Nibelungen-
Denkmäler
in Worms


Ein Vortrag von Gernot Schnellbacher

.....

Siegfriedbrunnen, Foto: Stadtarchiv Worms ..



Ze Wormez bi dem Rine, sie wohnten mit ihr Kraft
ihn dienten von ihr Landen, viel stolze Ritterschaft

heißt es in der Handschrift C des Nibelungenliedes, das um das Jahr 1200 aufgeschrieben wurde, dessen Handlung aber im 5. Jahrhundert spielt.
Worms ist der in diesem Epos am häufigsten genannte Ort:
zu Recht heißt es also Nibelungenstadt Worms. Doch ist es nur wenig über 100 Jahre her, dass in dieser unserer Stadt der Wunsch aufkam - und der gilt heute noch – sich als Nibelungenstadt zu profilieren. Das geschah dann auch durch Denkmäler, die das Thema meines Vortrages sind.

Was ist aber ein Denkmal ?
Laut Meyers Lexikon ist es ein Mal oder Zeichen, das Andenken an gewisse Personen oder bestimmte Begebenheiten in dauernder Weise erhalten soll, also jedes Zeichen vom einfachen Erdhaufen oder Stein bis zum vollendeten Kunstwerk.

.....

Ist nach dieser Definition das hier abgebildete Nordportal unseres Domes, wo sich Brunhild und Kriemhild um den Vortritt gestritten haben sollen, ein Nibelungendenkmal ?
Nach der oben genannten Definition wohl kaum, denn dieses Portal - auch wenn es im Epos eine große Rolle spielt - wurde ja nicht zum Andenken an den Streit oder an das Nibelungenlied erbaut.


Wormser Dom, Nordportal
Foto: Stadtarchiv Worms

Ist nach dieser Definition das hier abgebildete Nordportal unseres Domes, wo sich Brunhild und Kriemhild um den Vortritt gestritten haben sollen, ein Nibelungendenkmal ?
Nach der oben genannten Definition wohl kaum, denn dieses Portal - auch wenn es im Epos eine große Rolle spielt - wurde ja nicht zum Andenken an den Streit oder an das Nibelungenlied erbaut.

Ist diese Tafel, die Dr. Friedrich Maria Illert am Schlossplatz anbringen ließ, auf der unter anderem DIE KÖNIGSBURG DER NIBELUNGEN genannt wird, ist das ein Nibelungendenkmal ?

Vielleicht schon eher. Trotzdem möchte ich auf diese Tafel ebenso wenig eingehen wie auf das Nibelungenmuseum, auch wenn dieses Museum ohne Zweifel das Andenken an die Nibelungen erhalten will. So werde ich auch auf Wormser Gebäude im so genannten Nibelungenstil, auf die Nibelungenbrücke und anderes, was nach den Nibelungen benannt ist, nicht eingehen.

Eingehen möchte ich aber auf vorhandene und nicht mehr vorhandene Bauten oder bildliche Darstellungen, die bewusst ein Thema oder Themen des Nibelungenliedes zum Ausdruck bringen. Die Reihenfolge der von mir behandelten Denkmäler wird annähernd chronologisch sein, das heißt sie richtet sich nach der zeitlichen Entstehung. Allerdings soll das älteste Wormser „Nibelungendenkmal“ – so es denn eines ist – erst am Ende zur Sprache kommen.

..... Rechts: Wartesaal,
Wormser Bahnhof,
um 1905

Links: Relief Brunhild und Kriemhild

Fotos: 
Stadtarchiv Worms


.....

Die Reliefs im Wartesaal 1./2. Klasse des 1904 eingeweihten Hauptbahnhofs zählen zu den ältesten, wenn auch heute nicht mehr sichtbaren Nibelungendenkmälern in Worms. An den vier Ecken der gewölbten Decke zeigen sie Brunhild und Kriemhild, Siegfried und Kriemhild, Siegfrieds Tod und die Versenkung des Nibelungenhortes.
Diese Bilder konnten Worms-Besucher, die ja früher in der Regel mit der Bahn reisten, bei der Ankunft im Bahnhof auf die Nibelungengeschichte einstimmen oder vor der Abfahrt an Erlebtes erinnern.

