Die
historischen Nibelungen

Eine Serie der Wormser Zeitung
von Dr. Jürgen Breuer

4.
Das Nibelungenschwert


.....


Bligger von Steinach, Codex Manesse, um 1330 ...



Im Nibelungenlied ist das Nibelungenschwert "Balmung" Teil des Nibelungenschatzes, den Siegfried für die Erben des Königs Nibelung, dessen Söhne Schilbung und Nibelung teilen soll. Als Lohn für die Schatzteilung übergeben die jungen Könige Siegfried das Schwert des Nibelung zur "miete", als Lohn oder Leihgabe, wie Hagen am Wormser Königshof bei Siegfrieds Einritt den Burgondenkönigen erzählt. Weiterhin berichtet Hagen, dass Schilbung und Nibelung unzufrieden mit der Schatzteilung waren und ihre 12 Riesen gegen Siegfried schickten, worauf dieser mit dem neu erworbenen Schwert Balmung alle Gegner und die jungen Könige erschlug und sich den gesamten Hort aneignete, den er sorgfältig in dem hohlen Berg unter Aufsicht des Schatzmeisters Alberich verbarg. Nach der Ermordung Siegfrieds durch Hagen übernimmt Hagen als Anführer der Burgonden und Nibelungen das Schwert Balmung, das schließlich Kriemhild an Etzels Hof als die Waffe ihres geliebten Siegfried wiedererkennt. Nach dem mörderischen Kampf in Etzels Burg enthauptet Kriemhild mit dem Nibelungenschwert den gefesselten Hagen und wird darauf von Meister Hildebrand erschlagen.

In dieser Dichtung der Stauferzeit, im Nibelungenlied, erhält somit das Schwertmotiv die Bedeutung der Inhabe und der gewaltsamen Ausübung der Macht, modern gesprochen, der Exekutive.

Das Schwert Balmung im Nibelungenlied hat in der Politik der Staufer seine Parallele im Reichsschwert. Als Symbol der Macht der deutschen Kaiser wurde es zum Herrschaftszeichen über die politischen Gegner, seien es nun Christen oder Ungläubige. Das Reichsschwert ist ebenso wie die Reichskrone Teil der Reichsinsignien, die derzeit in Wien aufbewahrt werden und zur Zeit der Staufer auf dem Trifels gesichert waren. Schon der Knauf des etwa um 1198 gefertigten Schwertes zeigt mit seiner Inschrift die symbolische Funktion: "Gepriesen sei mein Herr und Gott, der meine Hände kämpfen lehrt." Dieses Motto, unter dem das Reichsschwert, das dem König Otto IV. zugeordnet ist, gilt sinngemäß für ebenso für das Leitmotiv des Nibelungenschwertes im Lied, denn im Kampf mit diesem Schwert wurde der Schatz gewonnen und er ist durch das Schwert in der Untergangsszene an Etzels Hof zerronnen.

Nun bietet aber die Scheide des Reichsschwertes ein Bildprogramm, das mehr als 100 Jahre älter ist als das Schwert selbst und zweifellos zu den schönsten Arbeiten ihrer Art zählt. Die Goldblechscheide zeigt vierzehn Herrschergestalten, nämlich die historische Reihe der deutschen Könige und Kaiser von Karl dem Großen bis zu Heinrich III., dem salischen Kaiser aus dem Wormser Raum. Das in Gold gefasste Bildprogramm dokumentiert die Herrscherreihe in der Nachfolge Karls des Großen und gleichzeitig die Bedeutung des Schwertes als Symbol der Herrschaftstradition. Nehmen wir das Schwert des Nibelung, das Siegfried erwirbt, als solches Symbol, so erläutert die Scheide des Reichsschwertes den Wechsel der Dynastien, im Lied von den Nibelungen, die historisch ja Karolinger sind, zu Siegfried, der diesem Hochadel nicht angehört, schließlich zu Hagen, der als schlechter Berater, aber nicht als ebenbürtiges Mitglied der Hofgesellschaft, die Nibelungenmannschaft mit dem Schwert Balmung in den Tod führt und durch dieses Schwert selbst umkommt.

Die Verbindung von Herrschaft und Schwert führt im Nibelungenlied zum Tod der Helden aus Burgund. Ein gleiches Schicksal ereilt die Herrscher von Burgund, nämlich Friedrich Barbarossa und seinen Sohn, Friedrich von Schwaben, auf dem Kreuzzug ins Heilige Land. Wer das Schwert des Grafen Nibelung führt, mit dem die Karolinger einst erfolgreich waren, kommt durch dieses Schwert zur Zeit des Dichters um. Auch der Staufer Philipp von Schwaben stirbt auf dem Höhepunkt seiner Macht im Jahr 1208 durch das Schwert. Sein Konkurrent Otto IV. war in Besitz des Reichsschwertes. Das Programm der Schwertscheide gehört mit der prunkvollen Darstellung der deutschen Kaisermacht von Karl dem Großen bis zu den Saliern einer früheren, einer machtvolleren Epoche an. So hat wohl auch der Dichter das Schwert mehr als Symbol des Untergangs als das der Repräsentation der Reichsmacht gesehen.



Alle Artikel (Index)

Kontakt zum Autor: DrJBreuer@t-online.de

Veröffentlichungen:

Dieter Breuer und Jürgen Breuer: Mit spaeher rede: Politische Geschichte im Nibelungenlied.
München (Fink-Verlag)1995. 2.Aufl. 1996

Hans-Jürgen Breuer: Die politische Orientierung von Ministerialität und Niederadel des Wormser Raumes im Mittelalter
(Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 111)
Darmstadt und Marburg 1997.

Dieter Breuer und Jürgen Breuer: Das Nibelungenlied, die Reichsgeschichte und der Hof Kaiser Heinrichs VI. in Worms.
In: Nibelungenlied und Klage, Ursprung - Funktion - Bedeutung
Symposium Kloster Andechs 1995, München 1998, S. 245 - 263.

Jürgen Breuer: Bligger II. von Steinach, der Dichter des Nibelungenliedes.
Horb a. Neckar 1999.

Jürgen Breuer: Das historische Umfeld des Nibelungenlieds in Worms.
In: Ein Lied von gestern? Wormser Symposium zur Rezeptionsgeschichte des Nibelungenliedes
Worms 1999, S. 15 - 36.

Jürgen Breuer: Die Burgunden und ihr Wormser Hof im Nibelungenlied.
In: Die Nibelungen in Burgund, Symposium 2000
Worms 2001, S. 25 - 49.