Magische Elemente
und Begegnungen mit Anderswelten
im Nibelungenlied


von Petra Riha



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Arthur Rackham, Drachenkampf, 1911 ..

 

Das Nibelungenlied verbindet die Sage von Siegfried dem Drachentöter mit dem Untergang der Burgunden und führt in die Zeit der Völkerwanderung zurück, in die heroische Zeit der Reichsgründungen der Germanen.
Die Erinnerung an die Helden dieser politisch umwälzenden Epoche verbunden mit der Verehrung der alten Götter brachten unsere Vorfahren in Liedern zum Ausdruck, die mündlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurden.
Ihre Erzählungen sind also im wahrsten Sinne des Wortes Sagen (= Gesprochenes).
Die zahlreichen, auch nichtliterarischen Zeugnisse der folgenden Jahrhunderte bestätigen die Bekanntheit des Nibelungenmythos und legen die Vermutung nahe, dass sich schon damals ein kollektives Nibelungengedächtnis bildete.
Sowohl in Skandinavien als auch in Deutschland existierte eine mündlich weitergegebene Variante der Sage, die sich aber im Laufe der Zeit unablässig veränderte.
Zum literarischen Durchbruch gelangte der Nibelungenstoff im 13. Jahrhundert, als ein uns unbekannter Dichter die allseits beliebte und bekannte Sage neu gestaltete und dabei auf andere ausgearbeitete Versionen zurückgriff, insbesondere auf die im Norden überlieferten nibelungischen Geschichten, die ältere und teilweise barbarischere Motive bewahrt haben.
Diese skandinavischen Sagenvarianten wurden kurz nach der Verschriftlichung des Nibelungenliedes in zwei umfangreichen Texten, der Lieder- und der Prosaedda, veröffentlicht. In diesen Schriften verschmelzen vor dem Hintergrund weitverflochtener Verwandschaftsbeziehungen zwischen Menschen und Göttern Erzählungen der mythischen Urzeit mit Prophezeiungen über das Ende der Welt und verbinden sich mit frühmittelalterlichen Heldenliedern.
Weitere Ausarbeitungen entstehen nach 1250 in Island (Völsungensaga) und in Norwegen (Thidreksaga), in denen die Taten Sigurds im Mittelpukt stehen.
Die mythischen Züge der Nibelungensage sind im Epos allenfalls verwischt zu erkennen. Magisches ist im Text des Nibelungenliedes vorhanden, wird aber relativ knapp beschrieben. Das Nibelungenlied spielt überwiegend in der höfisch-feudal geprägten Welt seiner Entstehungszeit, doch gibt es Räume, die außerhalb der gesellschaftlich-politischen Ordnung liegen und Vorgänge, die sich deren Gesetzen entziehen. Dazu gehören unheilverkündende Träume, Siegfrieds Jugendabenteuer, Nibelungenland und Isenstein, die Werbung um Brünhild, die Bahrprobe als Gottesurteil und Hagens Begegnung mit den Wasserfrauen. Ferner treffen wir im Nibelungenlied Riesen und Zwerge, einen Drachen und wir finden magische Gegenstände wie den Hort, die Tarnkappe, eine kleine goldene Rute und ein geheimnisvolles Schwert.
Untrennbar mit diesen Requisiten und Handlungen verbunden sind drei Personen mit mythischer Dimension: Siegfried, Brünhild und Hagen haben ihre Wurzeln in der germanischen Mythologie.

Siegfried


„Man mohte michel wunder von Sîfride sagen,
waz êren an im wüehse und wie scoene was sîn lîp“

„…man konnte Erstaunlichstes über Siegfried erzählen,
wie seine Ehre wuchs und wie schön er war.“

