und d. Stadt Mayen, entworfen u. modelliert v. Carl Burger, ausgeführt v.d. Steinmetzfachschule“.
Nach Meinung des Kunsthistorikers Herbert Dellwing ist „die Plastik [...] gleichzeitig als Hinweis auf die erwartete Befreiung von der französischen Besatzung zu verstehen und damit politisch zu interpretieren“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Weinbrunnen_(Koblenz)

Das Siegfrieddenkmal in Königswinter
Diese Interpretation ist nicht ganz abwegig, betrachtet man die Inschrift auf einem Siegfrieddenkmal am Rathaus zu Königswinter, ein Werk des örtlichen Bildhauers Franz Josef Krings (1886-1968):
1915 GESTIFTET VOM VATERL. FRAUENVEREIN
ZUR LINDERUNG DER KRIEGSNÖTE - NACH
NACH VER[S]CHANDELUNG IN DER BESATZUNGSZEIT
WIEDERHERGESTELLT UND AUFGERICHTET VON
DER STADT KÖNIGSWINTER ZUR ERINNERUNG
AN DIE BEFREIUNG DER RHEINLANDE AM 60.
JAHRESTAGE DER WIEDERERRICHTUNG DES
DEUTSCHEN REICHES AM 18 JANUARI 1931.

Der Siegfriedbrunnen in Odenheim
1932 wurde Der Siegfriedbrunnen zu Odenheim im Kraichgau mit Spendengeldern eines wohlhabenden Odenheimer Bürgers aus heimischem Schilfsandstein errichtet. Das zentrale Relief über dieser Siegfriedquelle, dargestellt ist natürlich die Ermordung Siegfrieds, stammt von dem Karlsruher Bildhauer Karl Dietrich (1883-1954).
Odenheim rechtfertigt den Anspruch, über den „echten“ Siegfriedbrunnen zu verfügen, damit, dass es der einzige heute bekannte Ort ist, auf den die Bezeichnung „Otenhaim“ im Nibelungenlied genau passen könnte. Es kann weiterhin darauf verweisen, dass der Ort schon im Jahre 769 urkundlich erwähnt wurde und sich in seiner Nähe eine im Jahre 1122 begründete Benediktinerabtei befand. Da es denkbar ist, dass Handschrift C von einem Mönch in einem Kloster geschrieben wurde, könnte dies in der Benediktinerabtei bei Odenheim geschehen sein und der Autor hätte die ihm bekannte Quelle als Vorbild benutzt.
Allerdings sprechen gegen Odenheim zwei Aspekte des Nibelungenliedes: Die Gemeinde im Kraichgau liegt zum einen ca. 30 km vom Südrand des Odenwaldes entfernt und kann deshalb nicht als „ein Dorf vor dem Odenwald“ beschrieben werden. Zum anderen beträgt die Entfernung nach Worms rund 80 km und ist zu groß, um Siegfrieds Leiche, die bis zur Nacht am Rastplatz verblieb, unter den damaligen Verhältnissen nach Worms zu transportieren, wo sie schon etwa fünf bis sechs Stunden später zur Morgenmette eingetroffen war.

Der Siegfried von Dülken
Ähnlich wie in Duisburg dachte man im niederrheinischen Dülken, heute ein Stadtteil von Viersen, bereits im Ersten Weltkrieg daran, im örtlichen Kaiser-Wilhelm-Park einen Ehrenhain und eine Gedenkhalle für die Gefallenen zu errichten; das Projekt zerschlug sich, wie zunächst auch die 1926 vom örtlichen Kavallerieverein gestartete Initiative zur Errichtung eines Kriegerdenkmals. Nach der Machtergreifung 1933 mündete diese Initiative dann in einen Wettbewerb für ein Ehrenmal - von einem Siegfried war in der Ausschreibung nicht die Rede -, den der Kölner Architekt Emil Mewes (1885-1949) als Platzgestalter zusammen mit dem damals in Godesberg lebenden Bildhauer Willy Meller (1887-1974), ein Spezialist für Kriegerdenkmäler, gewann. Mewes hatte - welch ein Zufall - bereits im Vorfeld des Wettbewerbs der Stadt als Berater für die Platzgestaltung gedient.
Das Denkmal sollte dem Gedenken an den Heldentod von 451 Dülkener Söhnen dienen. Vor der alten Stadtmauer gegenüber dem Rathaus wurde eine Denkmalanlage mit einem jugendlichen Siegfried errichtet, der mit seinem Schwert, das er soeben an dem neben ihm stehenden Amboss geschmiedet hat, kraftvoll und siegesbewusst nach vorne schreitet. Treffend charakterisierte dies ein Mitglied des Denkmalausschusses mit den Worten: „die Zeit der Trauergestalten als Kriegerehrenmal [ist] überwunden“, übersah dabei aber geflissentlich, dass auch die Kriegerdenkmäler der Weimarer Republik in der Regel keine Trauernde zeigten. In den Grundstein wurde eine Urkunde mit der Aufschrift: „Für Deutschlands Größe! Für Deutschlands Freiheit! Für Deutschlands Ehre!“ gelegt. Die gleichsam offizielle Deutung der Denkmalanlage erschien am 20. Oktober, einen Tag vor der Einweihung, in der Volksparole; Teile des Artikels wurden im folgenden Jahr in einem Stadtprospekt abgedruckt: „Da steht die alte Stadtmauer, der Turm trotzt seit Jahrhunderten dem Sturm der Zeit. Sie umschlossen Alt-Dülken, die Heimat von Generationen deutscher Menschen. Ist es nicht das Bild der Heimat? Ist’s nicht die Heimat selbst?