.....

Wer die Reliefs geschaffen hat, ob sie zerstört oder nur durch tiefer gezogene Decken und andere Einbauten unsichtbar sind, konnte ich nicht herausfinden.
Auf Bahnsteig 1 kann man heute noch nahe beim Fürstenpavillon - also in Richtung Brunhildenbrücke - an einem Bogenrelief unten den Drachenkampf und vielleicht noch anderes mit dem Nibelungenlied in Verbindung bringen.

Wormser Dom, Nordportal Foto: G. Schnellbacher

Das Hagendenkmal ist in Worms zweifellos das am häufigsten beachtete Nibelungendenkmal. Es schmückt auch den Titel des gerade erscheinenden Worms-Buches von Jörg Koch, das wunderbare Fotos von Heinz Angermüller enthält, sogar von Aufführungen der Nibelungenfestspiele. Das Hagendenkmal ist auch neben dem Dom als einziges Bild von Worms im ADAC-Autobahn-Reiseführer abgebildet.

..... Das Hagendenkmal:

Bild links, im Wormser Wäldchen (bis 1932)

und rechts am Wormser Rheinufer (ab 1932)

Fotos:
Stadtarchiv Worms


.....

Diese überlebensgroße Bronceplastik wurde 1905 von dem Wormser Künstler Johannes Hirt geschaffen für den damals geplanten Rosengarten im Wormser Wäldchen. Dort stand auch das Denkmal – wie hier zu sehen – bis es 1932 auf das nachgebildete Fundament eines Rheinkrans versetzt wurde. Von dort schleudert Hagen den Nibelungenhort, zu dem außer Krone, Zepter und Schwert auch Goldringe gehörten, in den Rhein. Vom später berühmt gewordenen Rheingold steht allerdings nichts im Nibelungenlied.

.....

Wir sehen hier das Cornelianum – es ist das Gebäude neben der Dreifaltigkeitskirche -, das 1910 eröffnet und im 2.Weltkrieg zerstört wurde. Es war wie das Hagendenkmal ein Geschenk der Wormser Industriellenfamilie von Heyl, welche die Profilierung der Stadt sehr großzügig förderte.st

Cornelianum, Worms (um 1912)
Foto: Stadtarchiv Worms

Dieser wuchtige und doch ansprechende Bau des Architekten Theodor Fischer aus Stuttgart befand sich an der Stelle, wo früher und heute das „Münze“ genannte Haus stand bzw. steht. Wegen seiner Ornamente war das Cornelianum nach Otfried Ehrismann – so in der neuen Geschichte der Stadt Worms - eine „geradezu nibelungische Weihestätte“.

..... Nibelungen-Reliefs
am Cornelianum:

Bild links: Volker von Alzey
Bild rechts: Siegfrieds Einzug

Fotos:
Stadtarchiv Worms


.....

Außen zeigte das Gebäude das noch erhaltene Relief „Siegfrieds Einzug in Worms“, das sich damals über dem Haupteingang zwischen zwei turmartigen Vorsprüngen in der Hagenstraße befand. Wir sehen den Helden mit seinem Gefolge aus den Niederlanden. Sein forsches Auftreten bei der Ankunft in Worms wurde für die Burgunder fast gefährlich.
Das Relief ist das Werk des Dresdener Künstlers Georg Wrba, der auch die ebenfalls erhaltene Plastik des „Volker von Alzey“ schuf.
Auf unserem Bild sieht man, dass sie früher fast an der gleichen Stelle wie heute Ecke Hagenstaße am Haus angebracht war. Von den im Innern des Cornelianums - am Beginn des Treppenaufgangs -
verbrannten Büsten der beiden Königinnen – ebenso von Georg Wrba geschaffen – zeige ich hier nur die aus einem Buch fotografierte streng blickende Brunhild.