Siegfried wächst als Sohn des Königspaares Siegmund und Sieglinde am Hof in Xanten auf. Er entspricht voll und ganz dem Bild eines musterhaften Prinzen, der seine Eltern ehrt, seinen Kampfesmut auf vielerlei Reisen unter Beweis stellt und sich Frauen gegenüber höfisch-ritterlich zu benehmen weiß.
Als die Kunde von Kriemhilds Schönheit nach Xanten dringt, beschließt er um sie zu werben und bricht ins Burgundenland auf, wo ihn aber niemand kennt. Nur Hagen, der Berater der burgundischen Könige, ist sicher, dass Siegfried vor ihnen steht. Gesehen hat er ihn nach eigener Aussage zwar noch nicht, aber er weiß Erstaunliches über ihn zu erzählen. Siegfrieds Heldentaten werden im Epos nur beiläufig erwähnt und tauchen nur durch die folgende Erzählung durch Hagen auf.
Sein Bericht in der dritten Aventiure eröffnet die mythischen Dimensionen der Siegfriedfigur, denn er entführt die Zuhörer vom höfischen Zeremoniell des burgundischen Hofes in eine Anderswelt – ins Nibelungenland. Wir erfahren wie Siegfried von den Nibelungenkönigen Schilbung und Nibelung gebeten wurde, einen riesigen Schatz gerecht zu teilen, dafür als Belohnung das Schwert Balmung erhielt, nach dem erfolglosen Teilungsversuch nicht nur die Könige erschlug, sondern noch zwölf Männer, stark wie Riesen, und 700 Männer aus dem Nibelungenland dazu. Anschließend entriß er dem Zwerg Alberich, der sich ihm entgegenstellte, eine Tarnkappe und wurde damit endgültig zum Besitzer des Nibelungenschatzes.
Im Text des Nibelungenliedes wird allgemein mit ortsangaben nicht gespart, doch wo das Nibelungenland liegt und wie Siegfried dorthinkommt, erfahren wir zunächst nicht. Nibelungenland ist Anderswelt, in der es keine raumzeitliche Ordnung und keine miteinander verknüpften Handlungsabläufe gibt. Ein wenig erinnert es an Niflheim – Nebelheim – den ersten Bereich des altgermanischen Universums, das im Norden liegt, wo Kälte und Todesdunkel herrschen.
Die mythischen Wesen, die es bevölkern, bleiben trotz ihrer Stärke und Kampfkraft dort eingeschlossen, zum militärischen Gefolge, das Siegfried nach Worms mitbringt, zählen sie jedenfalls nicht. Riesen, Zwerge, Drachen und die von ihnen bewachten Zauberdinge sind mythologische Motive der germanischen Frühzeit, die im Nibelungenlied nur in dieser Anderswelt leben können.
Schließlich weiß Hagen noch beiläufig von einem Kampf mit einem Drachen zu berichten, in dessen Blut der Held badete, was ihm Unverwundbarkeit bescherte. Horterwerb und Drachenkampf werden als zwei getrennte Geschichten erzählt; wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, bleibt im Nibelungenlied unklar, da es für den weiteren Handlungsverlauf nicht von Bedeutung ist.
Der Siegfried des Nibelungenliedes heißt in den nordischen Sagenfassungen Sigurd und entstammt einem edlen Geschlecht, die Wölsungensaga kennt ihn als Nachkomme Odins. Seine Biografie wird in den einzelnen Dichtungen unterschiedlich gestaltet und erscheint recht widersprüchlich.
Die Weissagung des Grìpìr aus einem Eddalied nimmt seine Zukunft voraus: „Früher Tod, aber der höchste Ruhm sind ihm vom Schicksal beschieden.“
Fast alle Sagenversionen loben seine Schönheit und seine Stärke und rücken ihn als mythischen Helden in die Nähe der Götter. Die Forschung verglich ihn mit dem Lichtgott Balder, der von Loki mit einem Mistelzweig getötet wurde, oder mit Thor, dem Sohn Odins, der die Mitgardschlange bezwang. Tatsächlich ähneln die Drachen der nordischen Mythologie auf frühen Bildzeugnissen oft einer Schlange und hießen bei den Germanen Lindwürmer; der Vergleich mit Thor wäre demnach nicht allzu weit hergeholt. Da der Drache das Chaos symbolisiert, stellt der Held in seiner Eigenschaft als Drachentöter die kulturelle Ordnung wieder her. Drachenkämpfe stehen stellvertretend auch für den Kampf des Guten gegen das Böse und wurden oft als Metapher für einen wichtigen historischen Sieg verwendet. Diese Spur weiterverfolgend fand man auf der Suche nach historischen Vorbildern der Siegfriedfigur nicht nur Übereinstimmungen mit dem merowingischen König Sigibert I., sondern auch mit dem Cheruskerfürsten Arminius, der in der Varusschlacht im Jahre
9 n. Chr. drei römische Legionen vernichtete und schon damals als „Befreier Germaniens“ besungen wurde.
Ob sich eine historische Figur hinter Siegfried verbirgt und um wen es sich dabei handelt, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. An der Siegfriedfigur lässt sich am deutlichsten festmachen, dass in den alten Liedern an die Huldigung der Götter und deren übermenschlicher Kräfte die Verehrung wahrscheinlich mehrerer realer Helden angelagert wurde.
Die Handschrift B nennt Siegried nach dem Horterwerb „ein vil vreisliche man“, einen schrecklichen Mann, und Hagen gibt den Rat, den Recken so freundlich als möglich zu empfangen, um sich nicht dessen Feindschaft zuzuziehen. Ein kluges Wort, denn Siegfried besitzt nach diesem beispiellosen Kampf den Nibelungenschatz, den Inbegriff irdischer Allmacht.