Fünf schwere graue Steine davor: fünf Steine - fünf Kriegsjahre. Name um Name reiht sich da aneinander. Die Namen der Toten, der Unvergessenen. Vor der alten Heimatmauer stehe sie da, die Steine, genau so, wie sich unsere feldgrauen Helden mit ihren Leibern vor die Heimat stellten, als sie 1914 auszogen, das Land zu schützen. Einen Schritt davor die Siegfriedfigur: kraftvoll, jugendschön, sieghaft ausschreitend, heldisch! Aus der Reihe der Toten herausschreitend Jungsiegfried, die verkörperte Lebenskraft. Die linke Faust geballt, in der rechten festumschlossen das Schwert: ‚Tod oder Teufel! Mein wird der Lebenssieg‘. So oder doch so ähnlich sind die Gedanken, die sich um das Denkmal winden. Und das ist der Unterschied zwischen den beiden Mahnmalen: Hier der sieghafte Lebenswille - dort dumpfe Trauer, fast bis zur Selbstaufgabe. Hier die geballte Kraft - dort kampflose Hingabe an das Schicksal. Hier der Tatsucher - dort der Geschlagene. Hier das Leben - dort der Tod!“
Anlässlich der Einweihung stellte die Viersener Zeitung heraus, dass das „Ehrenmal das Sinnbild eines Kriegers, also nicht etwa eine bestimmte Waffengattung oder Uniform“ verkörpere. Der noch kurz vor der Einweihung in eine kleinere Nachbargemeinde versetzte Dülkener Bürgermeister hob „die Reckengestalt eines germanischen Kriegers“ hervor. In seiner Festrede sah der Kaisersohn und uniformierte SA-Offizier August Wilhelm von Preußen (1887-1949) in Siegfried einen „Heldenjüngling“. Siegfried habe das in der Hand, was ihm zerbrochen worden sei „durch Feigheit und Hinterlist in der Heimat“ - Hier klingt noch die gegen die verhasste Weimarer Republik gerichtete Dolchstoßlegende der monarchistischen-völkischen Kreise an; Siegfried habe - so August Wilhelm - das Schwert neu geschmiedet, um es „einem neuen Deutschland“ voranzutragen. Die Rede des Hohenzollernprinzen ging wohl teilweise im Motorengeräusch eines Flugzeuges unter, aus dem ein Kranz auf den Denkmalplatz, wo vor dem Siegfried ein Weihefeuer entzündet worden war, abgeworfen werden sollte; der Kranz traf wohl nicht ganz sein Zielgebiet und musste von einem Läufer herangeschafft werden. - Der geistesschlichte hochgewachsene Hohenzollernprinz, von der linken Presse als „Braunhemdchen Auwi“ tituliert, hatte auf Hitlers Wahlkampfreisen in den letzten Jahren der Weimarer Republik als Dampfredner und „Rattenfänger“ der Nazis in deutschnationalen-monarchistischen Kreisen gedient, war allerdings zum Zeitpunkt seines Dülkener Auftritts - nach dem Röhm-Putsch Mitte 1934 - bereits aus dem Kreis der Hitler-Paladine verbannt worden. Goebbels hielt den promovierten Hohenzollernsprössling, der sich seine Doktorarbeit 1907 wahrscheinlich hatte schreiben lassen, für einen „gutmütigen, aber etwas doofen Jungen“. Man könnte auch sagen, Auwi war ein „nützlicher Idiot“ der Nazis, der wie sein Vater im holländischen Exil naiv auf die Restitution der Monarchie durch Hitler setzte.
Für den frisch installierten NS-Bürgermeister von Dülken war der junge Siegfried „Symbol des Deutschtums“. Das entsprach den ideologischen Leitlinien des NS-Staates und des Wagner-Verehrers Adolf Hitler - Nicht zufällig spielte die SA-Kapelle bei der Einweihung des Dülkener Denkmals „Motive aus Wagners Ring des Nibelungen“. In seinem Grußwort zum Tag der deutschen Kunst, das am 15. 10. 1933 im Völkischen Beobachter veröffentlicht worden war, hatte Hans Schemm, Gründer des NS-Lehrerbundes, Initiator des nationalsozialistischen Evangelischen Pfarrerbundes und bayerischer Kultusminister, ausgeführt: „In Siegfried, Parsival, Stolzing, Lohengrin erkennen wir dieses ewige deutsche Lebensprinzip. Es wird dargestellt vom deutschen Jüngling, der mit geradezu nachtwandlerischer Sicherheit des naiven und ursprünglichen Menschen, strahlend und froh, kämpfend und siegend, suchend und sehnend, die verkettete, ohnmächtige Welt neu erweckt und vorwärts treibt. Er lässt wachsen und schafft neues Leben.“
G. Schirrmacher: Der Siegfried. Annäherung an ein Denkmal in Dülken. Viersen 2002 - Viersen - Beiträge zu einer Stadt. Bd 24

Beschreibung in der Denkmalliste der Stadt Viersen, Nr. 351, eingetragen am 7.September 1994:
„Das Dülkener Kriegerdenkmal in Dülken steht vor der alten Stadtmauer in der Nähe des einzig erhaltenen Turmes, dem ehemaligen Gefangenenturm.
Auf einem rechteckigen Sockel aus Tuffstein befindet sich die überlebensgroße Gestalt (etwa 3,80 m hoch) eines jungen Kriegers aus dem gleichen Material. Die Figur soll den jungen Siegfried als Symbol für Kraft und Stärke repräsentieren. Das verdeutlicht die Darstellung Siegfrieds in ihrem extremen Vorwärtsschreiten als auch das Ballen der rechten Faust und das Halten des kurzen Schwertes in der linken Hand. Der Krieger trägt ein kurzes gegürtetes Kampfkleid, das oberhalb der Knie endet. Zwischen den Beinen der Figur ist ein zusätzlicher Steinsockel zur Unterstützung angebracht. Die Gesamtanlage wird durch fünf Basaltsteine ergänzt, die die Namen von 451 gefallenen Soldaten tragen. Diese rechteckigen Steinblöcke, die von jeweils einem kleinen Bronzekreuz bekrönt werden, stehen im gleichmäßigen Abstand voneinander vor der Dülkener Stadtmauer. Die Maße der Blöcke: 2,00 x 0,93 m. Die Kriegergedächtnisstätte an der Theodor-Frings-Allee kann aufgrund seiner inhaltlichen wie äußeren Darstellungsform als typisches Beispiel nationalistischer Denkmäler gelten. Aus wissenschaftlichen, insbesondere lokalhistorischen Gründen stehen Erhaltung und Nutzung des Denkmals gemäß § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes im öffentlichen Interesse.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkm%C3%A4ler_in_Viersen_(T%E2%80%93Z)

