Der Ritter
im Tigerfell


Das georgische Nationalepos
und die Nibelungen

von Rainer Schöffl

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Miniatur, georgische Handschrift S-5006, UNESCO..

Abstract
‘Der Ritter im Tigerfell‘ (‘RIT‘) und das Nibelungenlied sind zur selben Zeit entstanden, nämlich um 1200. Dies gibt Anlass zur Frage nach Parallelen zwischen beiden Epen. Nach einer Einführung in den Inhalt des georgischen Epos folgen die Entstehungsgeschichte höfischer mittelalterlicher Epik und des ‘RIT‘ sowie dessen Aufstieg zum Nationalepos Georgiens. Ein allgemeiner Vergleich mit der mittelalterlichen Ritterepik Westeuropas leitet über zum Nibelungenlied und dessen Parallelen zum ‘Ritter im Tigerfell‘.

Einleitung
Warum wurde gerade das in Deutschland kaum bekannte georgische Nationalepos für eine Vergleichsstudie gewählt und nicht eines der ebenfalls weniger bekannten europäischen Nationalepen wie „El Candar de Mío Cid“ aus Spanien (Anfang 13. Jahrhundert) oder das russische „Igorlied“ (Ende 12. Jahrhundert)?
Die Antwort darauf lautet: Der ‘RIT‘ entstand in einem uns mehr oder weniger unbekannten Kulturkreis und stellt eine Poesie dar, in der sich unsere mittelalterliche Heldenepik wiederfindet und nicht, wie zu erwarten wäre, arabische, persische oder indische Poesie. Angesichts dieses Umstands drängt es sich geradezu auf, eine Analyse des ‘RIT‘ mit Blick auf die höfischen Ritterepen  um 1200 zu wagen. Neukomm (1974: 455) stellt mit Recht fest: „Das Epos ist dem Kenner der Weltliteratur im Westen wie unter einer Tarnkappe versteckt geblieben und hat […] den ihm gebührenden Rang bis heute nicht angenommen.“ Etwas Abhilfe soll jetzt die vorliegende Arbeit schaffen. Und es gibt noch einen weiteren, eher zufälligen Grund: Das Jahr 2016 fällt mit dem 800. Todesjahr von Shota Rustaveli (etwa 1172-1216), dem Dichter des ‘RIT‘, zusammen.
Shota Rustaveli war höchstwahrscheinlich Beamter am Hofe Königin Tamars, unter deren Regentschaft das „Goldene Zeitalter“ Georgiens erblühte, wie es sich in der Rückschau darstellt. Der ‘RIT‘ wurde um 1200 niedergeschrieben, und man nimmt an, dass Königin Tamar selbst den Auftrag dazu gab. (vgl. Mirianashvili 1999: 165)
Seit 1889 wurde der ‘RIT‘ mehrfach ins Deutsche übersetzt, wobei das Epos die unterschiedlichsten Titel bekam:

•          Der Mann im Tigerfelle
•          Der Recke im Tigerfell
•          Der Ritter im Tigerfell
•          Der Mann im Pantherfell
•          Der Ritter im Pantherfell

Daneben kursieren in der Literatur noch weitere Varianten des Titels.
In englischen Beiträgen, insbesondere solchen, die in Georgien entstanden sind, wird überwiegend der Titel “The Man in the Panther’s Skin“, kurz „MPS“,  verwendet. Wie kommt es also zu einer solchen Vielfalt von deutschen Titeln? Das georgische Original kennt nur einen Titel, nämlich ვეფხისტყაოსანი (transkribiert Wephchistqaosani, wissenschaftliche Transliteration Vepkhis t'q'aosani), was wörtlich „Der mit einem Panther- (oder Tiger-)fell Angetane“ bedeutet. „Ob unter „Wephchi “ ein Panther oder ein Tiger zu verstehen sei, ist heute noch eine strittige Frage der Gelehrten.“ (Neukomm 1974: 462) In Tadschikistan bezeichnet der Volksmund noch heute den Schnee-Leoparden, also einen Panther, als „Tiger“. Und ob man „Recke“, „Mann“ oder „Ritter“ schreibt, bleibt eine Frage des Geschmackes. Hier wurde „Ritter“ gewählt, weil es um einen Vergleich mit den mittelalterlichen Ritterepen geht.
Derzeit gibt es sechs deutsche Übersetzungen nachfolgender Autoren sowie zwei Nacherzählungen:

Hermann Buddensieg
Hugo Huppert
Arthur Leist
Ruth Neukomm
Marie Prittwitz
Michael von Tseretheli

Die deutschen Übersetzer oder Herausgeber waren nicht alle des Georgischen mächtig. Zwei legten russische Übersetzungen zu Grunde, einer eine ältere deutsche. Es kann deshalb nicht verwundern, dass die Strophenform von Autor zu Autor variiert, nämlich von wörtlicher Übersetzung über endgereimte Strophen (was dem Original am Nächsten kommt) bis zu Hexametern und schließlich zu reiner Prosa. Neukomm (1974: 476f) begründet ihre Wahl der Prosa wie folgt:

 […] entscheidend aber war die Tatsache, dass die Strukturen des Georgischen und des Deutschen so grundverschieden sind, dass es nur schwerlich gelingen wird, Musikalität und Rhythmus von Rustavelis Versen wiederzugeben und dazu mit einer nur annähernd genauen Wiedergabe des Inhalts in Einklang zu bringen. Vieles, was im Georgischen mit einem Wort gesagt werden kann, muss z.B. im Deutschen recht häufig in mehrere Worte aufgelöst werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass uns Deutschen eine blumige Sprache nicht gegeben ist und dass somit der  ‘RIT‘ in deutscher Übersetzung auf uns manchmal befremdlich wirkt.
Nicht nur die Strophenform unterscheidet sich bei den einzelnen deutschen Ausgaben, sondern auch deren Textumfang. Mehrheitlich setzt sich der Inhalt aus einem Prolog, dem Text und einem Epilog zusammen. Die Anzahl der Kapitel schwankt zwischen 46 und 64, die der Strophen zwischen 1230 und 1671.
Die jetzt folgende Kurzfassung des Inhaltes vom ‘RIT‘ soll eine Vorstellung geben, was sich hinter dem Epos mit dem unklaren Titel verbirgt. Die Grundlage bildet ein Text von Mirianashvili et al. (1999: 169-173) mit Ergänzungen aus anderen deutschen Übersetzungen, deren Inhalte sich nur wenig voneinander unterscheiden.  


