DIE
WALTHER-
DICHTUNG



Ein Beitrag von Ellen Bender

Waltharius manu fortis, um 930 ..




Von ca. 900 bis 1050 gibt es eine Lücke in der deutschen Literatur.

Das Walthariuslied wurde wahrscheinlich Ende des 9. Jahrhunderts in lateinischer Sprache in Versform verfasst. Es könnte seinen Stoff einem deutschen Waltherlied entnommen haben.

Schreibenswert war diesen Generationen jedoch nur das Lateinische.

Es schien festgestellt, dass die „Vita Waltharii manu fortis“, das virgilianische Hexameterepos - der Hexamter ist ein aus 6 Füßen, meist Daktylen, bestehender epischer Vers - des späten 9. oder frühen 10. Jahrhunderts eine Schularbeit des St.Gallener Mönches Ekkehard I. sei, um 930 entstanden. Diese Meinung wurde aber revidiert.

Die denkbaren Vorstufen des deutschen Waltherepos des 13. Jahrhunderts sind nicht nachzuweisen. Es ist auch zweifelhaft, ob Ekkehards Walthergedicht unser Waltharius gewesen ist.

Inhalt und Schauplatz

Der Waltharius schildert den Kampf Walthers von Aquitanien mit dem rheinfränkischen König Gunther von Worms und seinem Gefolgsmann Hagen von Tronje um einen Goldschatz.

Walther ist wie Hagen als Geisel an Etzels Hof aufgewachsen und ihm freundschaftlich verbunden. Er flieht mit Hildegund von Etzels Hof mit einem Schatz. Der fränkische König Gunthari will ihm den Schatz abjagen. Es kommt zum Kampf in den Vogesen. Nach 11 Waffengängen, die alle tödlich für die Rheinfranken enden, kämpfen nur noch Walther, Hagen und Gunther. Dabei verliert Hagen sein Auge, Gunther einen Fuß und Walther die rechte Hand. Danach schließen sie Frieden.

Das Kernstück der Waltherdichtung ist die Erzählung von den elf Einzelkämpfen, in denen der Held die fränkischen Krieger besiegt, die König Gunthari von Worms gegen ihn herangeführt hat. Der Sieg wird v.a. durch den Schauplatz ermöglicht. Waltharius erwartet die Krieger am Eingang einer Schlucht, wo 2 Berggipfel, zwischen denen sich die Schlucht hinzieht, ihm die Seiten und den Rücken decken. Der Zugang ist so schmal, dass jeweils nur ein einzelner gegen ihn anrücken kann. Als Hagen, der Walthers Kampfweise sowie seine Entschlusskraft und Tapferkeit selbst in den schwierigsten Lagen genau kennt, diesen in solcher Stellung sieht (V. 572), rät er zu versöhnlicher Haltung. Und Hagen wiederholt dem ihn kniefällig um Hilfe bittenden König Gunthari seine Bedenken (V. 1101). Doch umsonst. Der Dichter stellt ausdrücklich fest, dass die Enge der Örtlichkeit nur Kampf von Mann gegen Mann zulässt, so dass keiner dem anderen zu Hilfe kommen kann (V. 692ff.).

Über den Schauplatz der Kämpfe Walthers mit König Gunther und seinen Mannen liegt eine Reihe von Veröffentlichungen vor, so z.B. von August Becker, Karl Strecker, Friedrich Panzer, Karl August Becker etc. Hinweise findet man im NL, in Ortsbezeichnungen, die mit dem Namen Walther zusammengesetzt sind, in dem Wappen eines Rittergeschlechtes (überlieferte Urkunden). Auch Jakob Grimm versuchte den Wasgenstein am Maimont nachzuweisen, als dem höchsten Punkt der Nord-Vogesen, der zwischen Elsaß und Lothringen eine Scheide bildet. Der Maimont, über dessen Rücken die pfälzisch-elsässische Grenze führt, beherrscht die Gegend zwischen Schönau und Obersteinbach. Der Bergstock ist halbmondförmig gebogen; die beiden Spitzen dieser Mondsichel bilden zwei benachbarte Berggipfel. Streckers Vermutung, dass die ersten Kämpfe im Waltharilied im Maimontsattel stattgefunden haben, ist nicht stichhaltig. Hingegen entspricht der Wasgenstein allen Anforderungen der einzelnen Kampfhandlungen. Der Dichter betont nämlich ausdrücklich, dass sich am Orte der Handlung eine Felsschlucht befand, und gerade der Felsspalt ist es, der dem Wasgenstein sein typisches Gepräge verleiht und mit keinem anderen Ort vergleichbar ist.