Karl Schmoll von Eisenwerth
Der Nibelungenzyklus des Karl Schmoll von Eisenwerth, eines etwas aus dem Blickfeld geratenen Jugendstil-Künstlers aus Stuttgart, bildet aus „Nibelungensicht“ den Hauptverlust des im Krieg ausgebrannten Cornelianums. Die Entwürfe auf Karton sind heute an den Wänden im Großen Saal der Kulturinstitute zu sehen.

Auf dieser Abbildung des Originals sehen wir Dietrich von Bern, wie er Hagen fesselt. Im Hintergrund erkennt man Rauchschwaden, die aus dem Saal der Etzelburg ziehen. Gegenüber befand sich „Siegfried fesselt den Bären“. Dies ist eine weniger bekannte Heldentat Siegfrieds am Wormser Hof, hier dargestellt vor sommerlichen Wolken.

„Die Klage um Siegfrieds Leichnam“ zeigt in düsterer Stimmung über dem Toten seine Eltern und Kriemhild. Gegenüber zu sehen war „Kriemhilds Tod“ vor dem brennenden Saal der Etzelburg. Neben ihr liegt der abgeschlagene Kopf Hagens.
Beachten Sie die Gebärden beim nächsten Bild: „Brunhild und Hagen brüten Rache“. Gegenüber sah man „Hagen und Volker bei der Schildwacht“. Sie sind gespannt: ihre Schwerter halten sie griffbereit. Die Wolken scheinen Unheil zu verkünden.

Wie in einer Bilderbibel oft Szenen aus dem Alten und Neuen Testament einander gegenübergestellt sind, so geschah das hier mit entsprechenden Szenen aus dem ersten und zweiten Teil des Nibelungenliedes.
Diese wuchtigen und stark emotional geprägten Figuren befanden sich auf den hochgelegenen Saalseiten, was eine komprimierte Wiedergabe nahe legte.

Cornelianum, Gemälde des Schmoll von Eisenwerth
Foto: Stadtarchiv Worms

.....

Hier ist auch das später eingefügte Hauptbild „Wie Brunhild in Worms empfangen ward“ zu erkennen . Wir sehen hier die beiden Paare– Siegfried mit Kriemhild sowie Gunther mit Brunhild -, wie sie sich erstmals auf Augenhöhe gegenüber stehen, dahinter etwas erhöht Hagen.

....

Die dunkelhaarig dargestellte Brunhild zögert anscheinend, Kriemhilds Gruß zu erwidern. Die Blicke der Hauptgestalten des Epos machen eine gewisse Spannung deutlich, die auf späteres Unheil hindeutet.

.....

Die Bilder Schmolls von Eisenwerth spiegeln alle eine bedrohliche oder bedrückende Situation, sozusagen auch den Geist ihrer Entstehungszeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg.

Als nach dem 2. Weltkrieg das Haus zu Münze erbaut wurde, zog man im Treppenhaus eine Glaswand ein. Der Wormser Carl Burkhardt hat auf dieser Glaswand 1963 in Sandstrahl- und Schlifftechnik zwölf Szenen aus dem Nibelungenlied gestaltet, die wegen der Treppen nicht so leicht zu sehen und zu fotografieren sind. Hier ein Beispiel, die Ermordung Siegfrieds zeigend.

Glaswand im Haus zur Münze
Sandstrahl- und Schleiftechnik von Carl Burkhardt, 1963
Foto: G. Schnellbacher

Der Siegfriedbrunnen (siehe auch Bild ganz oben) war die letzte große Stiftung des Ehepaares Cornelius Wilhelm und Sophie von Heyl, geschaffen durch den Münchener Künstler Adolf von Hildebrand am Vorabend des 1. Weltkrieges, aber erst 1921 an seinem jetzigen Platz in Worms aufgestellt.