Der Ritter im Tigerfell (Kurzfassung)
Die Geschichte beginnt im Königreich Arabien. Dessen König Rostewan lässt seine Tochter Tinatin als Mitregentin und spätere Königin einsetzen. In Liebe verehrt wird sie von dem jungen Helden Awtandil. Während einer Jagd wird König Rostewan schwer gekränkt, weil ein in ein Tigerfell gekleideter, unbekannter Ritter, der offenbar aus tiefer Traurigkeit aufgeschreckt wird, zwölf Knappen aus dem königlichen Gefolge erschlägt und einfach verschwindet. Tinatin bittet daraufhin Awtandil den geheimnisvollen Ritter zu suchen. Als Lohn verspricht sie ihm ihre Liebe.
Nach langer Suche findet Awtandil den Fremden, der in einer Waldwildnis lebt. Es kommt zum Gespräch zwischen beiden, bei dem der Fremde Awtandil seine Geschichte erzählt:
Der Ritter im Tigerfell ist ein indischer Prinz mit Namen Tariel. Er war einst vom indischen Großkönig Parsadan, der kinderlos war, zum Nachfolger bestimmt worden. Doch Parsadan bekam dann doch noch eine Tochter, die den Namen Nestan-Daredshan erhielt und fern vom Hofe erzogen wurde. Als Tariel der Prinzessin einmal begegnet, verlieben sich beide rettungslos ineinander. Nestan verlangt von Tariel, die aufständischen Chatajer zu besiegen [mit Chatajern dürften Chinesen gemeint sein, denn in früheren Zeiten wurde in Zentralasien für Nordchina der Name Chatay, auch Catai, verwendet. Im ‘RIT‘ heißt es, geografisch korrekt, „Weit zurückliegt Indiens Grenze.“ (Huppert 1955: Strophe 421) Auch Marco Polo benutzt in seinem Reisebericht aus dem 13. Jahrhundert den Begriff Chatay, d.Verf.]. Wenn er siegen sollte, würden sie dann für immer beisammen sein. Als aber Parsadan seine Tochter mit einem persischen Königssohn verheiraten will, tötet Tariel auf Betreiben Nestans den Freier. Parsadans Schwester veranlasst daraufhin, dass Nestan an einen unbekannten Ort entführt wird. Tariel macht sich in tiefer Verzweiflung auf die Suche nach seiner Geliebten, kann sie aber trotz größter Bemühungen nicht finden.
Von Pridon, dem König von Mulgasansar, dem Tariel aus schwerer Not geholfen und mit dem er sich angefreundet hat, erfährt Tariel, dass Nestan lebt, aber offensichtlich von zwei dunkelhäutigen Männern auf einem über die Meere fahrenden Schiff gefangen gehalten wird. In hemmungsloser und hilfloser Trauer haust seitdem Tariel in einer Höhle in der Wildnis, nur begleitet von Nestans treuer Dienerin Asmat. Diese Höhle, eine Schatzhöhle, hat er einst von Fabelwesen erobert.

Awtandil gelobt Tariel Freundschaft und Hilfe, kehrt aber nach nunmehr fast drei Jahren Abwesenheit zunächst nach Arabien zurück. Er berichtet Tinatin das Geschehene, macht sich dann jedoch gegen den Willen von König Rostewan wieder auf den Weg, um seinem Freund Tariel die versprochene Hilfe zu leisten. Dort angekommen, findet er Tariel aus unglücklicher Liebe dem Wahnsinn nahe. Da Tariel zunächst keine Kraft mehr zur weiteren Suche nach Nestan aufbringen kann, zieht Awtandil allein weiter zu Pridon, der aber keine Neuigkeiten über Nestan hat. Auf seiner weiteren Reise gelangt Awtandil in das „Königreich der Meere“ mit der Hauptstadt Gulanscharo. Dort lernt er Patma [auch: Phatma, Phatman, Patman, d.Verf.], die liebeshungrige Frau eines reichen Kaufmannes, kennen. Er geht auf deren Werbungen ein, weil er ahnt, von ihr Auskunft über Nestans Schicksal erhalten zu können. Als beide beim Liebesspiel von Patmas bisherigem Liebhaber überrascht werden, ermordet ihn Awtandil. Patma aber berichtet Awtandil, dass sie tatsächlich Nestan kenne und sie aus den Händen ihrer Bewacher befreien und anschließend zur Flucht verhelfen konnte, als der „König der Meere“ sie mit seinem Sohn verheiraten wollte. Sie wisse jetzt nur, dass Nestan vom Herrscher des Volkes der Kadshen gefangen gehalten werde. Patma verspricht Awtandil Hilfe. Durch einen schwarzen Diener, der sich unsichtbar machen kann, gelingt es ihr, mit Nestan Kontakt aufzunehmen. Awtandil benachrichtigt Pridon und eilt ohne Umwege zu Tariel in dessen Waldbehausung. In der Schatzhöhle finden sie drei herrliche Rüstungen und Schwerter, die „Eisen wie Wolle zerschnitten“. Damit bewaffnen sich Tariel und Awtandil und nehmen die dritte Ausrüstung für Pridon mit, zu dem sie als Erstes reiten. Pridon stellt ein Heer von 300 Reitern zur Verfügung, und mit diesen gelingt es den drei Freunden, gegen große Übermacht Nestan aus den Händen der Kadshen zu befreien. Auf dem Rückweg treffen sie den „König der Meere“, der mit ihnen sieben Tage lang Hochzeit feiert. Tariel belohnt Patma mit allen bei den Kadshen erbeuteten Schätzen, und dem „König der Meere“ überlässt er das Land der Kadshen als Geschenk. Dann kehren sie in Pridons Reich zurück, wo Tariel und Nestan erneut Hochzeit feiern. Auf ihrer weiteren Reise kommen sie wieder zur Höhle von Tariel. Mit den dort lagernden Schätzen entlohnt Tariel zunächst Pridons Reiter. Den Rest des Schatzes übergibt er seinem Freund Pridon als Dank für dessen große Hilfe. Nach der Rückkehr in Arabien kommt es zur Vermählung von Awtandil mit Tinatin. Anschließend übernimmt Tariel das Königreich Indien als neuer Herrscher, da Parsadan in der Zwischenzeit gestorben ist. Asmat wird für ihre Treue mit einem Fürstentum belohnt.

Soweit der zugegebener Maßen etwas verschachtelte Inhalt des Werkes. Zunächst kann man daraus nicht erkennen, dass es sich mit der westeuropäischen mittelalterlichen Heldenepik vergleichen ließe. Das ändert sich aber mit fortschreitender Analyse des ‘RIT‘.

Interpretation
Es ist einigermaßen schwierig, die Gattung zu bestimmen, der man den ‘RIT‘ zuordnen kann. Dies belegen folgende vier Aussagen:

  • Tevzadze (2013: 1) verortet den ‚RIT‘ irgendwo  zwischen Shahnameh und Rolandslied. [Shahnameh, entstanden um das Jahr 1000, ist das Nationalepos der persisch-sprachigen Welt. Es beinhaltet etwa 60 000  Verse und behandelt die Geschichte Persiens vor der islamischen Eroberung im 7. Jahrhundert, d. Verf.]
  • Die Übersetzerin Marjory Wardrop (1912) nennt ihn in ihrem Buchtitel „romantic epic“.
  • Laut Birkhan (2009: 145)  „könnten die relative Handlungsarmut und die exaltierte, überaus reich entfaltete [….] Gefühlswelt eher dazu verführen, den ‘RIT‘ als Roman anzusehen denn als Epos.“
  • C. M. Bowra (1964: 546f) wiederum vergleicht den ‘RIT‘ mit dem Nibelungenlied, wobei er in beiden Epen keine echten Heldenromane sieht, sondern sie einer, beiden ähnlichen, Übergangsposition vom Epos zum Roman zuordnet.