Orte werden in der Heldenepik meist genau beschrieben.

Der Ort liegt nach des Dichters Angabe im Waldgebirge der Vogesen („Vosagum vocitatum“) (V. 490).

Wenn wir unsere Blicke über Berge und Täler schweifen lassen, haften sie immer wieder an den rötlichgrauen Felsgebilden aus Buntsandstein in absonderlichen Formen, die aus dem Grün der Umgebung schroff zum Himmel emporragen. Der Dichter erzählt von Felsen, die dicht beisammen stehen und zwischen ihnen befindet sich eine enge, aber liebliche Schlucht (V. 494). Eine Lücke in der Felswand gestattet Zugang zum Lager (introitus stationis; auch porta V. 561); von dort führt ein schmaler Pfad, durch Gestrüpp und Dornen eingeengt, zur Kampf-Stellung Walthers.

Die Entfernung zu Worms beträgt etwa 83 km Luftlinie. Waltharius soll von Worms kommend (der Stadt, bei der er am Abend den Rhein überschritt), noch vor Einbruch der Nacht den Kampfschauplatz erreicht haben; und Gunthari soll es möglich sein, am Kampfabend nach Worms zurückzureiten und in der Morgenfrühe mit frischen Hilfskräften zu erscheinen. Das ist natürlich schwer denkbar.

Zu klären ist die Entfernung von Worms (V.1143ff.), weshalb viele Forscher Mühe haben, den Wasgenstein als Kampfplatz anzuerkennen. Becker meint, dass sie auf der Flucht durchaus diese große Strecke durchwandert haben können, Hildegund auf dem Pferd, Walther besonders leistungsstark zu Fuß. Auf Wegbeschreibungen verwendet der Dichter nur wenige Worte. Die 40 Tage dauernde Flucht aus dem Hunnenland nach Worms tut er mit wenigen Verszeilen ab, von da an in den Wasgenwald mit wenigen Worten, und die Weiterfahrt in die Heimat wird nur ganz kurz erwähnt. C. Mehlis nimmt an, dass das Paar von Worms über Lambsheim zur Römerstraße bei Deidesheim wanderte. Es ist ein alter Weg, der dann weiter nach Weißenburg führt. Noch heute zieht sich die alte Landauer Straße am Rande der Rheinebene über die „Heide“, um bei Ruppertsberg in die Römerstraße einzumünden; nach Weißenburg biegt sie in den Wasgenwald ein. Andere Forscher lassen Walther und Hildegunde früher oder später in den Wasgenwald einbiegen. A. Becker hat sich für den Weg durch das Klingbachtal entschieden, durch welches ein alter Reitweg zum Drachenfels führte. Von da besteht ein leichter Übergang vom Lautertal in das der Sur (Sauer), in deren Seitentäler sich der Wasgenstein erhebt. Sprater hält es für möglich, dass das Paar den Wasgenwald durch das Modenecker Tal zwischen Burrweiler und Weyher betreten habe, am Trifels, Lindelbrunn und Berwartstein vorbei über Bundenthal zum hohen Sattel des Maimont, wo Sprater den Kampfplatz annimmt.

Der Ort wird genau beschrieben. Die Benennung des Kampfortes als „Waskenstein“ taucht zuerst im NL auf. Heute wird der Felsen „Wasgenstein“ oder „Wasigenstein“ genannt und liegt bei Niedersteinbach an der pfälzisch-elsässischen Grenze.