Das Schwertdenkmal
vor dem Bochumer Verein in Bochum-Stahlhausen
Ein halbes Jahr nach den Feierlichkeiten am Dülkener Denkmal - am 9. Mai 1935 - weihte die Stahl- und Waffenschmiede Bochumer Verein in Bochum-Stahlhausen in Anwesenheit von Hermann Göring das von Mewes und Meller ausgeführte Schwertdenkmal für die gefallenen Betriebsangehörigen ein. Bereits 1927/28 hatte das Duo einen heute noch existierenden Löwen an der Bochumer Königsallee geschaffen, ein Kriegerdenkmal mit dem Spruch: "Der Übermacht erlegen, im Geiste unbesiegt".
Ein 12 Meter hohes und 17 Tonnen schweres Stahlschwert stand aufrecht zwischen zwei Steinblöcken, die mit ihren beiden Reliefs erhalten geblieben sind. Das Relief auf dem linken Quader zeigt Siegfried, der sein Schwert schmiedet; auf dem rechten Relief führt Siegfried das Schwert gegen den Drachen Fafnir. Die Inschrift des Schwertes lautete: "Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte" - Anfang des "Vaterlandlieds", das Ernst Moritz Arndt 1812 während der Befreiungskriege verfasst hatte. Arndt spricht im Weiteren von Schwertern, Blut und Eisen. Nicht nur wegen seiner Forderung nach "Franzosenblut", sondern auch aufgrund seiner antisemitischen Haltung galt der dichtende Freiheitskämpfer (1769-1860) den Nazis als einer ihrer Vordenker. Es finden sich also mit Eisen, Schwert, Schmied und Feuer viele Anspielungen auf die Stahlproduktion der 1854 gegründeten Aktiengesellschaft. Gleichzeitig wirkt der runde Platz wie eine Weihe-, Opfer- oder Thingstätte, wie die Nazis, insbesondere Himmlers SS, sie liebten.
L. de Libero: Rache und Triumph. Krieg, Gefühle und Gedenken in der Moderne. München 2014, S. 161

Exkurs:
Willy Meller entwickelte sich zu einem der führenden Bildhauer der NS-Zeit, ist aber im Unterschied zu Arno Breker und Josef Thorak in Vergessenheit geraten, obwohl auch er regelmäßig mit Plastiken in der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München, der Leistungsschau der NS-Kunst, vertreten war.
Im Auftrag des befreundeten Kölner Architekten Clemens Klotz, für den er bereits in der Weimarer Republik tätig gewesen war, meißelte und schnitzte Meller Skulpturen für die Ordensburgen Vogelsang und Crössinsee und für das nicht fertiggestellte riesige Schwimmbecken des KdF-Seebades Prora auf Rügen. Klotz wiederum hatte diese Großaufträge für Staat und Partei seiner Freundschaft mit Robert Ley, Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Chef der Deutschen Arbeitsfront, zu verdanken.
Für das Berliner Olympiastadion schuf Meller - in der Tradition der Germania- und Victoria-Standbilder des 19. Jahrhunderts - eine Deutsche Nike und den auf dem Hakenkreuz am Fahnenmast sitzenden Reichsadler, der sich 1952 - nun zum bescheidenen Bundesadler mit eingeschlagenen Schwingen gestutzt - über dem Hauptportal des Palais Schaumburg, der Bonner Kanzlerresidenz, niederlassen sollte; unter diesem Adler ging nicht nur der von den Nazis abgesetzte ehemalige Kölner Oberbürgermeister ein und aus, sondern auch die Bonner Graue Eminenz, Adenauers Kanzleramtschef Hans Globke, ehemaliger Ministerialrat im Reichsinnenministerium, Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassegesetze. 1962 schuf Meller in Oberhausen ein Mahnmal für die Männer und Frauen des örtlichen NS-Widerstandes!
Zu Führers 50. Geburtstag war Meller von Hitler mit dem Professorentitel ausgezeichnet worden, auf den der Bildhauer noch 1974 bei der Inschrift auf seinem mit den drei Parzen geschmückten Grabstein auf dem Rodenkirchener Friedhof zu Köln Wert legte. Auf einer von Goebbels geführten Liste gehörte Meller zu den vom Kriegsdienst freigestellten Künstlern - so viel zu Kontinuitäten von 1933 bis zur Bonner Republik in Politik und Kunst.
http://www.hans-hesse.de/html/willy_meller.html