Der Hort


Im Nibelungenhort verbindet sich die mit dem Besitz von Gold einhergehende wirtschaftliche und politische Macht mit den magischen Fähigkeiten der zum Schatz gehörenden Wunderdinge.
In der Sage ist es der Gott Loki, der dem Zwerg Andwari den Schatz stiehlt und von ihm sogleich mit einem Fluch belegt wird.
Zentrales Element von Andwaris Schatz ist ein Ring (Andwaranaut), der den Reichtum immer wieder erneuert und jedem Besitzer den Tod bringt.
Die Gier nach Gold wurde also von den Göttern der Urzeit auf die Welt gebracht und gehört damit zu jenen Mächten, denen der Mensch sich nicht widersetzen kann, weil sie stärker sind als das Individuum.
Die mythische Geschichte des Schatzes wird im Nibelungenlied verschwiegen, es kennt keinen fluchbeladenen Hort, nur gold-und machtgierige Menschen.
Für Siegfried bildet der Schatz die Basis seines Heldentums, Hagen sieht in ihm ein Mittel zur Durchsetzung von Macht und lässt ihn nach Siegfrieds Ermordung nach Worms bringen, wo ihn Kriemhild als Instrument der Rache nutzt und sich militärische Unterstützung erkauft. Hagen erkennt wie gefährlich das Gold in ihren Händen ist und versenkt den Hort im Rhein. Das von Kriemhild inszenierte Untergangsszenario am Etzelhof geht nicht zuletzt auf die Tatsache zurück, dass Hagen ihr mit dem Gold gleichzeitig die Möglichkeit zur Rache nahm. Als er sich weigert, ihr das Versteck zu verraten, schlägt sie ihm den Kopf ab.
Die Handlungsträger besitzen zwar einen freien Willen , aber entscheiden sich so, dass sie das ihnen vorgegebene Schicksal erfüllen. Im Epos sind alle Besitzer des Schatzes – von den Nibelungenkönigen über Siegfried, Kriemhild und Hagen - dem Untergang geweiht und letztendlich doch an den Fluch gekettet.
Anders als im Nibelungenlied, wo Siegfried den Schatz den Nibelungenkönigen stiehlt, muß Sigurd in der Edda auf der Gnitaheide den Drachen Fafnir töten, um das Gold an sich zu bringen. Anschließend bringt er die Beute auf dem Rücken seines Pferdes Grani weg.
Den Bekanntheitsgrad dieses mythischen Schatzes würdigt Snorri, in dem er nicht nur die Geschichte erzählt, sondern angehenden Dichter für das Wort Gold folgende Umschreibungen empfiehlt: Fafnirs Bett, Fafnirs Erbe, Gnitaheides Staub und Granis Bürde.
Auch in der historischen Realität spielten Schätze eine wichtige Rolle, denn Reichtum bedeutete Macht. Entsprechend der mittelhochdeutschen Bedeutung des Wortes
„hort“ – „verbergen“ wurden sie oft versteckt. Schon Ende des 10. Jahrhunderts kannte man in Skandinavien Geschichten von Schätzen, die im Rhein versenkt wurden.
Reales Vorbild könnten die in den Wirren der Völkerwanderungszeit von Germanen erbeuteten Römerschätze sein, die ihnen auf dem Rückweg wieder abgejagt wurden und im Rhein verloren gingen. Angeblich besaß auch das vermutliche historische Vorbild Siegfrieds, Sigibert I., einen Schatz, der nach seiner Ermordung von einem Lehnsmann unterschlagen wurde.
Der Hort des Nibelungenliedes befindet sich in einem nicht näher spezifizierten „holen berge“, in einer Höhle in einem Berg. „Er bestand nur aus Edelsteinen und Gold; und selbst wenn man allen Menschen etwas davon abgegeben hätte, wäre sein Wert um keine einzige Mark verringert worden. Nicht ohne Grund hatte Hagen ihn haben wollen.“
Die Handschrift C berichtet zusätzlich von einem außergewöhnlichen Bestandteil des Schatzes:
„der wunsch der lac dar under, von golde ein rütelin“
„bei dem Schatz lag auch ein begehrenswertes Kleinod: eine kleine goldene Rute. Wer sie zu benutzen verstand, der konnte wohl auf der ganzen Welt Meister über alle Menschen werden.“
…wer sie zu benutzen verstand. Wir wissen, dass es keinem Besitzer des Schatzes gelang die Weltherrschaft zu erlangen.
Weder Siegfried noch Kriemhild noch Hagen konnten das magische Potential des Rütelin erkennen. Im Text wird nicht weiter auf ihre Bedeutung eingegangen. Eine Entleihung aus der Edda, denken wir an Thors Zauberstab Gridvöller, ist unwahrscheinlich, denn er war aus Mehrbeerenholz (Ebereschenholz) geschnitzt.
Die Forschung interpretierte die Rute unter anderem als Zeichen der Strafgewalt. Als Herrschaftszeichen fände sie ihre Analogie im Reichsszepter der staufischen Könige.
Eine metaphysische Deutung würde im Rütelin die materielle Manifestation der mythischen Möglichkeiten des Nibelungenschatzes sehen. Anders ausgedrückt: Sinnvoll genutzt, hätte man mit dem vielen Gold auch etwas anderes machen können.
Dieser Deutung entsprechend wäre das Rütelin dann ein Füllhorn, das mythologische Symbol des Glücks, das für Fruchtbarkeit, Reichtum und Überfluß steht.
Im Nibelungenmuseum begegnet uns das Rütelin als überdimensionaler Zauberstab und ermöglicht als 17 meter hohe Bildkomposition einen Einblick in die Welt der Nibelungen.

