Karl Schmoll von Eisenwerth
eine biographische Skizze


von Busso Diekamp

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Schmoll von Eisenwerth, Mai, 1914
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Karl Schmoll von Eisenwerth wurde 1879 in Wien geboren, wo sein Vater als Brückenbauingenieur tätig war. Die Familie väterlicherseits stammte aus St. Wendel im Saarland, wo der junge Karl auch einige Jugendjahre verbrachte, nachdem sich der zu Wohlstand gekommene Vater dort zur Ruhe gesetzt hatte. Seine erste künstlerische Ausbildung erhielt Schmoll v. Eisenwerth in Darmstadt, wo er vom Jugendstil beeinflußt wird und sich bereits 1901 an der Ausstattung der Villa des Bildhauers Ludwig Habich mit Wandbildern beteiligt.
Vor allem mit lyrischen Landschaftsbildern in der Technik des Farbholzschnittes, der im Jugendstil nach japanischem Vorbild eine große Blüte erlebte, erreichte Schmoll von Eisenwerth eine Meisterschaft, mit der er bereits als 20jähriger künstlerische Anerkennung fand. Später bediente sich der Künstler der gesamten Bandbreite der künstlerischen Druckgraphik - von der Radierung bis zur Farblithographie. In München studierte er von 1899 bis 1901 an der Kunstakademie und unternahm anschließend die fast obligatorische Künstlerreise nach Italien; Paul Klee, dessen Genie Schmoll völlig verkannte, war einer seiner Begleiter. Nach weiteren Reisen - Paris und Skandinavien - war Schmoll zeitweilig als Graphiklehrer der privaten Debschitz-Kunstschule in München tätig. Gleichzeitig entwarf er Jugendstilgläser - mit Pfauenfederdekor oder als Überfanggläser im Stile Emile Gallés - für die Glashütte Ferdinand von Poschingers in Buchenau im Bayerischen Wald. 1907 erfolgte - wohl auf Betreiben Theodor Fischers - der Ruf als Professor für Zeichnen und dekoratives Gestalten an die Architektur-Fakultät der TH Stuttgart. In Zusammenarbeit mit den dort lehrenden Architekten wandte sich Schmoll von Eisenwerth der Monumentalkunst - Wandmalerei und Mosaik - zu. Künstlerischer Höhepunkt war - nach eigenem Bekunden des Künstlers, aber auch nach Einschätzung seiner Zeitgenossen und der heutigen Kunstgeschichtsschreibung - der Wormser Nibelungenzyklus.
Mit ziemerlich Sicherheit lässt sich sogar sagen, dass der Künstler ohne sein Wormser chef- d'oeuvre heute fast völlig vergessen wäre.  Wie Theodor Fischer bis zu seinem Tode 1938 das heimatverbundene, traditionelle Bauen der Jahrhundertwende repräsentierte, ist auch Schmoll von Eisenwerth stilistisch nicht über seine Wormser Wandbilder hinausgekommen: Die neuen Kunstströmungen wie Expressionismus oder später gar Dadaismus und Neue Sachlichkeit nahm er nicht auf und die Auftragslage für dekorative Monumentalkunst war in der Weimarer Zeit schlecht. Schmoll von Eisenwerth wandte sich nach dem 1. Weltkrieg zunehmend einer glatten Porträtmalerei zu, war hier aber vor allem auf den Südwestdeutschen Raum beschränkt, wo das Großbürgertum und der Adel zu seinen Auftraggebern zählte. Als Gutsbesitzer im österreichischen Osternberg bei Braunau am Inn (seit 1924) war er auch vom Lebensgefühl diesen Kreisen verbunden: Über seine ökonomischen Probleme als Gutsherr berichtet er bezeichnenderweise mehrmals Ludwig Freiherrn von Heyl, mit dem er eine rege Korrespondenz bis kurz vor seinem Tode 1948 führte und den er mehrmals - auch mit Familie - in Worms besuchte. Diese erst in den 30er Jahren einsetzende, für den Künstler Schmoll von Einsenwerth leider wenig ergiebige Korrespondenz befindet sich im Familien- und Firmenarchiv Ludwig Cornelius Freiherr von Heyl, das seit 1997 im Stadtarchiv aufbewahrt wird.  Einen nachträglich geradezu emblematischen Charakter im Hinblick auf des Künstlers gesellschaftliche Bindung und aristokratische Gesinnung - obwohl selbst nicht adelig - gewinnt das Jugendbildnis des Hitlerattentäters Claus Schenk von Stauffenberg, das im 1. WK entstand: wie das schwäbische Uradelsgeschlecht war der Kunstprofessor und zeitweilige Rektor der TH Stuttgart ständisch, kaisertreu und antirepublikanisch gesinnt, aber dann auch ein klarer Gegner des Nationalsozialismus; diese Gegnerschaft lässt sich zwischen den Zeilen im Briefwechsel mit Ludwig von Heyl lesen: Obwohl kein Anhänger der modernen Kunstströmungen in der Weimarer Republik, äußert sich Schmoll von Eisenwerth in einem Brief an Baron Ludwig 1937 "entmutigt" über das, was er in München sah: Er spielt damit offenbar auf die Ausstellung "Entartete Kunst" an ( Brief vom 13. Sept. 1937).