Vers 1208: Die Flüchtlinge hätten sich am frühen Morgen nur „mille fere passus“, ungefähr 1000 Schritte, von ihrem Lagerplatz entfernt. Der einzige Forscher, der sich mit der Deutung der mille fere passus als römische Meile nicht abgefunden hat, ist August Becker. Ihm ist der Name einer Ziegelhütte aufgefallen, die etwa 14 km westlich von Obersteinbach an der Straße nach Bitche liegt Sie heißt auf deutschen Landkarten Herzogshand, auf französischen la main du prince. Dort stand ein Felsen, in den seit alten Zeiten das Bild einer Hand eingehauen war. Noch anfangs der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts muss sie sichtbar gewesen sein. Karl Braun schreibt in seinen 1871 erschienenen Erzählungen „Während des Krieges“, dass er diese eingemeißelte Hand gesehen habe. Später wurde der Felsen bei einer Straßenverbreiterung weggesprengt. Von dieser Hand gehen verschiedene Sagen aus, die man u.a. auch mit Walther in Verbindung bringt. Die Entfernung vom Wasgenstein zur Herzogshand beträgt etwa drei Wegstunden. Becker ist nun der Ansicht, der Walthariusdichter gebrauche diese römische Bezeichnung für eine meilenweite Entfernung, weil ihm der lateinische Wortschatz für die Rast keine anderer gewährt. Dies hat den Unwillen Karl Streckers erregt. Er schreibt spöttisch, A. Becker habe den Platz entdeckt, an dem Walther seine Hand eingebüßt habe; weiter behaupte er, dass der Entscheidungskampf auf der Wasgaufirst bei Herzogshand, drei Stunden vom Wasgenstein entfernt, stattgfunden habe.

Möge man nun den Schauplatz des Endkampfes, in welchem jeder der drei Kämpfer eine schwere Wunde davontrug, im Steinbachtal an der Ausmündung des Langenbachtals suchen oder auf der flachen Wasichenfirst bei Herzogshand, die bedeutendste Stelle des Wasgenwaldes ist der Platz, auf dem Walther den Sieg über die elf Krieger des Königs erfochten hat. Schon vor mehreren Jahrhunderten hat man im Wasgenstein diesen Platz gesehen, den der Dichter zwar nicht mit Namen nennt, aber in treffenden Worten schildert. Es ist der Felsberg und die Ruinen der beiden Burgen auf seinem Rücken, der Wasgenstein, der die Blicke des Wanderers fesselt!


Die Walthersage
und das Nibelungenlied

Gemeinsankeiten und Unterschiede..


Auffallend ist im NL die Benennung des Kampfortes mit dem Namen „Waskenstein“.

Der Waltharius sagt nur, dass der Kampf in dem ungeheuren wilden Waldgebirge der Vogesen stattgefunden habe, Textstelle Vers 490: Venerat in saltum iam tum Vosagum vocitatum.

Der Name Waskenstein kann aber keine Erfindung des NL-Dichters sein, es gab ihn wirklich.

Damit wird die Waltherdichtung zu einer ortsgebundenen Sage.

An drei Stellen spielt das NL unmittelbar an Walther und Hildegund an: Str. 1756, 1797 und 2344. Auch Hagens Kenntnisse hunnischer Persönlichkeiten und Verhältnisse (wie des Weges ins Hunnenland) fußen auf dem Waltherstoff.

Gleiche Motive:

1.) In beiden Epen sind die Hauptschauplätze Worms mit dem nahen Waskenstein und der Hunnenhof. Zwischen diesen weit auseinanderliegenden Schauplätzen werden die Figuren hin und her geführt.

2.) Hagen erzählt Gunther von den Jugendtaten Siegfrieds im NL.

- Hagen erzählt Gunther von den Jugendtaten Walthers im Hunnenland im Waltharius.

3.) Walther und Hagen lebten in ihrer Jugend als Geiseln am Hunnenhof König Etzels und wurden von ihm zu Heerführern gemacht

4.) Etzel sandte Hagen zurück zu Gunther, während Walther mit Hildegund entfloh. NL 1756: „Hagenen sande ich wider heim: Walther mit Hiltegunde entrann“.

Im Waltharius V. 116ff. wird gesagt, dass nach dem Tod des Frankenkönigs Gibico dessen Nachfolger Guntharius den mit den Hunnen geschlossenen Vertrag gelöst hat. Als Hagen dies erfuhr, sei er heimlich vom Hunnenhof geflohen und zu seinem neuen Herrn heimgekehrt.