Balmung


„außerdem hatte er Balmung bei sich, ein kunstvolles großes Schwert, das stark und scharf war“ / „auf dem Knauf leuchtete ein strahlender Jaspis, grün wie Gras“

Siegfrieds Schwert Balmung ist Bestandteil des Nibelungenschatzes. Obwohl es nicht mit Zauberkraft ausgestattet ist, spielt es eine zentrale Rolle.
Siegfried erschlägt damit die Nibelungenkönige und sichert sich den Hort und die Herrschaft im Nibelungenland. Nach seinem Tod nimmt es Hagen an sich, der es Kriemhild am Etzelhof mit grausamer Provokation zeigt. Das Schwert ist das einzige, was Kriemhild nach Siegfrieds Tod aus dessen Besitz wiedererlangt.
Nach blutigem Gemetzel enthauptet Kriemhild mit Balmung den gefesselten Hagen.
Man verglich Balmung mit dem Schwert des Äneas, das ebenfalls mit einem Jaspis geschmückt war oder mit dem Schwert des Arminius; in beiden Fällen wäre es ein Symbol der Freiheit.
Im Nibelungenlied erscheint das Schwert aber als Symbol der gewaltsamen Ausübung von Macht.
Obwohl sie nicht zu den gebräuchlichsten Kriegswaffen zählten, waren Schwerter Superwaffen mit einem einzigen Verwendungszweck: Menschen gewalttätig umzubringen oder zu verletzen.
In einem Dankesbrief an Thrasamund, den König der Vandalen, lobt der Ostgotenkönig Theoderich der Große, der als Dietrich von Bern in die Sage einging, die ihm überreichten Schwerter und betont, dass er sie mehr ihres Eisens als wegen ihres Goldes darauf schätzt.
Wir können uns heute wahrscheinlich nur schwer vorstellen, welchen Eindruck in der damaligen Zeit ein gutes Stahlschwert machte und was die Zeitgenossen dann für Wunderdinge darüber erzählten. Diese Geschichten bildeten die Grundlage der mythischen Überhöhung dieser Waffe und fanden Eingang in die verschiedensten Sagenkreise.
Ein magisches Schwert zu schmieden war relativ einfach, denn Schmieden an sich galt in früherer Zeit oft als Magie. Das lag daran, dass die alten Metallurgen (Schmiede) keine Ahnung hatten welche Vorgänge in ihrer Schmiede abliefen und was im physikalischen System Eisen-Kohlenstoff alles möglich ist.
Sie dachten, dass sie das Eisen im „heiligen Feuer“ reinigten.
Da diverse Verunreinigungen das Ergebnis beeinflussten, war ein gutes Schwert zu schmieden oft ein Zufallstreffer; wo natürliche Erklärungen fehlten, griff man dann schnell zum Wort Magie.
Selbst als die handwerklichen Vorgänge einigermaßen bekannt waren, hütete man die Vorgehensweise wie einen Schatz, denn einer Waffe mysteriöser Herkunft ließen sich außerordentliche Fähigkeiten andichten, die den Kaufpreis und das Ansehen des meist herrscherlichen Trägers enorm erhöhte.
Die Schmiede als Schöpfer solcher metallurgischen Spitzenprodukte fanden als Träger magischer Geheimnisse Eingang in die verschiedensten Sagenkreise.
Die germanische Wielandsage erläutert beiläufig metallurgisches Fachwissen und erklärt wie aus Eisen Stahl gewonnen werden kann: Wieland verfütterte die Späne einer Schwertklinge an Gänse, schmolz aus dem eingesammelten Kot das Eisen heraus, um daraus erneut eine Klinge zu schmieden. Diesen Vorgang wiederholte er dreimal und schuf ein Schwert aus nitriertem Stahl, das seinesgleichen suchte:
Mimung. Weitere berühmte Sagenschwerter sind „Eckesachs“ und „Nagelring“, die Schwerter Dietrichs von Bern, „Rose“, das Schwert Wolfdietrichs und natürlich das berühmteste aller Sagenschwerter: König Arthurs „Excalibur“.
Mythisches Vorbild von Balmung ist Gram (Grimm), das Schwert Sigurds in der nordischen Mythologie.
Die Sage berichtet, dass Odin höchstpersönlich in der Halle von Sigurds Vater Sigmund ein Schwert in einen Apfelbaum hinein stieß; mit dem Hinweis, nur der, für den es bestimmt sei, könne es herausziehen. Sigmund gelingt es, kann aber nicht verhindern, dass Odin die Klinge wieder zerstört. Vor seinem Tod bestimmt Sigmund, dass die Trümmer des Schwertes für seinen ungeborenen Sohn aufbewahrt werden. Sigurd schmiedet mit Regins Hilfe ein neues Schwert von unglaublicher Schärfe, rächt seinen Vater, erschlägt den Drachen Fafnir und den verräterischen Regin. Er nennt das Schwert Gram (Grimm)
Doch nicht nur in der Sage, sondern auch in der historischen Realität gab ein Held nach altem keltischen Brauch seinem treuen Schwert einen Namen.
Dieses enge Verhältnis zu ihrer Waffe begründet sich in der Zeremonie der Schwertleite, in der sich der Mann mit seinem
Schwert zu einer mythischen Einheit verbindet. Der Übertragungssymbolik der damaligen Zeit folgend ist es letztendlich Siegfried, der Hagen erschlägt.