Da Rustaveli sein Werk in sangbaren, gereimten Strophen abgefasst hat, trifft die Bezeichnung Epos wohl eher zu als Roman. Am besten lässt es sich als romantisches  Ritterepos definieren.
Um den Charakter des Werkes besser verstehen zu können, muss dessen verschachtelte Erzählung zunächst entschlüsselt werden. Als Ergebnis erhält man zwei Erzählungen von ähnlicher oder sogar gleicher Struktur, nämlich zwei Brautwerbungsgeschichten, die geschickt ineinander verflochten sind. Das Schema derartiger Brautwerbungen ist dreiteilig mit Gewinn, Verlust und Wiedergewinnung der Braut. Birkhan (2009: 147) erkennt im ‘RIT‘ eine Rahmenhandlung und eine Binnenhandlung. Er belässt in seiner Analyse aber die verschachtelte Struktur. Deshalb wurde das nachfolgende Zitat hier in zwei streng getrennte Handlungen umgeschichtet.

In der Rahmenhandlung gewinnt Awtandil die Geliebte Tinatin, indem er die Brautwerbergeschichte Tariel aufspürt. Nach seiner drei Jahre dauernden Suche könnte Awtandil nun Tinatin heimführen, doch siegt in ihm die […] mit einem Schwur besiegelte Verpflichtung , Tariel bei der Suche nach dessen Braut zu unterstützen, was ihn erneut in die Ferne treibt und seiner Geliebten sowie dem Brautvater entfremdet. […]  Nachdem seine Hilfe von Erfolg gekrönt war, gewinnt er seine eigene Braut wieder.
In der Binnenhandlung hat Tariel die indische Prinzessin Nestan zumindest ihrem Willen nach errungen, indem er das Volk der Chataier besiegte. Er verliert letztlich aus eigener Schuld  […] und aus politischer Räson […] die Geliebte, die in die Hände von bösen Mächten gerät. So verzehrt sich Tariel in Einöden und Wüsteneien in einer Art tränenreicher Dauertrance. […] Mit Awtandils Hilfe wird Tariel wieder mit seiner Braut vereint.
In beiden Fällen ist die Erringung der Braut mit (Wieder-)Erringung von Herrschaft verbunden (vgl. Birkhan 2009: 147f).

Die Erzählstruktur des ‘RIT‘ gleicht der mittelalterlichen westeuropäischen Heldenepik, insbesondere der Artusepik. Charakteristisch für letztere ist die sog. „Doppelwegstruktur“, die aus zwei Teilen besteht, nämlich
1. Aufstieg des Helden und nachfolgende Krise und
2. Überwindung der Krise und Vergrößerung des Ansehens.
„Erec“ von Hartmann von Aue ist ein klassisches Beispiel hierfür. Im Gegensatz zum dreiteiligen Schema, wie es Birkhan definiert (siehe oben), sind im „Erec“ ‘Gewinn‘ und ‘Verlust‘ (oder ‘Krise‘) zusammengefasst.
Die beiden Brautwerbungsgeschichten des ‘RIT‘ weisen genau dieses Strukturmerkmal auf. Man kann nicht umhin, festzustellen, dass der Erzählstil und die Struktur vom ‘RIT‘ und von den mittelalterlichen Ritterepen Westeuropas nahezu identisch sind.

Irgendwelche direkte Einflüsse sind wohl auszuschließen; stattdessen muss man eine Teilhabe am gleichen mythischen Erzählschatz vermuten sowie die doch ähnlichen sozio-kulturellen Gegebenheiten im damaligen christlichen Georgien des äußersten europäischen Ostens und in den westeuropäischen Ländern der gleichen Zeit annehmen: Beide Regionen befanden sich damals in einem vergleichbaren Entwicklungsstadium […]. (Mirianashvili et al. 1999: 182)

Man muss demnach von zwei parallelen, unabhängigen Entwicklungen ausgehen, die beide auf der Christianisierung und der Entstehung des Feudalwesens beruhen. 