Der Siegfried von Hangelar
In Hangelar, heute ein Stadtteil von St. Augustin bei Bonn, wurde 1934/35 ein kolossaler Siegfried als Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet, ein Werk des Bildhauers und Kirchenmalers Adalbert Hertel (1868-1952), Sohn des bekannten Münsteraner Diözesanbaumeisters Hilger Hertel d.Ä., Architekt von Duzenden von neugotischen Pfarrkirchen in Münsterland und im ehemaligen Bistum Ermland in Ostpreußen. Adalbert Hertel und seine Söhne führten in Köln eine Werkstatt für Bildhauerei und christliche Kunst.
Auf einem im oberen Bereich gestuften Sockel steht breitbeinig Siegfried ballt die Faust und richtet seinen Blick in die Ferne. Die Kolbenfrisur ist eher ein charakteristisches Merkmal expressionistischer, denn klassizistisch-nationalsozialistischer Plastik. Der wehrhafte jugendliche Held wird von einer von einem im Dreiviertelrund gepflanzten Buchenhain begrenzten Rasenfläche umfangen. Moderne Bronzetafeln am Sockelblock geben Erläuterungen: „Bei der Hangelarer Bevölkerung war die Figur so umstritten, dass man sich lange nicht auf einen Standort im Ort einigen konnte, und sie schließlich auf einen bewaldeten Platz… weit außerhalb des damaligen Ortskerns aufstellte, wo sie noch heute weitgehend unbeachtet steht.“
L. de Libero: Rache und Triumph. Krieg, Gefühle und Gedenken in der Moderne. München 2014, S. 161 (Denkmalliste St. Augustin: http://www.sankt-augustin.de/dpp_40_besondere_elemente.pdf, S. 178)

Platz der Nation - Worms
Der gebürtige Nieder-Flörsheimer Philipp Wilhelm Jung (1884-1965 Worms), seit 1926 NSDAP-Stadtrat in Worms, seit 1927 Mitglied der SA und als Rechtsanwalt Verteidiger des späteren Gauleiters der Rheinpfalz, Josef Bürckel, betrieb 1933 als Präsident des Hessischen Landtages und hessischer Staatsminister die Umgestaltung des Platzes am Westchor des Wormser Domes zum NS-Aufmarschplatz; unter Einbeziehung der alten Stadtmauer sollte ein „Ehrenhof“ entstehen, der Platz der Nation, der heutige Platz der Partnerschaft. Mit der Ausführung des NS-Reichsadlers über dem Doppeltor, der - seines Hakenkreuzes beraubt - erst 1983/84 entfernt wurde, und den fünf Relieftafeln an den Seitenwänden wurde der in Erbach im Odenwald geborene Elfenbeinschnitzer und Bildhauer Albert Glenz (1907-1990) beauftragt. (Franz I., letzter regierender Graf von Erbach-Erbach - Antikensammler und Förderer der römischen Provinzialarchäologie, hatte Ende des 18. Jahrhunderts die Elfenbeinschnitzerei zur Wirtschaftsförderung in seiner Residenzstadt etabliert.) Glenz, der aus einer Elfenbeinschnitzerfamilie stammte, hatte an den Kunstakademien in München und Düsseldorf studiert und 1936 eine dauerhafte Betätigung als Mitarbeiter bei der Frankfurter Altstadtsanierung gefunden.
In das Bildprogramm der fünf Reliefs am Platz der Nationen, das sich auf die Stadtgeschichte bezieht und das wohl auf Stadtarchivar Friedrich Maria Illert zurückgeht, ist eine Nibelungenszene eingebunden: In zwei Szenen an der Mauer des Heylsparks korrespondieren formal miteinander jeweils drei Standfiguren in einem brutal überzogenen expressionistischen Stil, der sich allerdings vom idealisierenden Realismus nackter oder halbnackter Athleten in linientreuen Gemälden und Skulpturen abhebt. In beiden Szenen stehen die Figuren jeweils vor einem Pferd, wobei die beiden Pferde in Blickrichtung aufeinander bezogen sind:
Kriemhild, offenbar auf der Wormser Burg der Burgunden stehend, mit Siegfried und Giselher, die beide mit Langschwert und Langschild bewaffnet sind. Auch die beiden seitlichen Figuren des Pendants - Reichsherold Kaspar Sturm, der Luther 1521 zum Reichstag geleitete, und Ulrich von Hutten - präsentieren ein Langschwert, während Luther seine Hände um ein Buch klammert, das er wie zum Schutz vor sich hält; es mag eine seiner Schriften sein, die ihm zum Widerruf vorgelegt wurde, oder die Bibel, auf deren Autorität er sich bei seiner Verteidigung berief. Ulrich von Hutten trat auf dem Reichstag selbst nicht auf, sandte erst nach dem Reichstag , am 27. Juli 1522 einen Brief von der Ebernburg nach Worms - Ein demütige ermanung an ein gemeyne statt Wormbß -, in der er die Wormser Bürgerschaft mit Durchhalteparolen im Kampf gegen den romtreuen Klerus versorgte. Hutten vereinnahmten die Nazis als Begründer des nationalen Kampfes gegen Fremdherrschaft - der humanistisch gebildete Reichsritter hatte in seiner Schrift Arminius – die allerdings erst nach seinem Tod erschien – den Sieger der Varusschlacht als „ersten unter den Vaterlandsbefreiern“ gefeiert, der „das römische Joch“ abgeworfen und Germanien von der Fremdherrschaft befreit habe. Am 29. Mai 1938 - zu Huttens 450. Geburtstag - hielt Reichsleiter Alfred Rosenberg, Chefideologe der NSDAP, bei einer Feierstunde auf der Steckelburg, der Hutten-Burg bei Schlüchtern, eine Rede, die als Festgabe des NS-Lehrerbundes, Gau Hessen-Nassau, zur Mainzer Gutenberg-Festwoche im Hutten-Gedächtnisjahr 1938 gedruckt wurde. Im Hinblick auf dieses Gedenkjahr dürfte auch das Wormser Relief entstanden sein. Giselher, eine im Handlungsablauf des Nibelungenliedes eher blasse Figur, erscheint auf dem Nibelungenrelief als Pendant zu Kriemhild, als deren Lieblingsbruder, der - noch Knabe - nicht zu den Komplizen von Siegfrieds Mörder gehört hatte. Entscheidend dürfte für die Wahl Giselhers jedoch der von Illert ideologisch aufgeladene Text der Bronzeschriftbänder zwischen den fünf Reliefs sein, die wie der Reichsadler nach dem Krieg entfernt wurden: Ich zitiere den Text des Schriftbandes zur Nibelungen-szene: „Der Tod ist uns doch sicher,“ so sprach Herr Giselher, / „drum soll uns keiner scheiden von ritterlicher Wehr. / Wer gerne mit uns streitet, hier trutzen wir dem Tod, / ich hab noch keinem Freunde die Treu gebrochen in der Not.“ Nibelungenlied“ - so antwortet Giselher in der 36. Aventiure, beim Saalbrand in Etzels Burg (Vers B 2103) auf Kriemhilds Angebot an ihre Brüder, sie könnten frei sein, wenn sie nur Hagen auslieferten. - Das Nibelungenlied wird hier zur Verherrlichung des Heldentodes und im Grunde für den nationalsozialistischen Treue- und Totenkult vereinnahmt, wie er sich etwa in den jährlichen Gedenkfeiern für die Blutzeugen des Hitlerputsches von 1923 oder im SS-Totenkult - man denke an den Weiheraum auf der Wewelsburg - manifestierte. Illerts Zitatwahl aus dem Nibelungenlied erscheint geradezu wie ein Menetekel, eine Vorwegnahme von Görings „Stalingradrede“ vom 30.Januar 1943: „Wir kennen ein gewaltiges Heldenlied von einem Kampf ohnegleichen, es heißt ‚Der Kampf der Nibelungen’. Auch sie standen in einer Halle voll Feuer und Brand, löschten den Durst mit dem eigenen Blut, aber sie kämpften bis zum Letzten. Ein solcher Kampf tobt heute dort, und noch in tausend Jahren wird jeder Deutsche mit heiligem Schauer von diesem Kampf in Ehrfurcht sprechen und sich erinnern, dass dort trotz allem Deutschlands Sieg entschieden worden ist.“ - Genau dieser ‚Endkampf‘, die Saalschlacht in Etzels Burg, bedeutet den endgültigen Untergang der Nibelungen, was der konservative katholische Wormser Stadtarchivar, der sich seit 1933 den neuen Machthabern andiente, und der großdeutsche Reichsmarschall (seit 1940) geflissentlich übergehen. - Hier zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit der Nibelungenrezeption in der NS-Zeit: Einmal ist der hinterrücks gemeuchelte Siegfried der Held und Hagen der Bösewicht - dann wieder sind die in Treue bis zum Tod um Hagen zusammenstehenden Nibelungen an Etzels Hof die Helden.
Es bleibt nicht aus, dass Luther - der formal als Pendant zu Siegfried erscheint - als Nationalheld vereinnahmt wird. Das Spruchband lautet:
„1521 stand in Worms Martin Luther vor Kaiser Karl V., den Großen des Reiches und den Abgesandten des Papstes. Ein Deutscher Mensch (Deutscher mit Majuskel am Anfang), handelte er nach seinen Worten: Es ist weder sicher noch geraten, etwas wider das Gewissen zu tun.“ (Gemeint ist offenbar das Gewissen eines Kämpfers für das deutsche Volk; Luthers in Gott gebundenes Gewissen ist wohl nicht gemeint.) Die genealogische Linie von Siegfried über den von Hutten ‚wiederentdeckten‘ Hermann / Arminius zu Luther ist hier bildnerisch und im Begleittext angelegt.
Die vier weiteren Spruchbänder:
Als Cäsars Legionen 58 vor Christi (!) den Rhein erreichten, stand bereits Worms. In der Zeit größter deutscher Machtentfaltung war Worms die Stadt von der aus deutsche Kaiser die Geschicke des Reiches und der Welt bestimmten. Über hundert Reichstage und Fürstenversammlungen fanden in Worms statt.