Die Tarnkappe


„Ich habe erzählen hören, dass eigenartige Zwerge, die in Berghöhlen leben, etwas wunderbares besitzen, um sich zu schützen, es wird Tarnkappe genannt. Wer sie trägt, der soll vollständig sicher sein vor Schlägen und Stichen. Der Träger selbst kann hören und sehen wie er will, aber keiner sieht ihn.“

Bei der Tarnkappe handelt es sich nicht um eine Kopfbedeckung, sondern um einen Mantel oder Umhang, der auch tarnhût (Tarnhaut) genannt wird.
Im Gegensatz zu den anderen Wunderdingen des Nibelungenschatzes verleiht sie seinem Träger eindeutig magische Fähigkeiten. Sie macht unsichtbar und verzwölffacht die Körperkraft. Die Handschrift C schreibt ihr zusätzlich die Gabe des Unverwundbarmachens zu. In erster Linie ist sie aber Mittel zum Betrug.
Siegfried scheut sich nicht, sich in auswegslosen Situationen auf ihre Zauberkraft zu verlassen. Er benutzt den Tarnmantel dreimal und er setzt sie nur ein, um Gunther zu helfen.
Sowohl im Kampf gegen Brünhild bei der Brautwerbung auf Isenstein, als er nach erfolgreichem Kampf Verstärkung aus dem Nibelungenland holt, als auch später bei der verhängnisvollen Hochzeitsnacht in Worms stellt Siegfried seine übermenschlichen heroischen Kräfte inkognito zur Verfügung.
Verwendung findet der Tarnmantel nur im Nibelungenlied.
Die Edda erwähnt zwar den Oegishelm (Schreckenshelm); der macht allerdings seinen Träger nicht unsichtbar, sondern verleiht die Fähigkeit, eine andere, furchterregende Gestalt anzunehmen.
Möglicherweise übernahm der Dichter Motive aus der antiken Mythologie und sah im Helm, den die Zyklopen für den griechischen Unterweltgott Hades anfertigten und der Tarnkappe des Perseus, die er im Kampf gegen Medusa trägt, ein Vorbild für die Tarnhaut des Nibelungenliedes.
Eine letzte Erwähnung findet die Tarnkappe als Kriemhild nach Siegfrieds Tod von Alberich den Schatz einfordert. Der Zwerg beklagt noch einmal der Verlust der magischen Haut mit den wehmütigen Worten: „ di guoten tarnhût, di truoc alle zîte der schoenen Kriemhilde trût.“
„Die gute Tarnhaut, die trug der Mann der schönen Kriemhild stets bei sich.“
Wenn Siegfried die Tarnhaut trug, entzog er sich dem Gegner und sein Gegner war jedes Mal eine Frau: Brünhild, die mythische Königin.

Brünhild


„Ez was ein küneginne gesezzen über sê,
ir gelîche enheine man wesse ninder mê.
diu was unmâzen schoene, vil michel was ir kraft.“

„Es lebte eine Königin jenseits des Meeres,
keine kannte man auf der Welt, die ihr glich.
Sie war betörend schön, sehr groß war ihre Kraft.“