5.) Hagen rät von der Fahrt ins Hunnenland ab (NL).

- Hagen rät von der Verfolgung des Waltharius ab, reitet aber doch mit, zieht sich zurück, wird von Gunther der Feigheit geziehen, lässt sich dann doch von Gunther zum Mitkampf bestimmen.

6,.) Hagen und Gunther sind im NL die letzten Burgunden, die noch am Leben sind.

- Hagen und Gunther sind im Waltharius von allen Kämpfern allein noch am Leben.

7.) Das NL hat durchaus Motive entlehnt, sie aber gekonnt umgestaltet:

z.B. die Gebärde Hagens, der auf dem Schild am Wasgenstein lehnt oder die prägnante Gebärde, als er seinen Helm fester bindet – oder Uotes Tiertraum im NL (1509)(Tod aller Vögel im burgundischen Land), nachgebildet dem Tiertraum Haganos im Waltharius (621 ff.).

8.) Im NL hat Hagen einen Neffen Ortwin.

- Im Waltharius hat Hagano eine Neffen Patavrid.

9.) Hildebrand zeigt im NL für seien Neffen Wolfhart dieselbe rührende Fürsorge wie Hagano im Waltharius für seinen Neffen Patavrid (2271ff.) und Hildebrand betrauert den Gefallenen dann ebenso wie Hagano den toten Neffen.

10.) Zu vergleichen ist auch der Vorwurf, den Hildebrand im NL Hagen macht: „nu wer was, der ûf einem schilde vor dem Waskensteine saz, dô im von Spanje Walther sô vil der vriunde sluoc?“ (2344) mit dem Vorhalt, den Gunthari im Waltharius Hagano macht:

Nonne pudet sociis tot cognatisque peremptis Dissimulare virum (1079) Am Waskenstein tötete Walther in Kämpfen Verwandte Hagens, während dieser unbeteiligt zusah.

11.) Oder der „triuwe“-Konflikt Haganos mit dem Seelenkonflikt Rüedegers im NL (Freundschaft gegen Vasallentreue).

Der Dichter des NL kannte und benutzte also den Waltharius ebenso wie Virgils Aeneis.

Dies wird umso leichter verständlich, wenn man bedenkt, dass die Walthariushandschrift, die für die Mitte des 13. Jahrhunderts in der Bibliothek des Bischofs von Passau, Otto von Lonsdorf bezeugt ist, sich auch schon in der Entstehungszeit des NL in der Passauer Dombibliothek befand.

Unterschiede:

1.) Wichtig ist, dass das NL den Ausgang der Waltherdichtung nicht übernahm.

Das NL konnte für seine Handlung keinen einäugigen Hagen, geschweige dann einen einbeinigen Gunther brauchen.

2.) Das NL hat auch den Namen der Franken (Franci) des Waltharius nicht übernommen.

Der Waltharius erzählt eine Geschichte der Westgoten/Franken, nicht der Burgunden; und der Vater Gunthers ist nicht Dancrât aus der Fassung C, sondern Gibico.

3.) Als Heimat Walthers nennt das NL Spanye (nicht das überalterte Aquitania des Waltharius).

4.) Weiterhin interessant ist die symbolische Schildgebärde des NL-Dichters, von der der Waltharius nichts weiß. In Str. 2334 NL heißt es bei der Frage Hildebrands an Hagen: „nû wer was der ûf einem schilde vor dem Waskensteine saz?“ Der Waltharius weiß von diesem Sitzen auf dem Schilde nichts. Dort heißt es, Hagano habe sich, als Gunthari ihn durch den Vorwurf der Feigheit beleidigt hatte, auf einen am Kampfplatz gelegenen Hügel zurückgezogen und dort den Kämpfen zugesehen, V. 638 f.


Sprachgeschichte


Der Name der Vogesen ist uralt bezeugt. Er tritt in Cäsars Bellum gallicum zuerst hervor und erscheint noch in frühma. Quellen. Schon in den Cäsarhandschriften finden sich die Doppelformen Vosegus (oder Vosagus) und Vogesus. Im Französischen fällt der unbetonte Mittelvokal aus und es entsteht eine Form Vosgus, frz. la Vosge, les Vosges

Die in Deutschland in lateinischer Sprache geschriebenen Urkunden zeigen zunächst überwiegend die Konsonantenfolge V – s – g, allmählich aber bürgert sich die Form Vogesus (auch Vogasus) ein und breitet sich seit dem 16. Jahrhundert aus.