1018 weihte Burchard den Dom. Er erneuerte die Mauern der Stadt, erbaute Sankt Martin, Sankt Andreas, Sankt Paul. Er schuf die Grundlagen des zukünftigen Worms. Ein deutscher Bischof und Kanzler war eine starke Stütze des Reiches.

1074 dankte Kaiser Heinrich IV. der Stadt Worms als der treuesten unter allen deutschen Städten. In Jahrhunderte währendem Kampf verteidigte Worms als reichsunmittelbare Stadt opferbereit seine Freiheiten und Rechte.

1689 zerstörte Melac auf Geheiß Ludwigs XIV. die Stadt. Deutscher, merke es Dir: *Zwietracht * im * Volk * und * Schwäche * des *Reiches * führen * zum * Untergang*.

U. Clemens: Deuter deutscher Geschichte. Die Kaiserdome von Speyer, Worms und Mainz in der NS-Zeit, In: B. Brock / A. Preiß: Kunst auf Befehl? Dreiunddreißig bis Fünfundvierzig, München 1990, S. 77- 102, hier: S. 92-99

Der Siegfried von Frankenthal
Um die Mitte der 30er Jahre dürfte die Siegfried-Statue am Strandbad in Frankenthal entstanden sein, die in der Denkmalliste der Stadt Frankenthal verzeichnet ist - ein Werk des Bildhauers Georg Schubert-Blümling (geb. 1899 in Landeshut / Kammiena Gora, Riesengebirge Schlesien - gest. 1968), der nach dem Studium an der Kunst- und Gewerbeschule Breslau (ab 1923) und der Kunstgewerbeschule München in eine Frankenthaler Bildhauerwerkstatt eingeheiratet hatte. In einem späten Nachruf über den Bildhauer in dem Heimatblatt Frankenthal Einst und Jetzt (1974, H. 3) heißt es: „Glücklicherweise ermöglichten ihm verständnisvolle Auftraggeber, einige wichtige Arbeiten auch in Frankenthal auszuführen. Mit ihnen wird er als Künstler hier weiterwirken.“ - Das ließe sich auch über die Werke lokaler Bildhauergrößen im öffentlichen Raum anderer Orte resümieren.