Entstehung höfischer Epik in Georgien und Westeuropa
Die uns hier interessierende georgische Literatur entstand im 5. Jahrhundert. Der Priester und Schriftsteller Jakob Zurtaweli schrieb das Martyrium der Heiligen Schuschanik (= Hl. Susanna, †458)  zwischen 476 und 483 nieder.  Es ist das älteste erhaltene Buch der georgischen Literatur. Man kann somit die Grundlage des georgischen säkularen Epos in christlichen Schriften suchen. Ähnliches gilt für Westeuropa und speziell für Deutschland. Gemäß Wapnewski (1960: 10) ist es die christlich-kirchliche Lehre, auf der die althochdeutsche Literatur fußt. Und Brinkmann (1928:107) ergänzt: „Weitere Untersuchung wird aus Hagiographie und geistlicher Literatur gewiss zahlreiche Belege dafür erbringen können, dass auf diesen Wegen spätantikes Gut unmittelbar ins Mittelalter übergeleitet worden ist.“ Wenn man von christlicher Literatur spricht, dann ist es in diesem Zusammenhang unumgänglich, sich auch die Entstehung des Christentums in den betreffenden Regionen in Erinnerung zu bringen. Georgien gehört neben Armenien zu den ersten Ländern, die das Christentum annahmen. Schon 337 wurde in Georgien, im damaligen Königreich Iberien, das Christentum zur Staatsreligion erhoben (dieses „Iberien“ darf nicht mit Spanien verwechselt werden. Die Namensgleichheit ist wohl zufällig). Bereits im 5. Jahrhundert entstanden georgische Klostergründungen u.a. in Palästina, in Antiochien (heute: Antakya/Türkei) im damaligen Syrien und auf dem Berg Athos, und es gab eine georgische Mönchskolonie im Katharinenkloster auf dem Sinai. Auch im bedeutsamen Kloster Mar Saba (auch: Sabaskloster oder Sabazmida) nahe Bethlehem ließen sich sehr bald nach dessen Gründung georgische Mönche nieder. Dieses Kloster wurde im 8.-11. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Stätten des georgischen Schrifttums. (Fähnrich 1994:  8f) Nicht minder wichtig für die Entwicklung georgischer Literatur waren das Kloster Iviron auf Athos und die Klöster in Antiochien, wo es sogar eine Literaturschule gab. „Die Rolle Georgiens als (Kultur-)Vermittler zwischen der arabisch-muslimischen und der byzantinischen Welt in der Zeit zwischen 655 und 1522 […] wurde besonders durch die zahlreichen georgischen Klöster im Nahen Osten gefördert.“ (Cordoni 2014: 25)  Der georgische König David IV. „Der Erbauer“ gründete während seiner Regierungszeit (1089 – 1125) die zwei Akademien von Gelati und Ikalto. Dort wurden neben dem Wissen der damaligen Zeit (u.a. Geometrie, Arithmetik, Astronomie) auch griechische Philosophie und Neuplatonismus gelehrt. Neben religiöser Literatur (Hagiographie, Hymnologie und Homiletik), die in beiden Akademien übersetzt oder verfasst wurden, entstanden auch zahlreiche Übersetzungen griechischer philosophischer Werke, insbesondere den Neuplatonismus betreffende. Auch Homer wurde im 1. Quartal des 12. Jahrhunderts aus dem Griechischen übersetzt. Eine gekürzte Version war in der alten georgischen Literatur äußerst populär. (vgl. Ingorokva)  Wenn überhaupt Verbindung zur westlichen Literatur bestand, dann auf dem Umweg über Byzanz.
Eine Beeinflussung der georgischen Literatur durch das mittelalterliche Westeuropa kann somit ausgeschlossen werden. Eher war es umgekehrt. Als Beispiel sei hier die buddhistische Legende „Die Weisheit des Balavar“ (Barlaam und Josaphat) genannt, die im 8./9. Jahrhundert ins Georgische unter dem Titel „Balavariani“ übersetzt und dabei dem christlichen Glauben angepasst wurde. Von dieser georgischen Übersetzung stammen nachfolgend die griechische Übersetzung und Übersetzungen in andere europäische Sprachen ab. Barlaam und Josaphat bekam dadurch gewissermaßen „Weltruhm“ und war in der mittelalterlichen, christlichen Welt extrem weit verbreitet. (Eine literaturgeschichtliche Randbemerkung: Als Jacob Hermann Obereit 1755 in der Bibliothek von Schloss Hohenems nach alten Schriften suchte, fand er nicht nur das Nibelungenlied (Handschrift C), sondern auch eine zweite Pergamenthandschrift namens Barlaam und Josaphat).
Soweit Georgien.
Die Christianisierung Westeuropas begann in Rom. Mit Konstantin d. Gr. setzte sich die Akzeptanz des Christentums katholischer Prägung ab 312 im Römischen Reich durch. Der Kaiser tolerierte die Christen, unterstützt die Einheitlichkeit ihrer Lehre und ließ sich schließlich selbst am Totenbett taufen. Ende des 4. Jahrhunderts wurde das Christentum schließlich unter Kaiser Theodosius zur Staatsreligion. Mit der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig um 500 konnte sich der Katholizismus auch in der germanischen Welt verbreiten. Karl der Große vollendete letztlich bis Ende des 8. Jahrhunderts die Christianisierung Westeuropas (vgl. Padberg 2006: 9-16 und 71-89).
Der Christianisierung folgten die Entstehung und Entwicklung der Literatur in Westeuropa. In dieser Anfangszeit waren die Klöster die Zentren der Schriftlichkeit und Literatur, bis im Spätmittelter (etwa ab 1170) die ersten Universitäten gegründet wurden. Die überlieferten Schriften der Antike, wie die Bibel und Liturgien, sowie die theologischen und philosophischen Lehrschriften waren in lateinischer Sprache abgefasst. Auch die griechische Literatur gelangte nur in lateinischer Übersetzung nach Westeuropa im Gegensatz zu Georgien, wo man unmittelbaren Zugriff auf sie hatte. Der Beginn der schriftlichen Aufzeichnung althochdeutscher Literatur fällt in den Zeitraum um 750. Das war vor allem der Tatsache zu verdanken, dass es die Christianisierung germanischer Stämme auf fränkischem Gebiet erforderlich machte, deren Sprache zu sprechen und ihnen die lateinischen Texte verständlich zu machen. Letztendlich verschriftlichte man auch die bis dahin nur oral tradierten germanischen Sagenstoffe (vorstehender Abschnitt gibt im Wesentlichen Texte von Melchior (2006: o. S.)  wieder).
Die höfische Epik in Westeuropa und Georgien verwendet Stilelemente, die ganz offensichtlich aus dem Griechischen übernommen wurden.
 „Die griechische Dichtung liebt es, den Zauber der Schönheit durch Vergleich zu verdeutlichen.[…] Bei Ovid werden die Farben, die Schönheit oder die Frau selbst mit Blumen, Rosen und Lilien verglichen“. (Brinkmann 1928: 106)
 Rustaveli machte von derartigen Vergleichen und von Metaphern ausführlich Gebrauch. Da der ‘RIT‘ großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der georgischen Sprache hatte, ist es nicht ausgeschlossen, dass die blumige georgische Sprache erst durch Rustavelis Werk entstanden ist.

Die Entwicklung hin zu säkularer, höfischer Literatur setzt wiederum die Existenz eines Feudalwesens voraus. Das Feudalsystem mit seinem Lehnswesen bildete sich seit Chlodwig (siehe oben) aus. Es stellte die Grundlage des Rittertums und des charakteristischen Hoflebens dar. Tatsache ist, dass
 […] sowohl in Georgien als auch in Westeuropa Feudalsysteme herrschten, die fast identisch waren. Erstaunlich ist die Identität sogar der Termini, die die damaligen sozialen Verhältnisse in Westeuropa und Georgien bezeichneten. Auch waren das damalige georgische Ritterwesen und Hofleben dem westeuropäischen mehr als ähnlich. (Tsretheli 1975: 5)
Allerdings weisen das Vasallentum in Westeuropa und Georgien deutliche Unterschiede auf: In Westeuropa ist es gekennzeichnet durch wechselseitige, ungleichgewichtige Abhängigkeit, in Georgien eher durch gegenseitiges Verständnis zwischen Lehnsherrn und Vasall. Ähnliche Unterschiede zeigen sich auch in der Minne, einem weiteren Charakteristikum des höfischen Lebens. Die Minne der Feudalgesellschaft umreißt die dienende und verehrende Werbung um eine Dame, wobei sich der Werbende der Dame unterordnet. Im Gegensatz zu Westeuropa weist die Minne in Shota Rustavelis Dichtung starke romantische Züge auf. Das mag auch daran liegen, dass zum Zeitpunkt der Entstehung des ‘RIT‘ bereits die Renaissanceliteratur in Georgien in Entstehung war, also deutlich früher als in Westeuropa.

Abschließend lässt sich feststellen, dass sich die Literatur wie auch das Feudal- und Ritterwesen im mittelalterlichen Georgien und in Westeuropa voneinander unabhängig parallel entwickelten. So erfuhren die Kreuzritter erst während des 1. Kreuzzuges von der Existenz eines christlichen Königsreiches im Osten. Zu einem direkten Kontakt zwischen Kreuzrittern und georgischen Rittern kam es wahrscheinlich erst im Jahre 1121, als König David IV. „Der Erbauer“ in der Schlacht bei Didgori die Seldschuken vernichtend schlug. An der Seite der Georgier kämpften damals 200 fränkische Ritter. Zu jenem Zeitpunkt muss das georgische Rittertum sicherlich schon voll entwickelt gewesen sein, und ein kultureller Austausch mit den Kreuzrittern wird sich wohl auf das Militärische beschränkt haben. Als Folge der Kreuzzüge vertieften sich unter Kaiser Friedrich Barbarossa die Beziehungen mit Georgien. Aus rein militärisch-strategischen Gründen unterhielt Friedrich I. diplomatische Beziehungen mit dem georgischen König Giorgi III. (†1184) und der ihm nachfolgenden Königin Tamar und er bot sogar Tamar seinen Sohn Friedrich V., Herzog von Schwaben, als Ehemann an.