Im Unterschied zum Cornelianum hat der Siegfriedbrunnen den 2. Weltkrieg überlebt, wie das Foto zeigt. Wir sehen ihn hier neben der auch stark beschädigten Dreifaltigkeitskirche und einer nach dem Bombenangriff noch stehenden Mauer des ausgebrannten Cornelianums.
Der den Schwanz des erschlagenen Drachen haltende Held aus Muschelkalk wirkt geradezu zierlich auf dem siebeneckigen steinernen Unterbau.
Von sieben Pfeilerarkaden fließt auf sieben gebogenen Treppen belebendes Wasser herab - Und vielleicht denkt man auch daran, dass es ja ein Brunnen war, bei dem Siegfried getötet wurde.


Cornelianum mit Siegfriedbrunnen, 1945
Foto: Stadtarchiv Worms

.....

Der Nibelungenzyklus von Hans Groß aus Dithmarschen in Schleswig-Holstein ist das einzige Wormser Nibelungendenkmal aus der Zeit der Weimarer Republik, wenn seiner Datierung zu glauben ist. Neben 11 lebensgroßen Gemälden, die zurzeit im 3. Obergeschoss unseres Rathauses ausgehängt sind, steht geschrieben: „Hans Groß 1892 – 1981 / Nibelungenzyklus gemalt 1925-29/

.....

1990 gestiftet von der Tochter des Künstlers Frau Frauke Grohs-Collinson“. Ich zeige hier nur eins der Bilder mit dem Titel
„Der erschlagene Rüdiger wird gezeigt“. In dieser Klageszene – Irmgart Gephart hat sie vorgestern die erste emotionale Erschütterung des 2. Teils genannt - stützt Volker von Alzey den sterbenden Helden. Dahinter hebt Hagen vor dem brennenden Saal drohend seine Fäuste, wohl gegen Kriemhild.

Wie auf den anderen 10 Gemälden fallen der etwas starre Blick und die wehenden blonden Haare auf, und bei den Farben dominieren Grau- und Blautöne. Das charakterisiert die heroische Kunst der Nationalsozialisten, in deren Herrschaftszeit auch dieses Bild entstanden sein dürfte. Ulrich Schulte-Wülwer datiert es in seinem Buch „Das Nibelungenlied in der deutschen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts“: „um 1939“.

„Der erschlagene Rüdiger wird gezeigt“
Gemälde von Hans Groß, um 1929

Das Nibelungenrelief von Albrecht Glenz auf dem Platz der Partnerschaft stammt zweifelsfrei aus der NS-Zeit. Es ist eine von fünf massiven Reliefplatten, die seit 1936 die Seitenwände zwischen dem Westchor des Doms und der Stadtmauer gliedern.

Auf dem vor 1945 Platz der Nation genannten Ort sollte die ruhmreiche Vergangenheit der Stadt in Steinbildern deutlich werden. Unter dem Relief, das neben Kriemhild und dem muskulösen, anscheinend nackten Siegfried rechts Giselher zeigt, war ein Zitat aus dem Nibelungenlied zu lesen:
„Der Tod ist doch sicher“ so sprach Herr Giselher „drum soll uns niemand scheiden von ritterlicher Wehr, wer gerne mit uns streitet, hier trutzen wir dem Tod, ich hab noch keinem Freunde die Treu gebrochen in der Not“.

Kriemhild, Siegfried und Giselher
Reliefbildnis von Albrecht Glenz, 1936

.....

Diese Worte – sie sind die Antwort auf Kriemhilds Angebot an ihre Brüder, sie könnten frei sein, wenn sie nur Hagen auslieferten – diese Worte und der etwas grobe Kunststil sind typisch für die NS-Zeit, in der auch die Kunst die Kampfbereitschaft fördern sollte.

.....

Das Glasbild im Ratsaal des Rathauses kann man als das erste Wormser Nibelungendenkmal der Nachkriegszeit bezeichnen. Es sollte nicht nur den Saal beleben, sondern auch den Lichteinfall dämpfen. Vier breite Fensterkreuze machten 1958 dem Künstler Saile Yelin aus Stuttgart die Arbeit nicht leicht. Er schuf ein kleinfiguriges Ensemble, in dem neben Luther, einem Kaiser und einem Bischof auch drei Szenen aus dem Nibelungenlied zu finden sind. Von diesen wird hier der den Schatz versenkende Hagen gezeigt.