Der Siegfriedbrunnen in Dresden
Der Bildhauer Franz Weschke (1883-1944), 1907-11 Schüler von Georg Wrba an der Dresdner Kunstakademie - genau zu der Zeit, als Wrba das Relief Siegfrieds Einzug in Worms für das Hauptportal des Cornelianums in Worms schuf (1910) - gestaltete 1936 einen Siegfriedbrunnen für die Bürgerwiese seiner Heimatstadt Dresden. Das Motiv - Siegfrieds Ermordung - ist nicht ungewöhnlich in der Ikonographie der Nibelungen, wohl aber die Darstellungsweise. Der Mörder Hagen fehlt hier. Mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck zieht sich der an der Quelle hockende jugendliche Held mit der rechten Hand den Speer aus dem Rücken. Der nach oben gerichtete Blick des Bärtigen - ungewöhnlich für den jugendlichen Siegfried - und der zurückgebeugte Arm verleihen der Figur eine übertriebene Theatralik.
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Weschke https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Brunnen_und_Wasserspiele_in_Dresden

Das Fritsch-Denkmal in Berlin-Zehlendorf
1935 wurde in Berlin-Zehlendorf ein Denkmal für den 1933 verstorbenen antisemitischen Publizisten Theodor Fritsch eingeweiht. Es sei das „erste antisemitische Denkmal Deutschlands“, so der NS-Journalist Julius Lippert, der als Staatskommissar die Berliner Stadtverwaltung kontrollieren sollte.
Das von Arthur Wellmann (1885-1970), einem Zehlendorfer Bildhauer, gestaltete Denkmal bestand aus einer Bronzeplastik, die sich an den Siegfried-Mythos anlehnt: ein nackter, muskulöser Mann, der auf einer am Boden liegenden drachen- bzw. krötenähnlichen Gestalt in bezwingender Pose reitet. Anders als in der Nibelungensage streckt dieser Held den Lindwurm jedoch nicht mit dem Schwert nieder, sondern holt mit einem Hammer zum Schlag auf den fratzenhaften Kopf des Ungeheuers aus, mit dem „der Jude“ gemeint ist. In der formalen Gestaltung des Hammerschlägers dürfte sich Wellmann an dem Siegfried, das Reichsschwert schmiedend von Reinhold Begas‘ Bismarck-Nationaldenkmal (1897-1901) orientiert haben, das 1935 noch vor dem Reichstag stand, bevor es 1938 aufgrund von Albert Speers Planungen für die Welthauptstadt Germania auf den heutigen Standort, den Großen Stern im Tiergarten, versetzt wurde.
Mit der brutalen Bildsprache wurde auf den von Theodor Fritsch gegründeten Hammer-Verlag Bezug genommen. Bereits 1882 erschien die wohl weitverbreitetste Publikation von Fritsch, der Antisemiten-Katechismus, der seit 1907 Handbuch zur Judenfrage hieß. Fritsch setzte Juden mit Ungeziefer gleich und forderte auf, sie zu zertreten. Darauf hob auch das Zehlendorfer Fritsch-Denkmal ab: Antisemitismus einschließlich sadistischer Vernichtungsphantasien sollten zum Bestandteil deutscher Hochkultur stilisiert werden. Verstärkt wurde diese Aussage noch durch entsprechende martialische Zitate von Fritsch, die in goldlackierter Frakturschrift in den Denkmalsockel eingemeißelt wurden.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/steglitz-zehlendorf/politik-des-hasses-zehlendorf-im-nationalsozialismus-das-erste-antisemitische-denkmal-deutschlands/9057034.html
Der Siegfried für die Große Deutsche Kunstausstellung 1940
Von August Bischoff (1876-1965), der seine künstlerische Ausbildung an der staatlichen Zeichenschule in Hanau und dem Städelschen Kunstinstitut, der heutigen Städelschule in Frankfurt erhielt, stammt ein Siegfried in Gips, der 1940 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Kunst in München ausgestellt wurde: Der athletische Muskelprotz mit harten Gesichtszügen, entschlossenem vorwärts gerichtetem Blick und nach hinten gekämmten Haaren hält das Schwert - die eine Hand am Griff, die andere an der scharfen Klinge - waagerecht vor sein Gemächt. Gesichtszüge und Frisur entsprechen geradezu dem männlichen Musterbild der nordischen Rasse auf Schautafeln für den Biologieunterricht in Rassenkunde. Die Schwerthaltung wirkt allerdings weniger aggressiv oder bedrohlich als vielmehr selbstgefährdend. - In der Biographie des Künstlers im Allgemeinen Künstlerlexikon, Band 11, 1995, heißt es lapidar: „Sein (d.h. Bischoffs) sachlicher Stil fand Zustimmung und ließ ihn zum gefragten Künstler der Region um Frankfurt werden.“ - Den Siegfried dürfte der Autor mit ‚sachlichem Stil‘ wohl nicht gemeint haben.

Jung Siegfried im Wiener Künstlerhaus
Anfang Januar 1943 wandte sich der Wiener Verleger Karl Kühne an das Künstlerhaus Wien: Kühne wollte Ansichtskarten mit Abbildungen von Plastiken, die im Künstlerhaus ausgestellt wurden, vertreiben. Die anschließenden Verhandlungen führten zur Ausarbeitung eines Vertrags, zu dessen Abschluss man sich im Detail jedoch nicht einigen konnte. Dennoch bekam Kühne bereits am 28. Januar 1943 vom Künstlerhaus 21 SW-Fotografien als Vorlage, von denen er 18 auswählte, um sie in Bromsilber-Ausführung in einer Auflage von je 21 000 Stück drucken zu lassen.
Diese erste Kartenserie mit Plastiken der Künstlerhausmitglieder umfasste auch die Plastik Jung Siegfried des Wiener Bildhauers Franz Seifert (1866-1951), der 1928 eine Büste des ersten sozialdemokratischen Wiener Bürgermeisters Jakob Reumann für das Republikdenkmal in Wien geschaffen hatte. Jung Siegfried ist die einzige mythologische Plastik in der Wiener Ansichtskartenserie von 1943 - ganz überwiegend sind die männlichen Plastiken thematisch ‚sportlich-kämpferisch‘ ausgerichtet; bei den weiblichen Plastiken handelt es sich um Aktdarstellungen.- Ich werde darauf noch einmal kurz am Schluss eingehen.