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Miniatur aus der georgischen Handschrift S-5006 (Quelle: UNESCO Memory of the world register)

Entstehungsgeschichte des georgischen Nationalepos
Das Epos wurde zwischen 1184 und 1207 am Hofe von Königin Tamar verfasst. Verfasser des ‘Ritter im Tigerfell‘ ist Shota Rustaveli (*1172, †1216; beides sind ungefähre Angaben, da die genauen Lebensdaten nicht bekannt sind), der seine Ausbildung vermutlich in der Akademie von Ikalto erhielt. „Neuplatonismus ist einer der Eckpfeiler von Rustavelis Weltanschauung.“ (Gigineishvili 2009: o. S.) Er ist sehr wahrscheinlich im Kreuzkloster in Jerusalem begraben. Dort befindet sich ein Fresko mit einer Inschrift, die auf Rustaveli hinweist.
Obwohl Rustaveli in dem Prolog, mit dem er sein Epos einleitet, lediglich schreibt  „Preisen wir Königin Tamar, blutige Tränen vergießend […]. Huldvolle Verse zu ihrem Lob waren mir befohlen […].“ (Buddensieg 1976: Strophe 4), wird allgemein angenommen, dass Tamar selbst als Auftraggeberin fungierte. Die Regierungszeit von Königin Tamar von 1184 bis 1213 gilt als das „Goldene Zeitalter“ Georgiens. Die Königin wurde von der georgisch-orthodoxen Kirche sogar heiliggesprochen. Rustaveli stand am Hof Tamars sehr wahrscheinlich im Rang eines Oberschatzmeisters.
Das Epos ist in einer zeitgenössischen Form nicht überliefert, geschweige denn in autografischer Form. Die älteste vorhandene Handschrift (H-599 des Tifliser Handschriftenzentrums) stammt aus dem Jahre 1646. Daneben gibt es noch ein Fragment, vermutlich aus dem 16. Jahrhundert. Frühere Handschriften haben sicherlich existiert, dürften aber unter der Mongolenherrschaft verloren gegangen sein. Übrig blieb daher zunächst nur die mündliche Überlieferung. Man kennt heute 164 Handschriften, die mehrheitlich nach der ersten Drucklegung 1712 entstanden sind. Die georgische Webseite www.corpora.iliauni.edu.ge enthält 136 Abschriften von Handschriften und besonderen, gedruckten Ausgaben. König Wachtang VI. soll für seine gedruckte Erstausgabe drei frühe Handschriften verwendet haben: eine undatierte Pergamenthandschrift, eine Handschrift von 1443 und eine dritte von 1678. Diese sind danach offenbar verloren gegangen. (Wardrop 1912: IX)
Es gab schon vor dem ‘RIT‘ säkulare Literatur in Georgien, teils aus eigener Dichtung, teils aus Übersetzungen. (Ingorokva 1939: o. S.) Besonders populär war „Kalila und Dimna“, eine aus dem Persischen stammende Sammlung von Fabeln, Märchen und Geschichten. Und bereits im 10. Jahrhundert hat der georgische Schriftsteller Georgi Merchul das Werk „Grigori Khandzteli“ verfasst, welches romantische Geschichten aus der Feudalzeit Georgiens enthält. Trotzdem steht das Werk von Shota Rustaveli einzigartig da, vor allem wegen seiner wunderbaren Sprache und seinem Hohelied von Liebe und Freundschaft. Auch wenn Rustaveli im Prolog seines Werkes vom „persische Märchen, ins Georgische übersetzt“ schreibt, so entspricht dies nach einhelliger Meinung der Forschung nicht der Wahrheit.
Tseretheli (1975: 6) stellt fest:

In Wirklichkeit gibt es in der persischen Literatur keine solche „Mär“[…]. Die Helden der Dichtung sind nur äußerlich Araber, Inder usw. – Mohammedaner, in Wirklichkeit aber getarnte echt georgische Männer und Frauen, Könige, Ritter, hohe Frauen des feudalen Mittelalters, Christen, mit christlicher und griechischer Bildung und Kultur, obwohl sie auch der arabisch-persischen nicht fremd sind, wie auch dem auf den Grundlagen der griechischen Philosophie und des Christentums erzogenen Rustaveli die orientalische Kultur nicht fremd war. Und es ist sogar auffallend, dass, wenn er und seine Helden mit Zitaten reden, sie vorwiegend Sprüche aus den Werken der griechischen Philosophen und aus dem Neuen und Alten Testament zitieren, niemals aber aus arabischen und persischen Werken. Alles, was im Epos arabisch oder persisch ist, ist, wie gesagt, rein äußerlich […].

Dies alles macht ein literarisches Werk noch nicht zu einem Nationalepos.
Welche Voraussetzungen sind dafür allgemein gültig? Das Universallexikon (siehe Quellennachweis) liefert folgende Definition:
Heldenepos, das im Bewusstsein oder im Bildungskanon einer Nation eine besondere Rolle einnimmt, entweder
weil die darin aufgenommenen Mythen für die nationale Frühgeschichte als bestimmend angesehen werden,
weil man dem Stoff beziehungsweise Werk für das historische Selbstverständnis einen besonderen Stellenwert zuspricht oder
weil in ihm die nationale Eigenart am reinsten ausgeprägt zu sein scheint.

Es ist das dritte der drei Kriterien, auf das sowohl der ‘RIT‘ als auch das Nibelungenlied seine Stellung als Nationalepos begründen (beim Nibelungenlied gilt dies nur bis 1945, weil der Begriff „Nationalepos“ durch die sich darauf berufende Nationalideologie des Hitler-Staates nachhaltig geschädigt  ist). Glaubte man in Deutschland, dass die Helden des Nibelungenlieds den deutschen Charakter widerspiegeln, so sehen die Georgier im ‘RIT‘ ein Spiegelbild ihrer Seele.  Marjory Wardrop (1912: iii) bezeichnet den ‘RIT‘ deshalb folgerichtig als „a book which is the mirror of the soul of a cultured people with great past.“ Eine andere Definition des ‘RIT‘ lautet „Hymne auf Liebe, Schönheit und Freundschaft.“ Man darf hier allerdings nicht übersehen, dass jeder der beiden Protagonisten des ‘RIT‘ einen gemeinen Mord begangen hat. Wohlgemerkt: Keine Zweikämpfe mit tödlichem Ausgang, sondern Mord! Dies bleibt gerne unberücksichtigt, wenn man davon spricht, dass „Rustavelis Helden das ideale Menschenbild verkörpern  -  Schönheit, Vollkommenheit.“ (Neukomm 1974: 469)
Der ‘RIT‘ bietet ein weites Feld von Möglichkeiten zur Interpretation, so dass jedermann seine eigenen Vorstellungen darin entdecken kann. Elguja Khintibidze (2015: o. S.) schreibt folgerichtig:

On the one hand this [der ‘RIT’, d.Verf.] is a blend of renaissance and medieval thinking, on the other hand - Christian - Religious and antique Greek philosophy, and a mythical and transcendental world view with analytical thinking as well. It offers vast space of imagination to a reader’s subjective associations. Therefore it is natural for each reader and a scholar of the poem to have his own MPS [‘MPS’ = ‘Man in the Panther’s Skin’, d.Verf.].