Neben der Form Vosagus treten in Deutschland frühzeitig Formen mit a in der ersten Silbe auf; es ist das indogermanische o, das sich nach der 1. Lautverschiebung im Deutschen zu a gewandelt hat. Das ist auch bei der Einlautung gallolateinischer Lehnwörter anzuwenden, wie z. B. Moguntia, im ahdt. als Maginza, jetzt Mainz

So treten für Vosegus nun die Formen Vasagus, Vasegus auf, auch Vasego (silvam quae Vasego vocatur, V.1170); auch Formen mit Verlust des Mittelvokals erscheinen, Wasge, Wasgo. Aus der Form Wasgo wird durch volksetymologische Umdeutung Wasgau entwickelt.

Das angeführte Wasigen, gesprochen Wasichen = Vogesen steckt auch in dem Namen des Felsens Wasichenstein, d.h. also Vogesenstein.

Diese Benennung des Felsens an der pfälzisch-elsässischen Grenze ist aber nicht die ursprüngliche. Der Felsen wird in einer Urkunde von 788 Wassenstein genannt, in einer Urkunde von 846 heißt er Wasabuhil Das kommt von gotisch hvass, scharf. Wasssenstein heißt also Scharfenfels, Scharfeneck. Als das Adjektiv mittelhochdeutsch im Verklingen war, legte man sich den Namen Wassenstein als Wasgenstein oder Wasichenstein, d.h. Vogesenstein zurecht. Damit war die Beziehung zum Waltharius hergestellt.

Beziehung Spanye - Worms

Der Ersatz Aquitaniens durch Spanye lag nahe, da in westgotischer Zeit Aquitanien und Spanien vereinigt waren, seit dem 8. Jahrhundert Basken auch in Aquitanien wohnten, Aquitania mit „Wascono lant“ glossiert wird und zu Aquitanien in karolingischer Zeit auch die spanische Mark gehörte.

Damit wird eine sprachgeschichtliche Verbindung von Wasken zu Basken hergestellt, einem nach Westen abgedrängten Volk.

Die Geschichte von Walther und Hildegund erzählt von Westgoten, Franken und Hunnen, nicht von Burgunden. Die Stadt am Rhein (Worms) ist im Waltharius eine rheinfränkische Stadt (und nicht eine Stadt des Burgunderrreiches).


Der Dichter


Für Panzer ist der Waltharius die älteste Fassung der Waltherfabel.

Die Erforschung war durch Jakob Grimms Ausgabe von 1838 begonnen worden.

Der Verfasser muss viele motivische Anregungen und sprachliche Formulierungen, manchmal ganze Verse Vergils übernommen haben. Aber auch Statius und Ovid standen Pate.

Soviel scheint festzustehen, dass der St. Gallener Mönch Ekkehard I. nicht der Verfasser gewesen sein kann. Auch der Entstehungsort St. Gallen und die Datierung um 930 sind umstritten.

Nicht aus der deutschen Heldendichtung entnommen ist die Einleitung, Attilas Zug nach dem Westen, der geografisch-historisch nachweisbar ist.

Die Dreiheit Walther-Hagano-Attila, die Freundschaft der ersten beiden, ihre Bestellung zu Heerführern erinnern an die alttestamentlichen Erzählungen von David, Jonathan und Saul. Hildegund ist ein Frauentyp voll Demut und Angst, Hagen ist von Tränen überströmt, als er den Neffen zum Kampf eilen sieht, Besiegte winseln um ihr Leben – das ist alles nicht der germanischen Heldendichtung entnommen.

Hingegen können Gunthari und Hagano nur aus deutscher Nibelungendichtung genommen sein, auch wenn die viel umstrittene Benennung der Wormser als Nebulones nichts mit den Nibelungen zu tun haben sollt: „Franci nebulones“ V. 555 übersetzt Langosch mit „Nebelfranken“..