Glasmalerei im Wormser Ratsaal
von Saile Yelin, 1958
Foto: Stadtarchiv Worms

Der Nibelungenwandteppich im Spiel- und Festhaus schmückt in seinem riesigen Ausmaß seit 1966 das obere Foyer. Entworfen wurde der Teppich von Hermann Kaspar aus München, gewebt wurde er von Edith Müller-Ostloff aus Meersburg.

Da die Farben verblichen sind, kann man heutzutage die dargestellten Figuren nur schwer erkennen. Drei Großfiguren stellen die Nornen dar, die den Schicksalsfaden spinnen.

Nibelungenteppich im Festhaus
von Edith Müller-Ostloff, 1966
Foto: Stadtarchiv Worms

.....

Oben in der Mitte sieht man die Doppelhochzeit von Gunter mit Brunhild und Siegfried mit Kriemhild dargestellt, rechts daneben die schwarze Gestalt ist Hagen.
Der wurde am Schluss – hier im Detailbild von rechts unten - von Kriemhild enthauptet; links daneben sieht man den Endkampf der Nibelungen am Etzelhof.

.....

Der Streit der Königinnen auf dem Wormser Schicksalsrad zeigt Brunhild und Kriemhild vor dem Domportal. Kriemhild – rechts im Bild – hebt leichtfertig den Gürtel hoch, den ihr Siegfried nach der Zähmung ihrer Rivalin übergeben hat. Brunhild zeigt abwehrend tiefe Erschütterung.

Brunnen von Gustav Nonnenmacher:

Bild links: Schicksalsrad, 1986
Bild rechts: Nibelungenbrunnen, 2003
Fotos: G. Schnellbacher

.....


Das Schicksalsrad, das auf der einen Seite die oft dramatische Geschichte unserer Stadt zeigt, ist ein Geschenk des EWR, des Elektrizitätswerkes Rheinhessen, aus dem Jahre 1986. Schöpfer des Werkes ist der Wormser Künstler Gustav Nonnenmacher, der auch das jüngste Wormser Nibelungendenkmal geschaffen hat:
Der Nibelungenliedbrunnen, den vor ca. zwei Jahren das Wormser Ehepaar Maria und Friedel Scherf gestiftet hat, schlägt in plastischer Gestaltung ein Nibelungenlied-Buch auf. Beschriftete Blätter umhüllen Figurengruppen, so auch die beiden streitenden Königinnen. Kriemhild zeigt hier nicht nur ihren Gürtel, sie und Brunhild raufen sich auch die Haare. Heute würde man so etwas vielleicht auch „Zickenterror“ nennen.

Eine andere Darstellung desselben Themas war kurze Zeit vorher am Neumarkt vor dem Dom entstanden:
Diesen Streit der Königinnen verdankt Worms der Arbeits-Gemeinschaft Nibelungen-Siegfriedstaße.

Diese Arbeits-Gemeinschaft entwickelte im Nibelungenjahr 2000 die Idee, für passende Skulpturen entlang ihrer Straßen einen Wettbewerb auszuschreiben. In Worms steht nur eine der insgesamt 14 Skulpturen von Jens Nettlich aus Winningen an der Mosel. Der Künstler wollte mit wenig Material das Wesentliche des dargestellten Themas zum Ausdruck bringen.

Der Königinnenstreitl
von Jens Nettlich
Foto: G. Schnellbacher

.....

Siegfriedreliquien
Mein Vortrag nähert sich dem ältesten Wormser Denkmal aus dem Bereich der Nibelungensage.
Siegfriedreliquien nennt Eugen Kranzbühler in seinem Buch „Worms und die Heldensage“ drei Wormser Sehenswürdigkeiten, die in verschiedenen Quellen ab dem Ende des 15. Jahrhunderts genannt werden: Siegfrieds Grab, Lanze und Stein. Offenbar stehen sie in Verbindung mit in Worms lebendig gebliebenen Heldenliedern im Umfeld des Nibelungenliedes. Das sind vor allem das Rosengartenlied und „der hurnin Seyfrid“, das heißt die Sage vom gehörnten, d.h. mit einer Hornhaut versehenen Riesen Siegfried. Offenbar hatte sich die Vorstellung entwickelt, dass der Drachenbezwinger ein Riese gewesen sein müsse. Erinnern wir uns noch an die eher feingliedrige Gestalt auf dem Siegfriedbrunnen ?