Was muß das für eine Frau sein! Reich, stark und schön. Der Hof in Isenstein steht an höfischer Prachtentfaltung den Burgen in Worms und Xanten in nichts nach, dennoch lebt Brünhild in einer fremden Welt. Isenstein liegt in der Nähe des Nibelungenlandes und ist mit der Anderswelt verwandt. Darauf deutet die Bezeichnung ‚über sê’ hin, denn das Meer gilt oft als Schwellenwelt zwischen verschiedenen Machtbereichen.
Geschildert werden nicht nur Brünhilds atemberaubende Schönheit, sondern auch ihre übermenschliche Stärke, z.B. können nur drei Kämpfer gemeinsam ihren Schild tragen.
Ihr Name bedeutet: “die in einer Brünne gekleidet kämpft“.
Selbst Hagen stellt resigniert fest: „Was nun König Gunther?
Unser Leben werden wir hier verlieren! Die Frau, die ihr lieben wollt, ist des Teufels Weib.“
Ein grässliches – vreisliches Weib! Durch die Bezeichnung ‚vreisliche’ steht sie Siegfried nahe, doch im Gegensatz zu ihm erfahren wir nichts aus ihrer Vergangenheit.
In den nordischen Sagen ist Brünhild eine von Odin in einen tiefen Schlaf versetzte Walküre, die auf dem von einem Flammenring umgebenen Hindinfelsen ruht und von Sigurd erweckt wird. Mit seinem Schwert Gram schneidet er ihr die Brünne vom Leib. In einigen Fassungen kommt es zur Verlobung und zur Zeugung einer Tochter mit Namen Aslaug. Am Hof der Niflungen verabreicht man Sigurd einen Zaubertrank, der ihn Brünhild vergessen und Gudrun heiraten lässt. Wenig später unterstützt er Gudruns Bruder Gunnar durch einen Gestalttausch mit Hilfe des Oegishelms bei der Werbung um Brünhild. Um die Ehe nicht stellvertretend vollziehen zu müssen, legt er nachts sein Schwert zwischen sich und die Walküre. Als Morgengabe überreicht er ihr Andwaranaut, den Ring aus dem Schatz des Zwergen Andwari.
Der Dichter der Prosaedda bindet somit Sigurd und Brynhild in die Geschichte über das von Urzeiten an verfluchte Gold ein, das jedem, der es besitzt den Tod bringt. Wie im Nibelungenlied erfährt Brünhild von dem an ihr begangenen Betrug und fordert Rache. Nach Sigurds Tod ersticht sie sich und wird mit ihm verbrannt.
Daß Siegfried Brünhild persönlich kenne oder eine Liebesbeziehung mit ihr gehabt habe, wird im Nibelungenlied weder bestätigt noch geleugnet. Man muß davon ausgehen, dass der Dichter das Wissen um diese Vorgeschichte bei seinem Publikum voraussetzte. Und das erwartet nun mit Spannung den Bericht über die Ereignisse auf Isenstein: ein Mann zwischen zwei Frauen!
Im Text weist Siegfried mehrmals darauf hin, dass er Brünhild und ihre gefährlichen Bräuche kennt und rät deshalb von der Reise ab. Die Interpretation von Hagens Bemerkung „dass Siegfried über Brünhild gut Bescheid wisse“ bleibt den Zuhörern überlassen. Schon während der Vorbereitungen zur Reise nach Isenstein vollzieht sich Siegfrieds Wandlung zum Repräsentanten einer heroischen Welt, er führt von nun an Regie, Hagen tritt in die zweite Reihe zurück. Bereitwillig übernimmt Siegfried das Amt des Schiffsmeisters, da nur er die „rechten Wege kennt“. Er packt den Tarnmantel ein, denn er ist sich sicher, dass Brünhild nur durch die Anwendung einer List zu besiegen ist.
Als einziger weiß er sich in Isenstein zurechtzufinden und als einziger kennt er die Gesetze dieser halb-höfischen, halb-mythischen Welt: Zauber kann nur mit Magie besiegt werden.
Für die nun folgenden Kampfspiele gibt es keine Entsprechungen in den nordischen Sagenfassungen, sie finden nur im Nibelungenlied statt.
Der Dichter lässt keinen Zweifel daran, dass Brünhild nur durch den betrügerischen Einsatz der Tarnkappe erobert werden konnte: „ Daß er beim Springen noch König Gunther trug, war nur durch Zauberkraft möglich.“
Brünhild ist bezwungen und man reist nach Worms zurück.
Dort angekommen stört sie noch einmal den Frieden. Ihre Hochzeitsnacht mit Gunther endet mit einem Desaster, denn sie will sich ihm nur hingeben, wenn sie die volle Wahrheit über ihre Niederlage herausgefunden hat.
„Er aber wollte ihre Liebe erzwingen. Das verletzte die Herrin. Die starke junge Frau griff nach einem Gürtel, einem kräftigen Band, das sie ständig trug. Damit trieb sie dem König seinen Willen aus.“
In der Demonstration der Stärke Brünhilds manifestiert sich noch einmal das Mythische am Wormser Hof und nur der Held mit der mythischen Tarnkappe kann den Kampf gegen Brünhild aufnehmen.
Im Text bekennt sich Siegfried offen zu seinem nur mit Hilfe von Magie ausgeführten Betrug, als er Gunther hilft, die Ehe zu vollziehen: „Ich komme nachts heimlich mit meiner Tarnkappe in deine Kemenate, darauf kannst du dich verlassen. Damit niemand meine Zauberkunst beobachtet, laß die Kämmerer in ihre Schlafräume gehen.“
Unsichtbar ringt Siegfried Brünhild nieder und Gunther kann die Ehe vollziehen. Bevor Siegfried geht, zieht er Brünhild einen Ring vom Finger und entwendet ihren Gürtel.
Der Gürtel selbst ist nicht mit Zauberkraft ausgestattet, sondern nur äußeres Zeichen ihrer Virginität. Brünhilds mythische Stärke ist an ihre Jungfräulichkeit gebunden, nicht an den Gürtel, was durch die Bemerkung in Strophe 690 bestätigt wird: „Durch den Liebesakt verlor sie ihre ganze Kraft.“
Von nun an wird die Brünhildfigur im Nibelungenlied in einen höfischen Kontext gedrängt, von der Wildheit einer kriegerischen Königin ist nichts mehr zu spüren.
Auf die symbolische Bedeutung von Ring und Gürtel wird im Text nicht eingegangen. Im weiteren Handlungsverlauf dienen sie Jahre später als Beweisstücke der mit List und Gewalt erzwungenen Entjungferung Brünhilds. Die Königin von Burgund fordert Vergeltung. Siegfried muß sterben und es gibt nur einen, der die Rache vollziehen kann: Hagen!