Das Motiv von Attilas und seiner Hunnen Berauschung V. 322 sowie der unbemerkten Brandstiftung überliefern die eddischen Atlilieder nach deutscher Vorlage.

Man darf weiter vermuten, dass der Dichter die Hildesage (Brautentführung!) gekannt hat. Darauf weisen die Namen Hildegund und Hagano in Verbindung mit dem Grundmotiv der Flucht des Helden mit einer Frau und der daran geknüpften Verfolgung und ihren Kämpfen.

Wenn Vers 965 die Brünne Waltharis als Welandia fabrica bezeichnet wird, so erinnert das an die Wielandsage, anderes erinnert an das Hildebrandslied.

Das Versprechen Attilas V. 405ff. denjenigen, der Walther zurückbringt, mit geläutertem Gold zu überkleiden, erinnert an die Strophe 11 des nordischen Liedes von der Hunnenschlacht.

Und wie verschieden von deutscher Heldendichtung ist die Stimmung des Waltharius. Das Epos zeigt überhaupt keine Spur von tragischer Stimmung. Es hat ein happy end und der Held wird noch dreißig glückliche Jahre leben und regieren und wenn er nicht gestorben ist...

Auch das Kernstück des Liedes, der Kampf im Wasgenwalde, ist nicht aus deutscher Dichtung geholt, sondern aus der Thebais des Statius und Ovids Erzählung von Perseus Kämpfen.

Deshalb kommt Panzer zu dem Schluss, dass der Autor in seiner Jugend daheim den Erzählungen deutscher Heldensage gelauscht habe, den heimischen Stoff dann in der Klosterschule gestaltet hat, und zwar in der lateinischen Kunstform der Virgilschen Verse.

Das Benediktinerkloster könnte man sich unweit des Wasgenwaldes westlich der Linie Mainz-Straßburg vorstellen.

Der Dichter könnte einem Geschlecht der Gegend entstammen; er ist vertraut mit der Natur der Gegend

Der Stoff war überall in Europa verbreitet, von der Lombardei bis nach Norwegen, von Mittelfrankreich und England bis nach Polen.

Es ist ein Stoff aus der Völkerwanderungszeit um die beeindruckendste Figur dieser Zeit, den Hunnenkönig Attila. Die Personen haben Namen, die teilweise aus der Nibelungensage vertraut sind. Aber Versform und Sprache sind Latein. Antike Vorbilder wie Virgils Aeneis

schimmern in Sprachstil wie Motiven durch.

Neue Überprüfungen haben ergeben, dass die Vita Waltharii manu fortis, von der in den „Casus“ die Rede ist, mit unserem Epos wohl nichts zu tun hat. Ort, Zeit und Verfasser bleiben neu zu bestimmen.

Das mittelhochdeutsche Waltherepos


Jünger als das NL und stark unter seinem Einfluss entstanden ist das mittelhochdeutsche Waltherepos, von dem uns nur ein paar Trümmer in Wien und Graz übriggeblieben sind.

Für das Epos ist der Waltharius als Vorlage anzunehmen. Das Waltherepos übernahm die Änderungen des NL am Stoff: Gunther und die Wormser sind Burgunden, nicht Franken (vgl. auch V. 1085ff.), Walther stammt aus Spanyge, Walther reitet donauaufwärts heim, hier gerät er auch dann in Kämpfe mit den überlieferten hunnischen Stationen, Hildegund heißt von Arragon, da sie dem Spanier Walther benachbart sein musste. Das Ende ist glücklich und im höfischen Sinne ausgewalzt. Der versöhnliche Ausgang des Waltharius scheint so weit noch höher getrieben, dass sogar Gunther zu Walthers Hochzeit geladen werden kann.

Es gibt auch eine polnische Walthersage aus dem 14. Jahrhundert, die mit fremden Stoffkreisen verquickt ist.

Und es gibt den altenglischen „Waldere“, der als älteste Fassung der Geschichte von Walther und Hildegund gilt, leider jedoch nur fragmentarisch überliefert ist..

Interessant sind auch die Beziehungen zur Thidrekssaga und den Rosengartenliedern.