.....

Am Ende des Mittelalters wurde Siegfrieds Grab südlich von Worms vermutet, wo schon Kaiser Friedrich III. 33 Jahre vor dem Lutherreichstag hatte graben lassen. Der Humanist Caspar Bruschius beschreibt im 16. Jahrhundert dieses nach 1689 nicht mehr genannte Grab als einen tumulus, also einen Hügel, mit zwei aus der Erde herausragenden Steinen.

"Siegfrieds Grab" - land-art von Eichfelder
Foto: Rudolf Uhrig

Der Wormser Künstler Eichfelder, dem ich viele der hier gezeigten Bilder verdanke, hat vor wenigen Jahren die Erinnerung an dieses Grab als Kunstwerk wieder erlebbar gemacht.
Eichfelder hält das Vorbild seines Denkmals für ein prähistorisches Hügelgrab das später mit Siegfried in Verbindung gebracht wurde.

Ganz in der Nähe dieses neuen Siegfriedgrabes auf den Torturmplatz wurden auf 70 Ronden eingravierten Text der Handschrift C des Epos 7 Meter tief unter die Erde versenkt. Nach Arnulf Kienast, der mit Horst Rettig zusammen dieses Werk geschaffen hat, ist es ein stilles Denkmal, das in der Tiefe auf den mystischen Urgrund des Epos hinweist. Auf der Abdeckplatte ermahnen die von mir eingangs zitierten Verse des Nibelungenliedes zum Frieden, lateinisch PAX.

Das Nibelungenlied-Denkmal von Horst Rettig und Arnulf Kienast

Die oben bei Kranzbühler erwähnte Lanze Siegfrieds ist offenbar dem Stadtbrand von 1689 zum Opfer gefallen, doch der Stein Siegfrieds ist heute noch vorhanden. Er wird erstmals 1611 vom Domvikar Helwig erwähnt: Siegfried habe seine Lanze in das Loch des Steines gesteckt und ihn so über den Dom geworfen.
Nach einer anderen Sage, dem Rheinischen Antiquarius, hat ein Riese diesen Stein sogar vom Rosengarten über den Rhein neben den Dom geschleudert, was ja unglaublich ist. Aber was ist das für ein Stein? Hatte er etwa kultische Bedeutung, wie vermutet wurde?

.....

Vor etwa hundert Jahren fand der oben genannte Eugen Kranzbühler die zutreffende Erklärung: Es handelt sich um das Gewicht einer früher gebräuchlichen Baumkelter, von der im Speyerer Museum der Pfalz noch ein Exemplar zu sehen ist. Hier in Worms war die Zweckbestimmung des Steines vergessen und umgedeutet worden.

.....

Fragen wir uns alle: Ist der Siegfriedstein das älteste Wormser Nibelungendenkmal? Der Stein wird zwar schon seit fast 400 Jahren mit Siegfried in Verbindung gebracht, aber das Nibelungenlied kennt keinen Steinwurf Siegfrieds in Worms. Sagen wir so: der Stein ist ein Siegfrieddenkmal und bezieht sich auf die Sagenwelt im Umfeld des Nibelungenliedes.

"Siegfriedstein" am Dom
Foto: Stadtarchiv Worms

Schlusswort : Meine Damen und Herren, ich hatte in meinem Vortrag nichts Neues zu berichten, über alles ist schon geschrieben worden. Aber vielleicht erging es Ihnen so wie mir: es gab und gibt doch mehr Nibelungendenkmäler in Worms als ich zunächst dachte.
Worms darf und sollte auf seine zentrale Rolle im wohl bedeutendsten Epos des Mittelalters stolz sein. Ich danke Ihnen für Ihr geduldiges Zuhören.