Hagen


„Dô reit von Tronege Hagene z’aller vorderôst
er was den Nibelungen ein helflîcher trôst.“

„Da ritt Hagen von Tronje an der Spitze,
er war für die Nibelungen ein sicherer Schutz.“

Im Epos ist Hagen treuer Vasall und Ratgeber der burgundischen Könige und mit der Herrscherfamilie verwandt.
Im zweiten Teil entwickelt er sich zum Gegenspieler Kriemhilds und stirbt schließlich durch ihre Hand.
Das Nibelungenlied schildert ihn als Helden von eindrucksvollem Wuchs, mit breiter Brust, das Haar leicht ergraut, die Beine lang und stark, mit furchtbarem Gesicht und herrischem und stolzem Gang.
Äußerlich erfüllt er das Schönheitsideal eines altgermanischen Kriegers, andererseits wirkt er so abschreckend, dass sich sogar die Frauen vor ihm zurückziehen. Hagen wirkt helden-und schauderhaft zugleich und steht damit im krassen Gegensatz zur Lichtgestalt Siegfried. Neben Kriemhild ist er die einzige Person, die als Teufel bezeichnet wird.
Eine Deutung des Nibelungenthemas als Geschichte der Christianisierung Germaniens sieht in Hagen den alten germanischen Glauben verkörpert, was durch Beschreibungen in anderen Sagenvarianten bestätigt wird. Im Waltharius wird er als einäugig geschildert und rückt damit in die Nähe des obersten nordischen Kriegsgottes Odin, der ein Auge für die Gabe des Sehens opferte. Von der Antike bis ins frühe Mittelalter galt Einäugigkeit als Zeichen besonderer Kriegstüchtigkeit oder außerordentlicher seherischer Fähigkeiten.
Die Thidrekssaga schildert, dass seiner Mutter, als sie trunken war, ein Schwarzalbe beilag, demnach wäre Hagen halb Mensch, halb Albe. Alben sind in der nordischen Mythologie Wesenheiten, die hierarchisch in der Nähe der Asen und Zwerge stehen. Da sie einer älteren Schicht entstammen als Menschen und Götter, bringt man ihnen eine gewisse Verehrung entgegen. Die dämonischen Eigenschaften der Schwarzalben haben sich bis heute in dem Wort „Albtraum“ erhalten.
Hagen zeigt seine dunkle Seite zum ersten Mal als Initiator der Mordintrige gegen Siegfried. Er wählt für die Bluttat einen Ort, der außerhalb der höfischen Sphäre liegt: eine Quelle in einem Wald. An diesem mystischen Ort - Quellen galten in heidnischen Gesellschaften als Tore zur Anderswelt – spricht der tödlich verwundete Siegfried mit seinem letzten Atemzug eine magische Verfluchung aus und verwünscht die Feiglinge und ihr ganzes Geschlecht.
Als man den Toten vor Kriemhilds Gemach findet, bezichtigt sie sofort Hagen der Tat, doch beweisen kann sie es nicht.
Das kann allein die Bahrprobe und die zählt im Nibelungenlied zu den übernatürlichen Handlungen.

Die Bahrprobe


„Jeder der unschuldig ist, der lasse dies sehen: er soll vor allen Leuten zu der Bahre gehen. Dabei wird man die Wahrheit sehr schnell erkennen.
Das ist nämlich ein großes Wunder, das sehr oft auch heute noch geschieht. Wo immer man den Mordbefleckten bei dem Toten sieht, so bluten dessen Wunden, wie es auch da der Fall war. Deshalb sah man, dass die Schuld bei Hagen lag.“

In Strophe 1044 beschreibt der Dichter ein im Mittelalter gelegentlich angewandtes juristisches Verfahren zur Wahrheitsfindung in einem Mordfall: die Bahrprobe.
In Rechtstexten ist sie ab dem 14. Jahrhundert fixiert, ihre Erwähnung im Hartmann von Aues Iwein und im Nibelungenlied belegen jedoch ihren früheren Bekanntheitsgrad.
Bei dieser Methode wurde der Tatverdächtige an die Bahre des Opfers gebracht. Fingen die Wunden des Toten erneut an zu bluten, war die Schuld erwiesen.
Bei der Bahrprobe handelte es sich um eine Art mythische Justiz, deren Grundsätze auf magischen Vorstellungen beruhten. Man dachte, dass der Geist des Verstorbenen vorerst im Körper bleibt und deutete das Blutenlassen als Manifestation des Vergeltungstriebes des Getöteten, der Tote wurde zum eigenen Beweisführer. Eine zweite Auffassung, die sich im Laufe der Zeit durchsetzte, sah in der Bahrprobe ein Gottesurteil, bei dem das Blut des Erschlagenen zu Gott schreit. Da man das menschliche Blut als Träger der Seele angesehen hat, erkannte man im Bahrgericht eine Kundgebung des gerechten göttlichen Willens, der tote Körper war das Instrument des Gottesurteils.
Hagen wird also anhand der wiedereinsetzenden Blutung an Siegfrieds Leichnam als dessen Mörder identifiziert, doch Gunther erkennt das Gottesurteil nicht an: “Hagen hat es nicht getan!“
Nachdem Kriemhild die Rache für das ungesühnte Verbrechen zunächst in die Hand Gottes und ihrer Freunde gelegt hat, stehen ihr nach der Vermählung mit dem mächtigen Hunnenkönig Etzel alle Mittel zur Verfügung, selbst Vergeltung zu üben. Sie lädt die Burgunden an den Etzelhof ein.