Michael Drobil: Stehende, Toter Held (Kriegerdenkmal in Ried i.I.), Säender / Der Sämann
Otto Hofner: Reiter
Josef Humplik: Der Läufer
Ernst Kubiena: Schwertweihe
Edmund Moiret: Die Quelle, Gebet, Absage an das Niedrige, Weiblicher Akt / Höheres Verlangen
Ferdinand Opitz: Kugelstoßer
Josef Franz Riedl: Kraft”, “Mädchentorso
Franz Seifert: Jung Siegfried
Karl Stemolak: Schreitender Jüngling
Karl Stundl: Halbakt
Adolf Wagner von der Mühl: Junges Mädchen
Heinrich Zita: Vater und Sohn / Heimkehr

http://www.wladimir-aichelburg.at/kuenstlerhaus/historische-beitraege/publikationen/ansichtskarten/

Die Nibelungenbrücke in Linz an der Donau
Kommen wir zur Nibelungenbrücke, nicht zur 1953 unter diesem Namen wiedererrichteten ehemaligen Ernst-Ludwig-Brücke in Worms, sondern zur Nibelungenbrücke in Linz an der Donau, in der Stadt, in der Hitler seine Jugend verbracht hatte und die er nach dem Krieg zu seinem Alterssitz auszubauen gedachte. (Linz war als Jugendstadt des Führers eine der fünf Führerstädte - neben Berlin, der Welthauptstadt Germania, München, der Hauptstadt der Bewegung, Hamburg, der Hauptstadt der deutschen Schifffahrt, und Nürnberg, der Stadt der Reichsparteitage).
Mit der Planung beauftragte Hitler zunächst Roderich Fick, Baumeister am Obersalzberg, der dann durch Herrmann Giesler verdrängt wurde, einen ‚alten Kämpfer‘, der sich bereits als Architekt der Ordensburg Sonthofen und des Gauforums in Weimar hervorgetan hatte - ein bis heute erhaltenes Sinnbild des Größenwahns, für das ganze Straßenzüge am Rande der Weimarer Altstadt niedergelegt wurden. - Denkmalpflege war für die Nazis ein ,Fremdwort‘.
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Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 soll Hitler selbst dem Bürgermeister seiner „Patenstadt” Linz den Bau einer neuen Donaubrücke versprochen haben. Der Entwurf wurde noch im Sommer 1938 genehmigt, im September begannen die Bauarbeiten. Fertiggestellt wurde die noch heute bestehende, auf zwei Betonpfeilern ruhende Stahlkonstruktion 1940. Hitler war es auch, der der Brücke den bis heute geltenden Namen gab - zur Erinnerung an den Nibelungenzug, der an der Donau entlang zu Etzels Burg führte.

„Die Namengebung ist aus mehreren Gründen deplatziert: Erstens wird Linz im Nibelungenlied weder beim Zug der Burgunden noch bei den anderen Fahrten zwischen Worms und Etzelburg erwähnt. Zweitens haben die Nibelungen bereits in „Moeringen“, dem heutigen Großmehring, über die Donau gesetzt, dort also, wo der noch schmale Fluss es viel bequemer erlaubte als der breite Strom in Linz. Nicht weniger unpassend war die Auswahl der Granitstandbilder: An den Ecken der Brückenköpfe sollten vier 6,5 Meter hohe Reiterskulpturen von Siegfried und Kriemhild, Gunther und Brünhild postiert werden, an den Treppen auf Urfahraner Seite, gegenüber der Innenstadt, außerdem zwei Statuen Hagens und Volkers. Siegfried und Brünhild lässt das Epos nun aber nicht einmal an Linz vorbeiziehen; der eine ist ja längst tot, die andere bleibt zu Hause in Worms. Schließlich ist die Benennung einer Brücke nach den Nibelungen grundsätzlich verfehlt, weil sie eben nicht zurückkehren, für sie errichtete Brücken wären also verschwendete Mühe. Indes sollten die historischen Ereignisse gerade in diesem Punkt eine schaurig-ironische Beziehung stiften.
Alles in allem zeugt Hitlers Namengebung ähnlich wie Hermann Görings berüchtigte „Nibelungenrede” von einem mehr als schiefen ideologischen Gebrauch, der weniger das dunkle Potenzial des Textes als ein ästhetisches Unvermögen, die völlig verquere, unausgegorene Nibelungen-Rezeption im Nationalsozialismus, preisgibt.“
http://www.stifter-haus.at/lib/publication_read.php?articleID=67

Den Auftrag zu den riesigen Skulpturen erhielt der junge Bildhauer Bernhard von Plettenberg (1903-1987) von Hitler im April 1939 persönlich. Der aus einem westfälischen Uradelsgeschlecht stammende Graf - ein Verwandter aus derselben Plettenbergischen Linie Lenhausen war um 1700 Fürstbischof von Münster gewesen - hatte bereits 1938 mit der Bronzeplastik Kugelstoßer an der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst teilgenommen; für ihn war ein staatliches Großraumatelier neben denen von Josef Thorak und Arno Breker in Berlin-Grunewald vorgesehen. Zum Umstand, dass man gerade auf die Nibelungen zur Ausschmückung der Brücke zurückgreifen wollte, äußerte sich Graf Plettenberg wie folgt: "Die Gestalten des Nibelungenliedes, des deutschen Heldenliedes sind die Verkörperung aller typisch deutschen Tugenden und - allerdings auch des deutschen Schicksals. Die Treue, der Mut und die Tapferkeit, aber auch die Liebe und die Leidenschaft sind in ihnen vereinigt. Diese Tugenden und charakteristischen deutschen Eigenschaften hat der Führer nach den Verfallsjahren der Systemzeit im deutschen Volk wieder erweckt. Er ist von Linz aus ins Reich gegangen und hat im deutschen Volke dessen Tugenden zu neuer Blüte gebracht.“
zit nach: http://residence.aec.at/rax/kun_pol/UND/BIOS/plettenb.html