Tevzadze (2013: 3) liefert zusätzlich eine eigenwilliger Erklärung dafür, warum das Epos über Jahrhunderte im Bewusstsein der Bevölkerung bewahrt und sowohl mündlich wie schriftlich weitergegeben wurde: Das Epos sei eine stille Auflehnung gegen den Klerus. Der ‘RIT‘ fällt durch „weitgehende religiöse Toleranz oder gar Indifferenz auf. Im Gegensatz zu der geläufigen Kreuzzugsdichtung des europäischen Mittelalters […] spielt die Frage des Glaubens bei Rustaveli kaum eine Rolle.“ (Birkhan 2009: 162) Die völlige Negierung von Klerus, d.h. von Geistlichkeit, hat sehr wahrscheinlich dazu geführt, dass das Epos über einen langen Zeitraum, sogar noch im 18. Jahrhundert, von der Kirche verfolgt wurde. Die Macht des Klerus entsprach in Georgien sicherlich derjenigen im mittelalterlichen Westeuropa. Rustaveli wurde sogar der Häresie bezichtigt. (vgl. Ingorokva 1939: o. S.) Hinzu kommt, dass für den Klerus der damaligen Zeit die wahre, „romantische“ Liebe, wie sie in Rustavelis Werk vorkommt, „etwas Böses und Teuflisches seien und eine gefährliche Fallgrube darstellten.“ (Gigineishvili 2009: o. S.) Dass solch ein Urteil über dieses von Georgiern so geliebte Werk einen inneren Widerstand im Volk auslöste, lässt sich leicht nachvollziehen.

Jedenfalls ist der ‘RIT‘ gewissermaßen Teil des georgischen Volkes und dadurch mit Recht sein Nationalepos geworden. Man geht davon aus, dass das Epos schon Ende des 14. Jahrhunderts populär gewesen ist. Im Gegensatz dazu geriet das Nibelungenlied etwa Anfang des 16. Jahrhunderts allmählich in Vergessenheit. In das Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit gelangte es erst fast 300 Jahre später wieder durch die neuhochdeutsche Übersetzung von Friedrich Heinrich von der Hagen 1807.

Vergleich mit mittelalterlichen westeuropäischen Ritterepen
Aus den vorstehenden Analysen lässt sich bereits die Ähnlichkeit mit den Ritterepen Westeuropas erkennen. Umso mehr muss es verwundern, dass es hierüber noch keine umfassende Studie gibt. Tevzadze (2013: 1f) erklärt das damit, dass die ersten westeuropäischen Übersetzer (er nennt u.a. die Deutschen Artur Leist und Hugo Huppert sowie der Engländerin Marjory Wardrop) nur Übersetzer aber keine Germanisten oder Mediävisten waren und deshalb einen solchen Vergleich gar nicht ziehen konnten. Umgekehrt trifft dies auch für Georgien zu, mit einer Ausnahme: Das Staatsarchiv in Tiflis besitzt ein auf Deutsch mit Maschine geschriebenes Manuskript von Viktor Nozadze mit dem Titel „Parallele zwischen Nibelungen und georgischen Epos (Parallele zwischen der höfischen Dichtung der mittelalterlichen Georgien und des westlichen Europa)“ [sic]. Im Internet findet sich unter www.nplg.gov.ge eine georgische Übersetzung dieses Manuskripts  -  man muss allerdings Georgisch können, um den Beitrag dort aufzufinden und zu lesen. Es gibt aber noch ein weiteres Beispiel: Der erste Staatspräsident des unabhängigen Georgiens, Swiad Gamsachurdia, hat in den 1980er Jahren ein Werk mit dem Titel „Die Bildsprache in Rustawelis Mann im Pantherfell“ [Titel der deutschen Übersetzung, d.Verf.] verfasst, welches 1991 in Druck ging, 1994/95 von dessen Sohn ins Deutsche übersetzt wurde und dann 2010 in der Schweiz erschien. Im letzten Kapitel dieses Buches widmet sich Gamsachurdia dem Vergleich vom ‘RIT‘ mit den mittelalterlichen Ritterromanen. Er beschränkt seinen Vergleich hauptsächlich auf „Erec“ und in geringerem Maße auf „Iwein“ von Hartmann von Aue. Er betrachtet die Namen in den Ritterepen generell als Symbole für biblische Gestalten und die Handlungen als Allegorien. So schreibt Gamsachurdia (2010: 285):  „Viele Ritterromane sind Schilderungen des mosaischen Berichtes vom Sündenfall in modernem Gewand“.
Gamsachurdia geht so weit, das gesamte Epos vom ‘RIT‘ als Allegorie zu verstehen. Mit einem solchen Ansatz ließen sich sämtliche Ritterepen als Allegorien der Heiligen Schrift definieren. Die gewagte Hypothese Gamsachurdias kann nicht unwidersprochen bleiben. Wenn der ‘RIT‘ eine Allegorie auf die Heilige Schrift wäre, dann ist es unverständlich, dass die georgisch-orthodoxe Kirche das Werk abgelehnt hat und sogar vor „Vernichtung von Manuskripten“ (Wardrop 1912: IV) nicht zurückgeschreckt ist.
Was die westeuropäische Ritterepik betrifft, so darf deren Entstehungszeitraum zwischen 12. und 13. Jahrhundert nicht zu der Annahme verleiten, dass der Ursprung dieser Epen auch im selben Zeitraum zu suchen ist. So beruhen die Artusepen auf einem vorchristlichen Märchen- und Sagenkreis und zum Teil möglicherweise sogar auf im Dunklen liegenden, historischen Ereignissen. Noch deutlicher ist dies bei „Eneide“ von Heinrich von Veldeke, geschrieben zwischen 1170 und 1188. Dieser höfische Roman stellt eine Übersetzung und freie Bearbeitung (Christianisierung) des französischen „Roman d’Eneas“ dar, dessen Handlung wiederum der „Aeneis“ von Vergil folgt. Die „Aeneis“ stammt aber aus dem vorchristlichen ersten Jahrhundert und widerlegt damit klar die Hypothese Gamsachurdias. Allenfalls lässt sich die übliche Struktur höfischer Epen auf diejenige von hagiografischen Erzählungen zurückführen.

Leitmotive der mittelalterlichen Ritterepik sind die Minne bzw. der Frauendienst ganz allgemein sowie Treue bzw. Freundschaft. Aus beiden resultieren dann die von den Rittern zu vollbringenden Heldentaten, wobei die ritterlichen Tugenden im Wesentlichen auf den christlichen beruhen. Nicht fehlen dürfen in solchen Epen dämonische Wesen, verborgene Schätze (zumeist in Höhlen), Riesen, Zwerge und Zauberer. Auch die Tarnkappe ist ein beliebtes Requisit. Das gilt nicht nur für das Nibelungenlied, sondern findet sich, wie auch das meiste vorgenannte, in ähnlicher Form im ‘RIT‘. Auch in den Artussagen gibt es Szenen, in denen Menschen unsichtbar werden. Den Kampf gegen Drachen finden wir sowohl im Beowulf-Epos als auch (indirekt) im Nibelungenlied, allerdings nicht im ‘RIT‘. Dafür aber ist der Heilige Georg, der Drachentöter, Nationalheiliger Georgiens. Er soll seine Heldentat im Kleinen Kaukasus vollbracht haben, einem Teil Georgiens. Dies ist allerdings nur eine der vielen Varianten der Georgsgeschichte. Natürlich dürfen bei den Helden auch besondere Schwerter nicht fehlen. Manchmal haben sie sogar Namen wie Balmung und Waske bzw. Wasechen (Nibelungenlied), Excalibur (Artus) oder Durendal (Roland). Im ‘RIT‘ haben die drei Schwerter, die Tariel unter den Schätzen in der Höhle der Dämonen fand, keine Namen, aber „[…] mit den Klingen hieb man Eisen durch wie Linnen.“ (Huppert 1955:  Strophen 1371/1372) Dies sind nur einige Beispiele aus der hier interessierenden  Ritterepik.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass es auch in Details zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen der westeuropäischen Ritterepik und dem ‘RIT‘ gibt.
In der Handlungsstruktur gibt es ebenfalls Übereinstimmungen, insbesondere im Vergleich zum Parzival. Hier wie dort gibt es ein Nebeneinander in den Handlungen zweier Protagonisten  -  im ‘RIT‘ Awtandil und Tariel, im Parzival Gawan und Parzival. Beide Epen beginnen mit einem Prolog und enden mit einem Epilog.
Was die Aufteilung mancher Epen in zwei Teile betrifft, lassen sich weitere Vergleiche ziehen. Der ‘RIT‘ besteht aus der ersten und der zweiten Quest von Awtandil (unabhängig von der schon oben erwähnten Doppelwegstruktur der Einzelhandlungen). Das Rolandslied und das Nibelungenlied teilen sich in gleicher Weise in „Rolands Tod“ bzw. „Siegfrieds Tod“ und in „Die Rache“ bzw. „Kriemhilds Rache“ auf. Auch beim „Erec“ lassen sich vergleichbare Unterteilungen finden.