Die Weissagung der Wasserfrauen


Schon vor der Abreise der Burgunder verdichten sich die düsteren Vorausdeutungen: Frau Ute träumt, dass alle Vögel des Landes tot wären, doch Hagen misst dem Traum keine Bedeutung bei: „Wer an Träume glaubt, der weiß nicht, worauf es ankommt.“

Als das 13000 Mann starke Heer die mystisch eingefärbte Welt der Donau erreicht, vollzieht sich Hagens Wandlung zum dunklen Helden, zum „dark hero“, dessen mythische Dimensionen nun offen zutage treten. Der Dichter baut den Flussübergang als Motiv für eine Schwellensituation ein und lässt Hagen von nun an heidnisch-heroisch handeln.
Allein und gut bewaffnet macht er sich auf die Suche nach einem Fährmann und begegnet an einer lieblichen Quelle anderweltlichen hellseherischen Nixen, die wie Vögel auf dem Wasser schweben.
Daß die Wasserfrau Winelind Hagen als Aldrians Sohn erkennt und damit auf seine Vergangenheit anspielt, deutet die Nähe zwischen dem Nachfahren der Schwarzalben und den mythischen Wassergeistern an. Auch Hagen öffnet sich dieser
unterschwellig angedeuteten Verbindung. Da er ihre Fähigkeiten kennt, nimmt er ihnen ihre Kleider weg, um sie zu einer Voraussage zu bewegen.
Die Nixen prophezeien ihm, dass alle Helden sterben werden, nur der Kaplan des Königs werde sicher in die Heimat zurückkehren. Der Warnung der Wasserfrau: „ Du solltest umkehren, noch ist es Zeit“ folgt Hagen nicht.
Durch die eigenhändige Ermordung des Fährmannes, der sich weigert die Burgunder überzusetzen und der Übernahme dieser Aufgabe erinnert Hagen an Charon, den düsteren Fährmann der antiken Mythologie, der die Todgeweihten über die Schwelle bringt. In erster Linie folgt er aber altem germanischem Glauben und erkennt in der Donau den Fluß Gjöll als Grenze zwischen dem Totenreich und dem Reich der Lebenden an.
Um letzte Gewissheit über den Wahrheitsgehalt der Weissagung zu erhalten, wirft Hagen den Kaplan in die Fluten der Donau und stößt ihn voller Zorn bis hinab auf den Grund.
Durch die Überprüfung der mythologisch gestützen Information schenkt er den Vorausdeutungen der Wasserfrauen mehr Beachtung als Utes Warntraum am Wormser Hof obwohl beide Prophezeiungen die gleiche Aussage beinhalten. Als der Priester durch Gottes Hilfe das andere Ufer erreicht und damit die Richtigkeit der Voraussage bestätigt, nimmt Hagen die Weissagung als unausweichliches Schicksal an und zerstört das Schiff.
Die am Etzelhof einsetzenden Kämpfe stellen jede höfische Ordnung auf den Kopf und enden in einem Blutrausch. Bevor alle Burgunder/Nibelungen den Tod finden, führt der Dichter symbolisch Feuer und Blut als Ausdruck der eskalierenden Gewalt zusammen und läßt Kriemhild den Saal mit 600 eingeschlossenen Burgundern anzünden. Durch Hagens barbarische Aufforderung, den Durst mit dem Blut der Getöteten zu löschen, gewannen „viele von ihnen große Stärke“.
Diese Darstellung erinnert an die Wein-Blut-Metaphorik der christlichen Eucharistie – oder an das alte magische Ritual, daß man durch das Bluttrinken die seelische Kraft eines Menschen gewinnen könne.


 

Literatur

 



Das Nibelungenlied
, mittelhochdeutsch-neuhochdeutsch, nach der Handschrift C
übersetzt von Ursula Schulze

Das Nibelungenlied, mittelhochdeutsch, nach der St.Galler Handschrift
heraugegeben und erläutert von Hermann Reichert

Nibelungenlied, Epoche - Werk - Wirkung
von Otfried Ehrismann

Einführung in das Nibelungenlied
von Nine R. Miedema

Das Nibelungenlied
Spielregeln für den Untergang – Die Welt des Nibelungenliedes
von Jan-Dirk Müller

Der Schatz der Nibelungen
von Jörg Oberste

Die Edda, Germanische Göttersagen aus erster Hand
herausgegeben und kommentiert von Walter Hansen