Wie der Baron hat er natürlich auch die Katastrophe 1939 kommen sehen.  Aus der Korrespondenz zwischen November 1944 und Januar 1945 geht hervor, dass sich Ludwig von Heyl bei Friedrich Maria Illert um die Verbringung der 6 transportablen Wandbilder aus dem Cornelianumin einen Schutzraum bemühte - leider erfolglos. Bei dem verheerenden Bombenangriff am 21. Februar 1945 wurden sämtliche Bilder mit dem Gebäude zerstört. Was Schmoll von Eisenwerth bis zu seinem Tode 1948 nicht wußte: Die Kartons zu den sechs Seitenbildern überlebten den Krieg in einem Darmstädter Kellerdepot und wurden aus dem Nachlass der Stadt Darmstadt geschenkt; heute gehören sie als Depotstücke zur Jugendstilsammlung Mathildenhöhe.  Das gesellschaftliche Selbstbewußtsein des nicht-adeligen Künstler-Aristokraten Schmoll von Eisenwerth spiegelt sich wohl am besten in seinem Selbstbildnis wider, das 1915 entstand. Der Künstler zeigt sich hier in seinem Stuttgarter Atelier mit dem Wormser Wandbild "Dietrich von Bern fesselt Hagen" im Hintergrund: Ein schlanker vornehmer Herr im dunkelvioletten Jackett schaut nicht gerade uneitel aus dem Gemälde auf den Betrachter.
Die gravitätische Pose mit dem abgewinkelten rechten Arm, der Malstab geradezu spielerisch in der grazilen Hand, erinnert an eine bekannte Pathosformel in barocken Herrscherbildnissen; wir finden diese Pose z.B. auch noch in dem Bildnis des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein von Franz Stuck aus dem Jahre 1907, an dem sich Schmoll von Eisenwerth orientiert haben mag. Mit dem Wormser Wandbild im Hintergrund ist das Selbstbildnis das gemalte Dokument des künstlerischen Selbstbewußtseins und des Stolzes über das Werk, mit dem Schmoll von Eisenwerth nationales Ansehen genoss. Durch die Kriegszerstörung bleibt uns in Worms nur die Erinnerung an die wohl bedeutendsten Nibelungenbilder unseres Jahrhunderts; es wäre aber sicher einmal der Mühe und des Geldes wert, sämtliche erhaltenen Entwürfe zu Theodor Fischers Cornelianum und zum Nibelungenzyklus einschl. des Selbstbildnisses in einer Ausstellung hier in Worms im Original zu versammeln.