Jetzige Burgruinen auf Wasigenstein





a. Klein-Wasigenstein, b. Groß-Wasigenstein

1. Halsgraben, 2. Brunnen, 3. Bergfried, 4. Schildmauer Groß-Wasigenstein,
5. Schildmauer Klein-Wasigenstein, 6. bebaute Terassen


Auf beide Felsen, die durch eine Schlucht getrennt waren, wurden Burgen gebaut.

In ihnen siedelte sich ein aus dem Staufischen Hagenau gekommenes Rittergeschlecht an, das sich von Wasichenstein nannte. Sein Wappen taucht im 14. Jahrhundert auf und enthält 6 silberne Hände auf rotem Grund. Ist dies eine Anspielung auf die abgehauene Hand Walthers?

Im 16./17. Jahrhundert tauchen in der Umgebung die Flurnamen Waltersloch, Walterstachel und Waltershag auf

Die aus Hagenau gekommene Familie ist nur bis 1225 verfolgbar. Die Erbauung der Burg könnte jedoch schon Anfang des 12. Jahrhunderts erfolgt sein, und zwar im Verlaufe der Organisation des Staufischen Reichsbesitzes im Elsaß durch den Staufer Herzog Friedrich.

Meine Theorie: Es handelt sich hier um eine typische Staufische Fluchtburg, wie wir sie in diesem Raum häufiger antreffen. Und: Man kann die Burg von keiner Straße aus erblicken, man muss sie erwandern!

Ein staufisches Reichslehen war der Wasigenstein. Die Felsbildungen bestimmen die langgestreckte Grundrissform der aus Groß- und Klein-Wasigenstein bestehenden Burg.

Die größere Oberburg war von einem fünfeckigen Bergfried beherrscht, an den der Palas anschloss.

Klein-Wasigenstein bestand aus einem einzigen Turmpalas auf polygonalem Grundriss.

Beide Burgen kehrten über eine tiefe Felsspalte einander schildmauerartige Verstärkungen zu, in die auch die Treppen zu den oberen Stockwerken eingelassen waren.

Für das Mauerwerk wurden besonders lange Buckelquader verwendet.

Die erhaltenen Fensterformen, frühgotisch gegliederte Doppelfenster, gestatten eine Datierung der Anlage auf ca. 1225-1250.

Literatur: Walter Hotz, Pfalzen und Burgen der Stauferzeit. Geschichte und Gestalt, Wiss. Buchgesellschaft Darmstadt 1981.

ders., Handbuch der Kunstdenkmäler im Elsass und in Lothringen, Wiss. Buchgesellschaft Darmstadt 1965.

Das Stauferreich erstreckte sich von der Nordsee bis Sizilien, von der Rhône bis zu den Sudeten und bis Pommern. In diesem Raum entstanden die Kaiserpfalzen, die Residenzen der Landesherren und die wehrhaften Wohnstätten, die Burgen der Ritter. Kaiserpfalzen waren z.B. Hagenau, Kaiserslautern, Frankfurt, Ingelheim.

Das bedeutendste Bauwerk der Barbarossazeit war der Wormser Dom mit der Weihe von 1181.

Die Reichsburgen der Stauferzeit waren planvoll angelegte Stützpunkte des Reiches, Mittelpunkte der Verwaltung, Rechtsprechung und ritterlichen Kultur.

Aber sie waren auch Wehranlagen, die an Orten von strategisch wichtiger Bedeutung gebaut wurden. Viele Burgen lagen an wichtigen Straßen und Flussübergängen in der Pfalz, im Elsass, Franken, Sachsen, Thüringen, Oberrhein, Schweiz, Südtirol, Reichsitalien und Sizilien. Für eine Reihe von Burgen war die Nachbarschaft des Waldes wichtiger als die des Verkehrs, z.B. Herrads Kloster Hohenburg auf dem heiligen Berg des Elsaß. Aber auch in dieser Eigenschaft trugen sie die universale Reichsidee der Staufer mit.

Die Geschichte des staufischen Burgenbaus begann mit Herzog Friedrich II. von Schwaben, genannt „Monoculus“, der Einäugige (1090-1147). Von ihm sagte Otto von Freising, sein Geschichtsschreiber: „Herzog Friedrich zieht stets am Schweif seines Pferdes eine Burg mit sich“.