Parallelen zum Nibelungenlied
Nach dem allgemeinen Vergleich vom ‘RIT‘ mit der mittelalterlichen westeuropäischen Literatur folgt hier eine Untersuchung über mögliche Parallelen zwischen dem ‘RIT‘ und dem Nibelungenlied.
Wie schon eingangs erwähnt, sind sowohl der ‘RIT‘ als auch das Nibelungenlied um 1200 entstanden. Während beim ‘RIT‘ Verfasser und Auftraggeber bekannt sind, ist der Autor des Nibelungenlieds unbekannt. Dass dessen Auftraggeber Bischof Wolfger von Erla war, ist nur eine Vermutung.
Beide Epen sind (beim Nibelungenlied: waren) Nationalepen. Dies wurde unter „Entstehungsgeschichte des georgischen Nationalepos“ bereits eingehend behandelt. Von einem Nationalepos ist eigentlich zu erwarten, dass es in dem betreffenden Land innerhalb der Bevölkerung weit verbreitet ist. Gibt man in Deutschland bei Online-Marktplätzen unter „Bücher“ als Suchbegriff „Nibelungenlied“ ein, erhält man durchwegs etwa 2000 Ergebnisse (Neuausgaben und antiquarische Angebote). Selbst eine Deutschland-weite Buchhandlung hat online mehr als 500 Angebote. Eine vergleichbare Untersuchung unter georgischen Online-Angeboten liefert dagegen nur etwa 30 Treffer. Daraus könnte man folgern, dass in Deutschland das Nibelungenlied einen weit höheren Bekanntheitsgrad hat als der ‘RIT‘ in Georgien. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Trotz der zahlreichen Leseangebote kennt in Deutschland offensichtlich die Mehrheit der Bevölkerung den Inhalt des Nibelungenlieds nicht oder nur bruchstückhaft. Der ‘RIT‘ ist in Georgien grundsätzlich Bestandteil der schulischen Bildung, und in der Regel besitzt jede Familie mindestens ein, meist sogar zwei oder mehr Exemplare des ‘RIT‘. Dies soll auch für die ländliche Bevölkerung zutreffen, wofür es zwei Gründe gibt: Erstens war ein Exemplar des ‘RIT‘ bis etwa Ende des 19. Jahrhunderts Bestandteil der Mitgift einer Braut und zweitens sollen die Georgier leidenschaftliche Leser sein.

Ein oft genutzter Ausspruch in Georgien ist ein Vers aus der Strophe 39 des ‘RIT‘:
„Löwenkind, ob Männchen, Weibchen  -  bleibt doch immer Löwenbrut.“
(Siehe deutsche Übersetzungen von Buddensieg, Huppert oder Prittwitz) Dies zeigt, wie sehr der ‘RIT‘ in Georgien Allgemeingut ist.
Im Gegensatz zum Nibelungenlied, welches üblicher Weise nur in neuhochdeutscher Übersetzung verstanden wird, ist der Text auch der frühesten Ausgaben des ‘RIT‘ bis heute für jeden Georgier, der über eine durchschnittliche Schulbildung verfügt, im Großen und Ganzen verständlich. Und es gibt noch heute Georgier, die den gesamten ‘RIT‘ auswendig aufsagen können, und das sind immerhin etwa 1600 Strophen. Dies wird sicherlich dadurch begünstigt, dass der Unterschied zwischen Alt- und Neugeorgisch im Gegensatz zu Mittel- und Neuhochdeutsch sehr gering ist.

Beide Epen sind Weltdokumentenerbe. Neben dem UNESCO-Weltkulturerbe gibt es nämlich auch ein Weltdokumentenerbe. Zum UNESCO-Weltregister „Memory of the World“ gehört seit 2009 das Nibelungenlied mit den Handschriften A, B und C. Die Begründung  hierzu unter der Überschrift „Song of the Nibelungs, a heroic poem from mediaeval Europe“ lautet:

The Nibelungenlied (the Song of the Nibelungs) is probably the most famous heroic poem in Middle High German. It is comparable with other world-famous epics such as the epic of Gilgamesh of Ancient Babylonia, the Mahabharata of Ancient India, or the Heike Monogatari in mediaeval Japan. It tells the story of dragon-slayer Siegfried from his childhood days and his marriage to Kriemhild to his murder and the subsequent story of Kriemhild’s revenge, finally culminating in the extinction of the Burgundians or Nibelungs at the court of the Huns.

Der ’RIT’ wurde in das UNESCO-Weltregister im Jahre 2013 unter dem Titel  "Knight in the Panther's Skin" mit der Sammlung von insgesamt 96 Handschriften und frühen Drucken (94 in Georgien, 2 in England) aufgenommen und zwar mit folgender Begründung:

This collection consists of a mixture of Georgian, oriental and European cultural traditions created during major political, socio-economic and cultural changes throughout the Caucasian and Middle East regions. It provides unique information about the lifestyle, traditions and characterizations of different social groups in the Middle Ages from the royal family to merchants and peasants. It can also be characterized as the peak of development of neo-Platonic thinking and a hymn of human nature, friendship, love, equality and struggle for freedom.

Die Mehrheit der im UNESCO-Weltregister aufgenommenen Manuskripte des ‘RIT‘ war ursprünglich im Besitz georgischer Prinzen und Prinzessinnen.

Beide Epen sind, mit Einschränkungen, mittelalterliche Ritterepen. Sie stellen allerdings Sonderformen dar: Der ‘RIT‘ als Übergangsform zum Roman und das Nibelungenlied als „germanische Heldensagen im ritterlich-höfischen Gewand“ (Pohl o. J., o. S.).
Der Siegfried im Nibelungenlied verkörpert jedoch nicht die typische höfische Rittergestalt, denn er tritt rüpelhaft auf und verprügelt sogar Kriemhild, seine Frau, als Strafe für den „Streit der Königinnen“ vor dem Wormser Dom. Die beiden Protagonisten des ‘RIT‘ andererseits begehen jeder für sich einen Mord  -  ebenfalls ein unritterliches Verhalten.
Während der ‘RIT‘ voll von romantischen Begebenheiten ist, findet sich im Nibelungenlied eigentlich nur eine einzige romantische Stelle, nämlich bei den ersten Begegnungen zwischen Siegfried und Kriemhild. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Handlungen in beiden Epen im Wesentlichen völlig unterschiedlich sind, auch wenn sich ein vergleichbarer Aufbau des Handlungsrahmens erkennen lässt.