Im April 1940 waren Entwürfe der Reiterfiguren im Maßstab 1:9 fertiggestellt - in Gips gegossen und wie grauer Granit getönt. Der westfälische Graf war offenbar ein ,Pferdespezialist‘: Noch im selben Jahr wurde von ihm ein Warmblut in Bronze auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München gezeigt. Plettenberg präsentierte seine Modelle Hitler in der Reichskanzlei. Um die Wirkung der Figuren zu erproben, wurden Siegfried und Kriemhild in Originalgröße in Ton modelliert und am vorgesehenen Standort aufgestellt. Hitler reiste eigens Anfang April 1943 mit einem Sonderzug nach Linz, um die beiden am Südende der Brücke aufgestellten Reiter in Augenschein zu nehmen. Er äußerte sich enthusiastisch: „Deutsche Kunst! Sehen Sie sich die Details des Pferdekopfes an! Plettenberg ist wirklich ein gottbegnadeter Künstler!“ Trotz dieser Lobeshymne landete Plettenberg nicht - wie etwa seine Bildhauerkollegen Arno Breker und Josef Thorak - auf Goebbels und Hitlers Gottbegnadeten-Liste, die den dort genannten, für den NS-Staat unverzichtbaren „Kulturschaffenden“ die Einberufung in die Wehrmacht ersparte. Hitlers Äußerungen über Plettenberg sollen auf seine Entourage eher peinlich gewirkt haben. Speer machte sich über den Bildhauer lustig und sprach von "einem mir unbekannten Bildhauer namens Graf Plattenberg." - 1946 fragte der Bildhauer bei der Stadt Linz an, ob er mit der Fortführung seines „Lebenswerks“ rechnen könne…
https://de.wikipedia.org/wiki/Nibelungenbr%C3%BCcke_(Linz)

Die Nibelungen
in der Kunst des Nationalsozialismus

Insgesamt muss man festhalten, dass Siegfried und den Nibelungen in der bildenden Kunst der NS-Zeit - Malerei und Bildhauerei - keineswegs die Bedeutung zukam, wie es gerade in der Kunstgeschichtsschreibung der 68er-Generation, immer wieder behauptet wird. In den Katalogen der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst zu München zwischen 1937 und 1944, der ‚Leistungsschau‘ der NS-Kunst, lässt sich unter den Werktiteln lediglich der erwähnte Siegfried des Provinzbildhauers August Bischoff als Werk mit Bezug zu den Nibelungen ausmachen; dagegen finden sich laufend Gemälde und Plastiken mit Figuren und Motiven aus dem sportlich-kämpferischen Bereich oder der antiken Mythologie. Eines der bekanntesten Werke des weniger als Maler, denn als NS-Kunstfunktionär (Präsident des Reichskammer für bildende Künste) hervorgetretenen Adolf Ziegler, im Volksmund „Meister des weiblichen Schamhaares“, ist bezeichnenderweise Das Urteil des Paris: Ein jugendlicher arischer Athlet hat zwischen drei blonden Schönheiten die Qual der Wahl; das Gemälde wurde auf der Großen Deutschen Kunstausstellung 1939 gezeigt - wie auch das eher der deutschen Scholle als einer arkadischen Idylle verpflichtete Parisurteil des Wiener Malers Ivo Saliger. Das Geschlechterbild des Nationalsozialismus spricht in diesen Gemälden - besonders penetrant bei Saliger - für sich. Das Urteil des Paris war bereits ein in Variationen häufig wiederkehrendes Bildmotiv von Lucas Cranach d. Ä. gewesen, dem ‚Spezialisten‘ für Aktdarstellungen in der deutschen Renaissance-Malerei.- Im schweren Goldrahmen, passend für das Oval Office, sein New Yorker Penthouse oder seinen privaten Golf Club, hätte The Donald sicher seine Freude an den ‚Schönheiten‘ von 1939.
In Hitlers Kultur- und Rasseverständnis - und hier unterschied er sich von Rosenberg und Himmler, den Vertretern einer „Germanisierung“ der Geschichte - bildeten Griechen und Germanen eine „Rassegemeinschaft“, wobei sich die Griechen unter günstigeren klimatischen Bedingungen kulturell entwickeln konnten und etwa die Akropolis errichteten, die Germanen dagegen nur „Steintröge und Tonkrüge“ schufen (so Hitler in seinen - nicht für die Öffentlichkeit bestimmten -Tischgesprächen im Führerhauptquartier). Der Militärstaat Sparta war für Hitler der „klarste Rassenstaat der Geschichte“ (Mein Kampf), was nun allerdings nicht so ganz zur gepriesenen Akropolis im demokratischen Athen passt. (zit. nach: H. Fleischer: Griechenland, in: W. Benz / H. Graml / H. Weiß (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 5.Aufl.,München 2007, S. 544f.)
Paris und Siegfried haben eins gemein - und auch das berechtigt zu Johannes von Müllers Diktum vom Nibelungenlied als „teutscher Ilias“: Beide entscheiden sich im Grunde für die falsche Frau und setzen damit das Drama in Gang - in Troja und in Worms.

[Stand der Internet-Quellen: 25. 8. 2017]