Die Metrik beider Epen ist ähnlich. Das Versmaß des ‘RIT‘ ist der „Schairi“, ein Vierzeiler, bei dem jeder Vers 16 Silben zählt und die Schlussreime gleich sind. Hier als Beispiel die Strophe 85 aus der Übersetzung von Huppert, bei dem jedoch jeder Vers nur 15 Silben aufweist:

Eines Tigers schöne Fellhaut dient dem Recken als Gewand.
Auch das Haupt des lautern Helden eine Tigerhaut umwand.
Eine stahlbeschlagne Peitsche, armdick, hielt er in der Hand.
Seltsam fand man die Erscheinung, wie aus einem Märchenland.

Das Nibelungenlied dagegen besteht zwar auch aus vierzeiligen Strophen, allerdings aus vier paarweise gereimten Langversen. Diese Metrik ist dem Georgischen fremd, deshalb ist die georgische Nachdichtung des Nibelungenlieds durch Konstantine Tschitschinadse in Schairi abgefasst. (Buddensieg 1976: 11)
Man spricht bei Epen der Art von ‘RIT‘ und Nibelungenlied von sogenannter „Sangversepik“, die charakteristisch ist für mittelalterliche Epen, die durch eine Art Gesangsstimme vorgetragen wurden. (Müller 2011: 2)

Gemeinsames Leitbild beider Epen sind Treue bzw. Freundschaft. Kriemhild hält Siegfried über seinen Tod hinaus die Treue, woraus sich das Motiv ihrer Rache an Hagen und letztlich den Burgundern ableitet. Aus der bedingungslosen Treue von Hagen gegenüber den Burgunderkönigen und umgekehrt leitete Reichskanzler von Bülow seinen Ausspruch von der „Nibelungentreue“ her, mit der er 1909 in einer Reichstagsrede die unbedingte Bündnistreue des Deutschen Reiches zu Österreich-Ungarn charakterisierte.
Über den ‘RIT‘ schreibt Wardrop (1912: V): „The poem is a glorification of friendship […] even the gratification of the tenderest love must be postponed to this high duty.” Damit spielt Wardrop auf Awtandil an, der nach Rückkehr von seiner ersten Quest nicht bei seiner geliebten Tinatin bleibt, sondern erneut aufbricht, um Tariel in beidseitiger Freundschaft zu helfen.
Völlig unterschiedlich zum Nibelungenlied ist das Verhalten der handelnden Personen im ‘RIT‘: „Die Gefühlswelt der Helden zeigt auch in ihren extremsten Ausbrüchen eine Art genormter Künstlichkeit […]. Mir [dem Autor, d.Verf.] ist noch kein Werk untergekommen, in dem so viel geweint wird […]. In 16% der Strophen ist vom Weinen die Rede.“ (Birkhan 2009: 144, Anm. 6)
Ein vergleichbares Verhalten findet sich nur in der Nibelungenklage, bei der in etwa 40% des Textes geklagt wird.
Ein weiterer deutlicher Unterschied zwischen beiden Epen besteht im Ausgang der Erzählung. Der ‘RIT‘ schließt mit einem „Happy End“, während das Nibelungenlied in Blut und Chaos versinkt. Lediglich die Nibelungenklage liefert ein versöhnliches Ende mit der Krönung von Gunthers und Brünhilds Sohn zum neuen König der Burgunder.

Historische Bezüge lassen sich in beiden Epen nur sehr vage erkennen. Im Nibelungenlied sind diese mit den Burgunderkönigen und dem Hunnenkönig Attila sowie, bedingt, mit Dietrich von Bern (= Theoderich der Große) im Vergleich zum ‘RIT‘ deutlicher ausgeprägt. In letzterem kann man lediglich die Krönung von Tinatin als Synonym für die Krönung von Königin Tamar ansehen. In beiden Fällen hatten die regierenden Könige keinen männlichen Nachfolger, weshalb sie ihre Töchter als Mitregentin und spätere Alleinherrscherin einsetzten.
„Die Schauplätze im ‘RIT‘ sind gewissermaßen eine Landkarte der Phantasie“ (Neukomm 1974: 464), ausgenommen die Länderbezeichnungen Arabien, Indien und Chataj. Im Gegensatz dazu lassen sich alle im Nibelungenlied auf der Route der Nibelungen vorkommenden Orte auf den Landkarten von Deutschland, Österreich und Ungarn wiederfinden. Zwar gibt es seit der Abfassung des Nibelungenlieds Namensänderungen, die aber insgesamt nachvollziehbar sind. (Schöffl 2014: 82 – 91)
Der Mangel an historischen Bezügen und Quellen erklärt sich beim ‘RIT‘ damit, dass dieses Epos nicht auf Volkssagen und Volksmärchen aufbaut, sondern das Gegenteil der Fall ist: Die georgischen Volkssagen sind aus dem ‘RIT‘ hervorgegangen. (Ingorokva 1939: o. S.)

In den vorstehenden Vergleichen wurden auch solche Fälle aufgezeigt, bei denen sich keine Übereinstimmung zwischen beiden Epen ergibt. In den wesentlichen Punkten zeigen sich aber deutliche Parallelen zwischen dem ‘RIT‘ und dem Nibelungenlied.

Schlussbemerkungen
Das eigentlich Überraschende an den hier angestellten Untersuchungen ist die Erkenntnis, dass sich am äußersten östlichen Rand von Europa im Mittelalter eine der westeuropäischen sehr ähnliche ritterlich-christliche Feudalgesellschaft mit vergleichbarer höfischer Epik entwickelt hat. Dass unter diesen Voraussetzungen ein literarisches Werk entstehen konnte, welches einen Vergleich mit mittelalterlichen westeuropäischen Epen nicht scheuen muss, ist unter solchen Umständen zwar nicht selbstverständlich, aber durchaus naheliegend. Shota Rustavelis „Ritter im Tigerfell“ ist nicht nur das Nationalepos von Georgien geworden, sondern hat auch die Weiterentwicklung der georgischen Sprache beeinflusst.
Die große Ähnlichkeit zwischen diesem Epos und den westeuropäischen Epen desselben Zeitraumes konnte anhand der vorliegenden Arbeit belegt werden. Ein großes Hindernis bestand für den Verfasser darin, Originalquellen mangels entsprechender Sprachkenntnisse nicht selbst auswerten können. Folgende Personen haben in diesem Zusammenhang die Recherchen in dankenswerter Weise unterstützt:

Dr. Steffi Chotivari-Jünger, Berlin
Professor Elguja Khintibidze, Tiflis
Ketevan Krause, München
Teona Shamanauri, Tiflis

rit01

Faksimile der georgischen Handschrift H2074 (Quelle: UNESCO Memory of the world register)


Quellenverzeichnis

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